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Die FDP die neue RAF? Jan Böhmermann provoziert mit Fahndungsfotos


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Plakat im RAF-Stil
Böhmermann selbst ärgerte sich schon über Fahndungsfotos


Aktualisiert am 26.11.2022Lesedauer: 6 Min.
Jan Böhmermann und das umstrittene Plakat: Der Satiriker hat ein gespaltenes Verhältnis zu Fahndungsaufrufen.Vergrößern des Bildes
Jan Böhmermann und das umstrittene Plakat: Der Satiriker hat ein gespaltenes Verhältnis zu Fahndungsaufrufen. (Quelle: Kollage: t-online/Jens Koch/ZDF)
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Provokateur Jan Böhmermann zieht Parallelen zwischen FDP und RAF und das auch per Fahndungsplakat. Das ist eine sichere Methode, erfolgreich Ärger zu suchen.

Gegen Jan Böhmermann gibt es nach seiner "ZDF Magazin Royal"-Sendung mindestens eine Strafanzeige, weil er im Stil eines alten RAF-Fahndungsplakats FDP-Politiker abbildet, die unter die Überschrift "gesuchte linksradikale Gewalttäter" eigentlich überhaupt nicht passen. Wegen optisch ähnlicher Plakate gab es in der Vergangenheit schon heftige Diskussionen. Ermittler führten Razzien durch und es laufen auch aktuell Strafverfahren. Böhmermann nutzt, was zuvor große Befürchtungen ausgelöst hatte, als nämlich "Querdenker" auf diese Weise ihre Feinde markierten. t-online unternimmt einen Streifzug durch die Geschichte von öffentlichen Fahndungen in Deutschland.

Die Mutter aller Plakate: Was Jan Böhmermann vor seiner Sendung "ZDF Magazin Royal" veröffentlichte, war angelehnt an ein berühmtes Plakat. 1972 hingen die Fahndungsaufrufe des Bundeskriminalamts nach den "Anarchistischen Gewalttätern Baader-Meinhof-Bande" in der ganzen Republik. Im Oktober 1971 hatte die RAF nach Banküberfällen und Anschlägen auch ihren ersten Mord begangen, der Hamburger Polizeibeamte Norbert Schmid wurde bei einer versuchten Festnahme erschossen. Im Jahr 1972 gelang es, einige der Abgebildeten festzunehmen.

Das Böhmermann-Plakat: Das Böhmermann-Plakat greift die Optik und Formulierungen auf und will die Abgebildeten mit ihren eigenen Waffen schlagen: Ein Teil der Abgebildeten überzieht selbst nach Ansicht von Experten mit der Darstellung der Gefahr durch Klimaaktivisten, stellt sie als kommende Klimaterroristen dar und warnt vor einer "Klima-RAF". Böhmermann nutzt diese Methode und dreht das noch weiter. In seiner Sendung verwendete er bewusst an den Haaren herbeigezogene Belege, um die FDP als "RAFDP" darzustellen.

Auf dem Plakat sind vorwiegend FDP-Politiker und für den Axel-Springer-Verlag tätige Journalisten zu sehen, aber auch der Porsche-Chef Oliver Blume. Böhmermann zeigt noch einen jungen Mann, der sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Die Überschrift Lindner/Lehfeldt-Bande ist ein Seitenhieb auf enge Verbindungen zwischen Partei und Zeitung: Lindners Ex-Frau Dagmar Rosenfeld leitet – oft ihm gewogen – die "Welt am Sonntag", seine aktuelle Frau Franka Lehfeldt hat mit dem Corona-liberalen Virologen Hendrik Streeck eine Sendung bei Welt-TV. Alle Abgebildeten sind völlig unverdächtig, gesuchte "linksradikale Gewalttäter" zu sein. Die Zuschreibung ist deshalb absurd. Und die Auslobung von "100.000 Mark Belohnung" sollte deutlich zeigen, dass es nicht ernst gemeint ist.

Die Reaktionen: Aus der Politik kam fast durchweg Kritik. Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß forderte gleich eine Solidarisierung "aller guten Demokraten mit den Betroffenen". Wer demokratische Politiker und Journalisten mit Mördern gleichsetze, lege die Axt an Grundwerte der Demokratie, schrieb er auf Twitter.

Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz hat die Idee zwar verstanden, kritisierte aber: "Wenn man das Framing von KlimaaktivistInnen als Terroristen absurd, bösartig und falsch findet, kann man dieses Framing für JournalistInnen und demokratische Abgeordnete nicht richtig oder lustig finden."

Mit dem Kriminologen und Polizeiwissenschaftler Martin Thüne äußerte sich auch ein Experte für Hatespeech sehr negativ: "Nur weil es die 'Gegenseite' mit 'Klima-RAF' vollkommen übertreibt, muss man sich nicht auf ein ähnlich flaches Niveau begeben." Sein Fazit: "Kritik ja, laut und deutlich, aber nicht in einer Form, bei der das (Rest-)Risiko besteht, dass Einzelne falsch deuten und sich eventuell aufstacheln lassen."

Böhmermann dürfte als Satiriker durch die Kunstfreiheit keine juristischen Folgen fürchten müssen. Ein Anwalt aus der "Querdenker"-Szene stellte aber noch am Freitag nach eigenen Angaben Strafanzeige. Er verwies insbesondere auf Paragraf 126a des Strafgesetzbuchs, das "Gefährdende Verbreiten personenbezogener Daten", auch bekannt als Erstellen von Feindeslisten. Er selbst schrieb. "Er wird das dürfen, Regierungskritiker nicht." Dabei übersieht er, dass Böhmermann Vize-Vizekanzler Lindner kritisiert.

Die "Querdenker"-Fahndungen: In dem Bekanntenkreis des Anwalts gibt es allerdings nach t-online-Informationen selbst mindestens einen prominenten Betroffenen, gegen den wegen Teilen eines Fahndungsplakats ermittelt wird. Es geht um einen Beitrag, der erstmals im Sommer 2021 auftauchte und vielfach geteilt wurde. In dem Fall ist der Vorwurf Verleumdung. Die gesetzliche Verschärfung fürs Erstellen von "Feindeslisten" galt damals noch nicht.

Dieses Fahndungsplakat war nicht das einzige, dass aus der Szene der Maßnahmengegner erstellt wurde, von denen für viele das Corona-Thema nur ein Vorwand war. Das zeigt sich etwa daran, dass Außenministerin Annalena Baerbock auf einer Fahndungsliste von "Impfterroristen" auftauchte. Dort auch vertreten: Christian Lindner. Vor der Gefahr dieser Szene war aus der FDP längst nicht so entschieden gewarnt worden wie vor Klimaaktivisten. Ermittlungen sind deshalb nicht bekannt.

Dafür meldete das LKA Baden-Württemberg im August Durchsuchungen und Sicherstellung von Handys und Computern bei 20 Personen, die ein "Staatsfeinde Davos-Clique"-Plakat verbreitet hatten. Staatsanwälte hatten den Anfangsverdacht von Paragraf 188 gesehen – gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung. Das Plakat hing auch zum Teil öffentlich aus.

Deutschen Politikern, aber auch Bill Gates, George Soros, Christian Drosten und Lothar Wieler wurde dort Hochverrat, Genozid, Kindesmissbrauch und Erpressung vorgeworfen. Auf dem Plakat stand ein Hinweis, jeder habe das Recht zur Festnahme.

Die G20-Fahndung der Antifa: Vor der Corona-Pandemie hatten zuletzt Fahndungsplakate aus der linken Szene Aufsehen erregt und deutlich härteres Vorgehen der Behörden gezeigt. Im Verlauf des Jahres 2018 gab es mindestens in Hamburg, Berlin-Kreuzberg und Leipzig Durchsuchungen. Auch da ging es um Verleumdung. Auf den Plakaten zu sehen waren der damalige Regierende Bürgermeister Hamburgs und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz sowie sein Innensenator Andy Grothe (beide SPD) und für den G20-Gipfel eingesetzte Polizisten, diese vielfach nicht erkennbar.

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Der Text dazu lautete "Die abgebildeten Personen stehen im dringenden Verdacht, während der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg schwerste Straftaten begangen zu haben". Leipzigs Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft sah darin einen "unverhohlenen Aufruf zur Denunziation und Gewalt".

