Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Entscheidung von ARD und ZDF Das ist grottenfalsch
ARD und ZDF wollen die vier Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl nicht gemeinsam in eine gemeinsame TV-Debatte schicken, sondern in zwei getrennte Duelle. Die Entscheidung der öffentlich-rechtlichen Sender polarisiert.
Im Fernsehstudio brennt noch nicht mal Licht, da wird über die traditionelle TV-Redeschlacht der Kanzlerkandidaten vor der Bundestagswahl am 23. Februar bereits hitzig gestritten. Es geht noch um keine Inhalte. Es geht darum, in welcher Konstellation sich Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD) und seine Herausforderer Friedrich Merz (Union), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Alice Weidel (AfD) begegnen sollen.
ARD und ZDF haben die Entscheidung getroffen, die vier Bewerber nicht gemeinsam in eine große Debatte schicken zu wollen. Ihr Konzept sieht vor, den Noch-Kanzler Scholz und CDU/CSU-Kanzlerkandidat Merz in einem klassischen TV-Duell aufeinanderprallen zu lassen ("duellum" kommt aus dem Lateinischen und meint: Zweikampf). Eine weitere TV-Diskussion soll zwischen Habeck und Weidel stattfinden (mit Moderatoren, natürlich). Das wirft eine Frage auf:
Vier Kanzlerkandidaten in zwei mundgerechten Debatten-Häppchen: Ist das richtig?
Zum Scheitern verurteilt
ARD und ZDF haben recht, die vier Kanzlerkandidaten in zwei getrennte Duelle aufzuteilen. Und bevor sich jemand empört: Es hat nichts mit Alice Weidel zu tun und einer mutmaßlichen "Pfui, igitt"-Einstellung der beiden Sender gegenüber der AfD-Frontfrau.
Es geht bei dieser Entscheidung nicht um Ideologie, sondern um gutes Fernsehen. Vier Kandidaten müssten im Zaum gehalten werden, die um jeden Nebensatz verbissen kämpfen. Auf sechs, sieben, vielleicht acht thematischen Schlachtfeldern würden sie sich ineinander verbeißen, mit jeweils unterschiedlichen Konfliktlinien: Scholz gegen Merz, der sicher gegen Habeck, vielleicht auch Habeck gegen den Noch-Kanzler und auf jeden Fall Weidel gegen alle. Hin und her, vor und zurück, von links nach rechts, jeder gegen jeden – drunter und drüber würde es zugehen. Das kann nur schiefgehen. Kein Moderator dieser Welt kann dieses Hickhack führen. Keine Stoppuhr könnte die Redezeiten messen, keine Regie dieses Tohuwabohu inszenieren. So eine Sendung wäre unweigerlich zum Scheitern verurteilt.
So wünschenswert es wäre, dass alle vier Kandidaten in einer großen TV-Arena gleichberechtigt die Klingen kreuzen: Hier stößt das Fernsehen an seine Grenzen. Es müssen also Kompromisse her. Zwei einzelne Duelle – eines mit den Kandidaten der beiden großen Volksparteien und eines der zwei anderen – sind keine perfekte Lösung, aber ein gangbarer Weg. Denn am Ende geht es bei TV-Duellen nicht um die Kandidaten, sondern nur um einen: den Zuschauer. Die Wählerin. Er muss nach dem Abspann besser Bescheid wissen, wo er am 23. Februar sein Kreuzchen machen soll. Ein chaotisches Hauen und Stechen nutzt keinem.
Es gibt keine Kanzlerkandidaten erster und zweiter Klasse
Die Entscheidung ist bestimmt in langen Gremiensitzungen graugesichtiger Funktionäre wohldurchdacht worden. Und trotzdem oder eben drum grottenfalsch. Dieses Mal treten zur vorgezogenen Bundestagswahl vier veritable Kanzlerkandidaten respektive -innen an.
Sie sind mit keinem Argument der Welt in zwei gleich große Gruppen von Kanzlerkandidaten erster und zweiter Klasse aufzuspalten. Nur, weil das Konzept des Duells natürlich moderationsseitig das einfachere und auch reizvollere ist. Alice Weidel, die Kanzlerkandidatin der AfD, steht bei der Direktwahlfrage in den Umfragen sogar manchmal vor, mindestens aber gleichauf mit Unionskandidat Friedrich Merz. Ihre Partei liegt nach der Union solide und seit geraumer Zeit an zweiter Stelle in den Umfragen. Und Robert Habeck von den Grünen ist in etwa gleichauf bei der theoretischen Direktwahloption mit Olaf Scholz, auch hier liegen bei der Sonntagsfrage keine Welten zwischen SPD und Grünen. Wie will man bei dieser Lage wasserdicht begründen, dass die Öffentlich-Rechtlichen die beiden trotzdem an den Katzentisch bitten?
Die kompliziertere Aufgabe der Moderatoren kann nicht im Ernst der Grund sein, die Aufspaltung in zwei Duelle vorzunehmen. Ja, das ist eine Herausforderung, diese Quadriga zu reiten. Aber das haben Hartmann von der Tann und Nikolaus Brender in der legendären Elefantenrunde nach der Bundestagswahl 2005 auch brillant hinbekommen, als ein noch amtierender Bundeskanzler enthemmt und entfesselt durch die Sendung polterte. Und langweilig war es keinen Augenblick. Im Gegenteil. Die Sendung gehört zu Recht zu den Klassikern des politischen Fernsehjournalismus dieses Landes.
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- Eigene Überlegungen von Philipp Michaelis und Christoph Schwennicke