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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Lindner will Regierung offenbar verlassen Das passiert, wenn die FDP die Ampel beendet
Die FDP will offenbar raus aus der Ampelkoalition. Offen ist nur noch die Frage nach dem "Wie". Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. t-online stellt sie vor.
Die Rufe nach einem Ende der Ampelkoalition bestehen bereits seit dem vergangenen Jahr. Immer wieder fordert die Opposition das Aus der streitenden Koalition, sie wollte Neuwahlen. Doch die Regierungsparteien blockten zunächst ab. Seit wenigen Monaten kommen aber insbesondere aus der FDP immer wieder ebenfalls solche Forderungen; die Angriffe auf SPD und Grüne werden schärfer.
Nun soll eine Entscheidung gefallen sein. FDP-Chef Christian Lindner will die Ampel verlassen. Aus Koalitionskreisen heißt es, es sei offenbar nicht mehr die Frage, ob die FDP ausscheidet, sondern nur noch wie. Zum einen sind die Liberalen wohl noch auf der Suche nach einem finalen Auslöser, zum anderen ist ungeklärt, wie der Koalitionsbruch technisch ablaufen soll und wie es dann weitergeht.
Der Verfassungsrechtler Walther Michl, Professor an der Universität der Bundeswehr München, sagt: "Den Bundestag aufzulösen, ist aus historischen Gründen nur in spärlichen Konstellationen möglich." Dennoch gibt es mehrere Szenarien. t-online stellt sie vor und erläutert, wie wahrscheinlich sie sind.
Die Vertrauensfrage: Der Weg zu schnellen Neuwahlen
Die wahrscheinlichste Option für ein Ende der aktuellen Regierung wäre die Vertrauensfrage durch Bundeskanzler Olaf Scholz. Steigt die FDP aus der Ampelkoalition aus, hat die Regierung schließlich keine Mehrheit mehr.
Dabei gibt es zwei Varianten. Scholz könnte nach internen Gesprächen mit der FDP dem offiziellen Austritt aus der Koalition zuvorkommen und die Vertrauensfrage stellen. Oder er reagiert auf den möglichen Rückzug der FDP unmittelbar mit der Vertrauensfrage.
Wenn ihm dann von der Mehrheit der Abgeordneten das Vertrauen entzogen wird, kann er den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier um die Auflösung des Parlaments und um Neuwahlen bitten. Dieser hätte im Anschluss die Pflicht, sich nach alternativen Bundeskanzlern umzusehen, die die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich haben. "Das ist eine Ermessensentscheidung des Bundespräsidenten und eine der wenigen politischen Rollen, die er hat", erklärt Michl. Da dies allerdings aktuell nicht realistisch sei, wären Neuwahlen sehr wahrscheinlich.
Zweimal ist es in der Historie der Bundesrepublik zu Neuwahlen gekommen: unter den Kanzlern Willy Brandt 1972 und Gerhard Schröder 2005. Sie haben die Vertrauensfrage gestellt und sind absichtlich gescheitert, um Neuwahlen zu ermöglichen.
Ein solches Szenario ist am wahrscheinlichsten, wenn die FDP die Koalition verlässt. Schließlich sind die Optionen für alternative Mehrheiten begrenzt (die Union müsste die Regierung unterstützen) und eine Regierung ohne die FDP-Mehrheit ist nur begrenzt handlungsfähig.
Minderheitsregierung: Am Haushalt könnte es scheitern
Doch ein FDP-Austritt aus der Koalition müsste nicht unbedingt auch das Ende von Olaf Scholz' Kanzlerschaft bedeuten. In einigen Staaten regiert auch eine Minderheitsregierung, ebenso bis zuletzt in Thüringen. Lässt die FDP also die Koalition platzen, könnten Grüne und SPD auch mit wechselnden Mehrheiten weiterregieren.
In der Praxis sieht Michl dafür aufgrund der Zusammensetzung des Bundestags aber keine Möglichkeit: "Besonders heikel wird es bei den Haushaltsgesetzen. Da könnte die AfD einen Streich spielen und aus taktischen Gründen zustimmen." Schließlich ist der Haushalt eines der großen Streitthemen innerhalb der Ampel und noch immer nicht final beschlossen.
Zur Person
Prof. Dr. Walther Michl ist Experte für Verfassungsrecht und arbeitet aktuell an der Universität der Bundeswehr in München. Dort hat er die Professur für Öffentliches Recht an der Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften inne.
"Wenn eine Regierung keinen Haushalt hat, ist die Vertrauensfrage politisch unvermeidbar", sagt Michl. Die Wahrscheinlichkeit einer Minderheitsregierung ist also äußerst gering.
Konstruktives Misstrauensvotum: Es bräuchte einen neuen Kanzler
Der Bundeskanzler könnte allerdings theoretisch auch direkt gestürzt und ersetzt werden. Mit dem konstruktiven Misstrauensvotum kann eine absolute Mehrheit im Bundestag den Kanzler entlassen – aber nur, wenn gleichzeitig ein neuer Kanzler vorgeschlagen und gewählt wird.
Einen solchen Kanzlerwechsel hat es in der Geschichte der Bundesrepublik bereits gegeben: Im Jahr 1982 hatten die Abgeordneten den SPD-Kanzler Helmut Schmidt gestürzt, um Platz für Helmut Kohl zu machen.
Allerdings reichen aktuell die Stimmen von FDP und Union nicht, um ein solches Manöver zu vollziehen und etwa Friedrich Merz zum neuen Regierungschef zu bestimmen. Da die Union zudem eine Zusammenarbeit mit der Linken und der AfD ausschließt, ist diese Option nahezu ausgeschlossen.
Koalitionswechsel: Die GroKo wäre die einzige Option
Theoretisch wäre auch ein Koalitionswechsel innerhalb einer Legislaturperiode möglich, ganz ohne verfassungsrechtliche Hürden, wie Jurist Michl erläutert: "Die Koalitionspartner zu wechseln, wäre politisch eine echte Hausnummer, juristisch aber unproblematisch." Schließlich darf der Bundeskanzler die Minister beliebig austauschen, theoretisch sogar ganz ohne Absprache mit dem Parlament.
In diesem Fall bliebe der SPD allerdings nur ein Wechsel zur Großen Koalition. Auch ein solches Szenario ist nahezu ausgeschlossen. Zum einen erscheint es unwahrscheinlich, dass sich die Union als Juniorpartner der SPD unterwirft. Zum anderen würde eine solche Koalition im Hinblick auf den anstehenden Wahlkampf nicht mehr Einigkeit versprechen.
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Walther Michl