t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikBundestagswahl 2025

SSW im Bundestag: Ein Sitz trotz Fünfprozenthürde – warum das möglich ist


SSW im Bundestag
Diese Partei kann auf einen einzigen Sitz hoffen

Von t-online
Aktualisiert am 23.02.2025 - 23:13 UhrLesedauer: 3 Min.
Stefan Seidler ist gut gelaunt: Der SSW sitzt im Bundestag.Vergrößern des Bildes
Stefan Seidler im Jahr 2021: Der SSW sitzt seitdem im Bundestag. Doch wieso? (Quelle: Axel Heimken/dpa)
News folgen

Normalerweise muss eine Partei die Fünfprozenthürde schaffen, um in den Bundestag einzuziehen. Für das SSW gilt das nicht. Wieso?

Die Union ist bei der Bundestagswahl den Hochrechnungen zufolge mit deutlichem Abstand stärkste Kraft geworden – die SPD fällt hingegen auf ihr Rekordtief. Während CDU-Chef Friedrich Merz nach den Hochrechnungen zu den Ergebnissen der Wahl am Sonntagabend einen Regierungsauftrag für die Union anmeldete, räumte Kanzler Olaf Scholz eine Wahlniederlage für seine SPD ein. Der Linkspartei gelingt mit starken Zugewinnen der Wiedereinzug in den Bundestag – sie lag bei 8,5 bis 8,7 Prozent. FDP und das BSW zittern noch. Deshalb ist im Koalitionsrechner bisher nicht klar, welche mögliche Regierung nach der Bundestagswahl zustande kommen könnte.

Eine Partei zieht derweil mit nur einem Sitz in den Bundestag ein: Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) ist eine Besonderheit in der bundesdeutschen Politik. Doch wieso ist das so? Und wofür steht der SSW?

Was ist der SSW?

Die 1948 gegründete Partei der dänischen und friesischen Minderheiten ist seit Jahrzehnten im schleswig-holsteinischen Landtag vertreten – und seit 2021 erstmals seit Langem auch wieder mit einem Abgeordneten im Bundestag. Aktuell stehen die Chancen dazu sehr gut, dass sie erneut einzieht. Die Partei schätzt, dass etwa 40.000 Stimmen für Seidler reichen. 2021 war die Partei auf 55.578 Zweitstimmen gekommen.

Aus der Bundestagswahl im September 2021 war in Schleswig-Holstein noch die SPD mit 28,0 Prozent als stärkste Kraft vor der CDU mit 22,0 Prozent hervorgegangen. Es folgten die Grünen (18,3 Prozent), die FDP (12,5), die AfD (6,8), die Linke (3,6) und der SSW (3,2).

Wie schafft es der SSW ins Parlament?

Parteien nationaler Minderheiten sind aufgrund einer Sonderregelung im Bundeswahlgesetz von der Sperrklausel ausgenommen, um ihre Chancen auf bundespolitische Repräsentation zu erhöhen. Die auf sie entfallenden Zweitstimmen werden bei der Mandatsberechnung auch dann berücksichtigt, wenn deren Gesamtzahl für ein Überspringen der Fünfprozenthürde nicht reicht. Auch ein Bundestagseinzug über ein Direktmandat wäre möglich.

Von der Zweitstimmenregelung, die in vergleichbarer Weise auch bei schleswig-holsteinischen Landtagswahlen gilt, profitiert der SSW. Die insbesondere in den nördlichen Teilen des Bundeslands verwurzelte Partei erhielt vor vier Jahren genügend Zweitstimmen, um ihren Spitzenkandidaten Stefan Seidler als fraktionslosen Einzelabgeordneten in den Bundestag zu schicken. Der 45-Jährige geht auch dieses Mal als Spitzenkandidat ins Rennen.

Wofür steht der SSW?

Der SSW versteht sich traditionell als soziale und liberale Partei, die sich an politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Skandinavien orientiert. Zu seinen Kernforderungen für die Bundestagswahl gehört eine Reform der Schuldenbremse, um größere Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Zudem tritt die Partei unter anderem für eine vom Elterneinkommen unabhängige Bafög-Ausbildungsförderung nach dänischem Vorbild und einen gesetzlichen Mindestlohn von 15 Euro ein.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden traditionell der Minderheitenschutz und der Kampf gegen Rassismus sowie Extremismus. Dazu kommen eher spezifisch regionale Interessen – etwa die Forderung nach mehr Bundesmitteln für die Sanierung der Bahninfrastruktur in Norddeutschland oder für den Küstenschutz. Politisch besteht eine gewisse Nähe zu SPD und Grünen, mit denen der SSW in Schleswig-Holstein zwischen 2012 und 2017 eine Landesregierung bildete.

Wieso gibt es den SSW überhaupt?

Weite Teile Schleswig-Holsteins gehörten jahrhundertelang zum dänischen Königreich, um die Frage der nationalen Zugehörigkeit wurden Kriege und Bürgerkriege geführt. Der heutige Verlauf der deutsch-dänischen Grenze ist das Ergebnis einer Volksabstimmung von 1920, die nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg im Versailler Vertrag vereinbart wurde. Sie ist also gerade einmal etwa hundert Jahre alt. Auf beiden Seiten der Grenze blieben danach Minderheiten zurück, die dort weiterhin lebten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete sich 1948 der SSW als Vertretung der dänischen und friesischen Minderheiten in Deutschland. Anfangs war der SSW sehr erfolgreich. Bei der ersten Bundestagswahl 1949 errang er ein Mandat. In den folgenden Jahrzehnten durchlief er dann allerdings eine Schwächephase. Erst seit der Jahrtausendwende kam es zur Trendumkehr, die mit der Rückkehr in den Bundestag 2021 ihren bisherigen Höhepunkt fand.

Gibt es noch weitere nationale Minderheiten?

Neben den Dänen und Friesen sind auch Angehörige der Sinti und Roma sowie die Sorben als nationale Minderheiten anerkannt, sofern sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Diese entschieden sich bislang aber nicht zur Gründung politischer Parteien.

Wie groß die Minderheiten sind, ist übrigens nicht genau bekannt. Bevölkerungsstatistiken zur ethnischen Zugehörigkeit werden nach den Erfahrungen mit der Völkermordpolitik der Nationalsozialisten in Deutschland von den Behörden bewusst nicht erhoben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



Telekom