Im Juli 2017 hatte es bei den G20-Protesten massive Ausschreitungen mit Brandstiftungen und Plünderungen gegeben. Danach folgten alarmistische Warnungen vor linkem Terror, aber lange keine Aufarbeitung möglicher falscher Polizeiarbeit. Olaf Scholz stritt "Polizeigewalt" sogar rundweg ab, obwohl es diverse Berichte von Journalisten und Expertenkritik über eine Eskalationsstrategie gab. Das Fahndungsplakat mit Einsatzverantwortlichen könnte deshalb auch wie Böhmermanns "RAFDP" als satirische Überzeichnung gedacht gewesen sein. Angesichts des zum Teil gewaltbereiten Milieus, in dem es kursierte, zog das Argument aber weniger.

Die G20-Fahndung der Polizei: Am 18. Dezember 2017 stellte die Hamburger Polizei Bilder von 104 Personen ins Netz, die bei den G20-Protesten erkennbar aufgenommen worden waren und wegen möglicher schwerer Gewalttaten gesucht wurden. Zunächst wurden sie als "gesuchte Straftäter" bezeichnet, ehe die Polizei das in "Verdächtige" änderte.

Die "Bild" zeigte alle Verdächtigen, und auf der Titelseite eine "Krawall-Barbie", die sich als 17-Jährige entpuppte. Völlig überraschend kann das nicht gewesen sein: "Die Fahndungsplakate der Polizei sehen eher aus wie das Jahrbuch eines Gymnasiums", stand im Kommentar.

Kritik an der Fahndung kam von Medienrechtsanwalt Ralf Höcker. Er äußerte Zweifel an der Abwägung: Minderjährige seien besonders geschützt. In solchen Fällen müsse schon "eine schwere Straftat vorliegen und es sollte auch ziemlich klar sein, dass die Betroffene schuldig ist".

Damit sprang der Anwalt, der nach Böhmermanns Schmähgedicht den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan vertreten hatte, Böhmermann diesmal bei. Böhmermann hatte sich über das Ausmaß der Fahndung geärgert. Sein Twitter-Schlagabtausch mit der Polizei ist heute gelöscht. Über ihn brach ein Shitstorm herein, weil er das Vorgehen unseriös und nicht verhältnismäßig nannte. Die Polizei verwies auf richterliche Beschlüsse.

Die G20-Fahndung der "Bild": Einige Wochen vorher hatte die "Bild" ganz ohne richterliche Beschlüsse eine eigene Öffentlichkeitsfahndung begonnen. Sie zeigte Fotos von 18 Personen beim Geschehen und fragte: "Wer kennt diese G20-Verbrecher?"

Vom Presserat kam dafür eine Missbilligung, eine Sanktion zwischen Hinweis und Rüge. Folgen einer selbst inszenierten Verbrecherjagd seien nicht "mehr zu kontrollieren und können auch Selbstjustiz Vorschub leisten."

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied allerdings später zugunsten der "Bild". Eine Frau, die auf einem der Fotos zu sehen war, als sie vor einem geplünderten Geschäft Waren aufhob, hatte geklagt. Ein Verfahren gegen die Diebin von Wasser und Süßigkeiten war wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Der BGH hob frühere Entscheidungen zugunsten der Frau auf: Es habe sich um ein Foto aus dem "Bereich der Zeitgeschichte" gehandelt. Eine Stigmatisierung sei auch mit dem Bild nicht verbunden gewesen, weil das Bild keine Porträt-Qualität hatte.

Die CDU-Fahndung: Die größten Fahndungsplakate hatte wohl die CDU – aber auch die, die am schnellsten verschwanden. Montags wurde Gerhard Schröder im Bundestagswahlkampf 2001 im Stil eines Kriminellen gezeigt, mittwochs wurde das Motiv zurückgezogen. Es hatte sofort eine Welle der Empörung, auch aus den eigenen Reihen, gegeben. Der damalige Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz empfahl der Parteivorsitzenden Angela Merkel, das Motiv nicht mehr zu verwenden.

Schröder nannte das Plakat einen "Ausdruck verwirrten politischen Denkens". Eine Entschuldigung bekam der SPD-Kanzler von Merkel nicht, sie sagte nur, man habe "niemanden kriminalisieren wollen". Bei den anschließenden Landtagswahlen war die SPD der Gewinner.

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