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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Unions-Fraktionsvize Wadephul "Trump droht sogar uns"
![Donald Trump und Wladimir Putin: Der US-Präsident will mit seinem russischen Amtskollegen über Frieden in der Ukraine verhandeln. Donald Trump und Wladimir Putin: Der US-Präsident will mit seinem russischen Amtskollegen über Frieden in der Ukraine verhandeln.](https://images.t-online.de/2025/02/c0evVZ3Q-u9-/0x70:4000x2250/fit-in/1920x0/donald-trump-und-wladimir-putin-der-us-praesident-will-mit-seinem-russischen-amtskollegen-ueber-frieden-in-der-ukraine-verhandeln.jpg)
US-Präsident Donald Trump stellt mit seinen Drohungen und Ankündigungen auch Deutschland vor Probleme. CDU-Politiker Johann Wadephul kritisiert die Außenpolitik der Ampelregierung und kündigt Veränderungen nach der Bundestagswahl an.
Die Welt erlebt aktuell ein politisches Trommelfeuer. Fast täglich sorgt der amtierende US-Präsident Donald Trump für neue Schockmomente, auch bei den westlichen Verbündeten der USA: Grönland kaufen, neue Strafzölle, die Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen. Nun will Trump den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Saudi-Arabien treffen, um mit ihm über ein Ende des Krieges in der Ukraine zu verhandeln. Es wachsen Angst und Sorge, dass diese Gespräche über die Köpfe der Ukraine und deren europäische Verbündete hinweg stattfinden könnten.
- Sicherheitskonferenz in München: Putin sorgt für den Paukenschlag
Vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) spricht der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul über eine mögliche Strategie im Umgang mit Trump und skizziert die außenpolitischen Leitlinien seiner Partei, sollte CDU-Chef Friedrich Merz die Bundestagswahl gewinnen. In dem Zusammenhang übt Wadephul auch Kritik an der Außenpolitik der Bundesregierung und der Amtsführung von Außenministerin Annalena Baerbock.
t-online: Herr Wadephul, die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz findet wenige Wochen nach der Machtübernahme von Donald Trump in den USA statt. Wie haben Sie die erste Zeit des US-Präsidenten im Amt erlebt?
Johann Wadephul: Trump macht genau das, was er angekündigt hat. Seine ersten Wochen im Amt waren ein Paukenschlag. Uns musste aber klar sein, dass er mit seiner disruptiven Methodik Dinge politisch anstoßen wird. Genau das haben wir nun auch im Vorfeld der Sicherheitskonferenz in dieser Woche erlebt. Wie angekündigt hat er frühzeitig Initiative ergriffen, um dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein Ende zu setzen.
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Zur Person
Johann Wadephul (CDU) ist seit 2009 Mitglied des Bundestages und seit 2018 stellvertretender Vorsitzender der Unions-Fraktion. Seine Schwerpunkte sind Außen-, Verteidigungs- und Europapolitik.
Unklar bleibt, ob Putin ernsthaft Interesse an einer Friedenslösung hat. Wie kann der Westen den russischen Präsidenten an den Verhandlungstisch bekommen?
Indem wir die Ukraine langfristig stärken. Deshalb ist es ärgerlich, dass Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser kritischen Phase ein Hilfspaket im Umfang von drei Milliarden Euro für die Ukraine blockiert hat, auch aus parteitaktischen Gründen. Das war ein strategischer Fehler, denn wir müssen Putin das klare Signal senden, dass er sich nicht durchsetzen wird.
Militärisch sieht es für Russland aktuell nicht schlecht aus.
Putin ist nicht so erfolgreich, wie er uns glauben machen will. Bisher gelangen der russischen Armee keine großen Durchbrüche und in Kursk starteten die Ukrainer sogar eine Gegenoffensive. Die Lage ist sicherlich problematisch für die Ukraine und erfordert mehr westliches Engagement, aber auch Putin ist geschwächt.
Trump droht mit Blick auf die Ukraine nun allerdings mit einem Alleingang. Wie sollten Deutschland und Europa damit umgehen?
Wir alle wollen Frieden für die Ukraine, so wie die allermeisten Menschen dort vor Ort. Für die Ukraine und für die europäische Sicherheitsarchitektur ist dieser Frieden jedoch nur nachhaltig, wenn er von der Bevölkerung mitgetragen wird. Es ist richtig, dass Trump mit dem russischen Präsidenten spricht, die Ukrainer und die Europäer müssen dabei jedoch eng eingebunden werden.
