Nicht Mann, nicht Frau Was ist das dritte Geschlecht?
Intersexuelle Menschen sollen das Recht auf einen eigenen Eintrag in Behördengregister bekommen. Wir beantworten die fünf wichtigsten Fragen zum Thema.
Deutschland als Vorreiter in Europa: Das Bundesverfassungsgericht hat für den Eintrag im Geburtenregister ein drittes Geschlecht gefordert. Intersexuellen Menschen, die weder männlich noch weiblich sind, solle damit ermöglicht werden, ihre geschlechtliche Identität "positiv" eintragen zu lassen, entschieden die Karlsruher Richter.
1. Was ist Intersexualität?
Bei intersexuellen Menschen sind nicht alle geschlechtsbestimmenden Merkmale wie Chromosomen, Hormone, Keimdrüsen oder äußere Geschlechtsorgane eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen. Bei ihnen kommen gleichzeitig – vollständig oder teilweise – Geschlechtsmerkmale vor, die sich typischerweise entweder bei Frauen oder bei Männern finden. Intersexuelle besitzen nur ein X-Chromosom, ein zweites Chromosom, das sie als weiblich (X-Chromosom) oder als männlich (Y-Chromosom) ausweisen würde, fehlt. Vor der Einführung des Begriffs "Intersexuelle" war meist von "Zwittern" die Rede. Diese Bezeichnung kann jedoch diskriminierenden Charakter haben.
2. Wie viele intersexuelle Menschen gibt es in Deutschland?
In Deutschland könnten bis zu 160.000 intersexuelle Menschen leben. Experten schätzen, dass auf etwa 1500 bis 2000 Geburten ein Fall von Intersexualität kommt. Vertreter von Betroffenen schätzen die Zahl höher ein und verweisen unter anderem auf die großen Probleme, das Phänomen physisch wie hormonell klar zu fassen.
3. Wie wurden Intersexuelle bisher behandelt?
Seit 2013 besteht die Möglichkeit, die Eintragung im Geburtenregister offen zu lassen, wenn das Geschlecht eines Neugeborenen nicht eindeutig ist. Diese Variante "fehlende Angabe" hilft Intersexuellen aus Sicht der Karlsruher Richter aber nicht weiter. Denn dadurch würde nicht abgebildet, dass sie sich nicht als geschlechtslos begreifen, sondern nach eigenem Empfinden ein Geschlecht jenseits von männlich oder weiblich haben. "Der Personenstand ist keine Marginalie", heißt es in dem Beschluss. "Der Zuordnung zu einem Geschlecht kommt für die individuelle Identität herausragende Bedeutung zu."
4. Was war der Auslöser für das Urteil der Bundesrichter?
Geklagt hat Vanja, intersexuell, weder Mann noch Frau, geboren mit einem atypischen Chromosomensatz. Die Klage scheiterte zuvor in sämtlichen Instanzen, zuletzt vor dem Bundesgerichtshof. Zu Unrecht, wie die Verfassungshüter nun entschieden: Die geschlechtliche Identität sei ein "konstituierender Aspekt der eigenen Persönlichkeit" und somit von dem im Grundgesetz verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt.
5. Wie geht es nun weiter?
Der Gesetzgeber kann bis Ende 2018 einen dritten Geschlechtseintrag schaffen – etwa "inter" oder "divers". Er kann in Zukunft aber auch ganz auf einen Geschlechtseintrag verzichten.