Ist das realistisch?
Es kommt jetzt vor allem auch auf Europa an, der Trump-Administration konstruktive Vorschläge zu machen und eine gemeinsame Basis für Gespräche zu ermöglichen. Das muss noch vor potenziellen Gesprächen in Saudi-Arabien stattfinden. Die MSC kann dazu eine erste Gelegenheit bieten. Insgesamt werden die Bemühungen unter einer unionsgeführten Bundesregierung natürlich sehr viel weiter gehen.
Nun hat der US-Präsident erste Zölle für Stahl und Aluminium auf den Weg gebracht. Wie sollte die EU darauf reagieren?
Es ist wichtig, dass sich die EU-Kommission jetzt mit der Trump-Administration zusammensetzt und zu gemeinsamen Lösungen kommt. Es liegt im Interesse von beiden Seiten, dass wir eine Zollspirale vermeiden. Ich weiß, dass Ursula von der Leyen und ihre Kommission problembewusst und vorbereitet ist.
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Trumps Vorstöße sind keinesfalls konstruktiv und sie verstoßen gegen Völkerrecht. Seine Ideen: Er möchte nicht nur die Palästinenser zwangsumsiedeln, sondern auch den Panama-Kanal besetzen und Grönland kaufen.
Die US-Regierung hat dabei vor allem China im Fokus. Trump begründet sein Engagement mit Blick auf Grönland und Panama vor allem mit chinesischen Aktivitäten dort. Dem möchte er klar entgegentreten.
Doch wenn Trump nun die Welt mit Strafzöllen überzieht, treibt er viele Länder weltweit China und Russland in die Arme. Sie könnten sich von den USA und dem Westen abwenden.
Das ist die Gefahr. Trump schüchtert andere Staaten ein und schwächt sich damit auch selbst. Genau diesen Punkt müssen wir in Gesprächen mit der US-Administration und unseren transatlantischen Kolleginnen und Kollegen hervorheben. Verbündete könnten sich entfremden und Bündnisse schließen, in denen sie sich geschätzt und wahrgenommen fühlen. Das westliche Bündnis ist auch eine Wertegemeinschaft, und das sollte Trump nicht gefährden.
Aber genau das tut er doch.
Trump könnte in der Tat den inneren Zusammenhalt des Westens beschädigen und Institutionen wie die G7 oder die Nato infrage stellen. In der Vergangenheit waren die USA meistens die Führungsmacht dieser Wertegemeinschaft, aber das erleben wir unter dem neuen US-Präsidenten nicht.
Sondern?
Trump droht sogar uns und der Europäischen Union. Sein neuer Verteidigungsminister Hegseth bewegt sich derweil in Brüssel außerhalb der Nato-Gepflogenheiten. Dabei lebt die Nato vom konsensuellen Weg und hat sich geschlossen zum unumkehrbaren Weg der Ukraine in Richtung Nato bekannt. Gemeinsame Beschlüsse müssen gemeinsam besprochen werden, dies gilt auch für eine gemeinsame Festlegung auf zukünftige Finanzierungsziele. Die USA sollten nicht unterschätzen, was es bedeuten könnte, Verbündete vor den Kopf zu stoßen oder gar zu verlieren. Das gilt auch mit Blick auf China.
Ist Trump ein Geschäftsmann, der lediglich nach Profit sucht, ungeachtet der Partner?
Das ist mir zu hart. Ich glaube schon, dass der US-Präsident im Kern weiß, dass er im westlichen Lager ist. Er ist für Marktwirtschaft, steht für Liberalismus und dazu gehören auch freie Meinungsäußerung und Demokratie. Darüber hinaus gilt: Auch Trump ist kein Alleinherrscher, auch er braucht Mehrheiten in Kongress und Repräsentantenhaus. Die USA sind eine gefestigte Demokratie und ein stabiler Rechtsstaat mit einer Verfassung. Da sollten wir als Deutsche mit unserer Kritik vorsichtig sein.
Auf der Münchener Sicherheitskonferenz sind zahlreiche Gespräche zwischen der US-Administration und ihren europäischen Alliierten geplant. Wenn ich Sie richtig verstehe, werben Sie für Pragmatismus?
Natürlich. Ich bin definitiv für eine pragmatische Herangehensweise. Die Ampel-geführte Bundesregierung hat mit Blick auf das Verhältnis zu Trump wenig pragmatisch gehandelt und uns schließlich mit dem Koalitionsbruch außenpolitisch in die Manövrierunfähigkeit geführt. Diese muss schnellstens beendet werden, denn die USA sind unser wichtigster Verbündeter. Das sollten wir deutlich machen und gleichzeitig die US-Regierung daran erinnern, dass wir nicht Zielscheibe der USA sein sollten. Es wird aber wahrscheinlich nicht ohne Zugeständnisse gegenüber Trump gehen.
Welche zum Beispiel?
Deutschland sollte vorangehen und Bereitschaft zeigen, die Verteidigungsausgaben in Richtung drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu bewegen. Das muss auf der Agenda der kommenden Bundesregierung stehen.
Trump fordert aber fünf Prozent.
Der Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat sich für drei bis dreieinhalb Prozent ausgesprochen, und das ist gemessen an den Fähigkeitsanforderungen der richtige Ansatz. Aber Deutschland sollte hier eine Führungsrolle einnehmen.
Mit dem Sondervermögen kommt Deutschland auf zwei Prozent. Im Bundeshaushalt fehlt schon jetzt Geld. Wie wollen Sie diese Verteidigungsausgaben finanzieren?
Deutschland muss es nicht morgen finanzieren, aber längerfristig umsteuern. Wir brauchen mehr Wirtschaftswachstum und müssen die Sozialabgaben reduzieren. Jedes Prozent Wirtschaftswachstum bringt uns 20 Milliarden Euro mehr in den Haushalt hinein. Nach der Bundestagswahl wird ein Kassensturz gemacht und die Schuldenbremse verbietet neue Schulden nicht völlig.
Eine höhere Verteidigungsfähigkeit scheint insbesondere deshalb wichtig, weil Russland auch einen hybriden Krieg gegen die Bundesrepublik führt. Wie sehen Sie die deutsche Gesellschaft auf diesen Konflikt eingestellt?
Es gilt der berühmte Satz: Deutschland ist bedingt abwehrbereit. Viele Menschen wollen nicht wahrhaben, dass Putin längst begonnen hat, uns anzugreifen. Dabei testet uns Russland in unterschiedlichen Bereichen, und darauf müssen wir uns besser einstellen. Die nächste Bundesregierung muss die Bevölkerung darauf einstellen und sie gleichzeitig nicht verängstigen. Deutschland ist dann sicher, wenn es stark ist. Und wir müssen mehr in unsere Sicherheit investieren.
Auch Sie wurden kürzlich Opfer eines Fakeanrufes durch ein Kreml-nahes Komikerduo. Sind Sie dadurch vorsichtiger geworden?
Selbstverständlich. Es ist davon auszugehen, dass das mit Unterstützung staatlicher russischer Stellen geschehen ist. Auch ich muss mir bewusster machen, dass ich als Person Ziel russischer Angriffe und Spionage bin. Für mich gilt das genauso wie für den Rest des Landes.
Sie haben schon mehrfach über die kommende Bundesregierung gesprochen. Was wären konkret die ersten außenpolitischen Schritte, die Friedrich Merz gehen würde, sollte er Bundeskanzler werden?
Zunächst werden wir die Verteidigungsausgaben auf über zwei Prozent erhöhen und in Richtung drei Prozent gehen. Wir werden über eine Wehrpflicht reden müssen, auch das muss Bestandteil jeder Koalitionsvereinbarung sein. Außerdem sehe ich eine wichtige Aufgabe darin, die Europäische Union und die Nato beisammenzuhalten. Und Friedrich Merz wird dafür sorgen, dass wir als Bundesregierung endlich eine einheitliche, kohärente Außenpolitik durchsetzen.
Mit welchen Maßnahmen?
Die letzte Bundesregierung hat hier einige Lücken gelassen. Friedrich Merz wird in den ersten Tagen den engen Schulterschluss mit Paris und Warschau suchen. Das ist zentral, um ein neues Kapitel der europäischen Zusammenarbeit aufzuschlagen.
Migrationspolitisch wollte die Union aber zuletzt im Bundestag einen nationalen Alleingang durchsetzen. Wütende Reaktionen kamen nicht nur aus Österreich, sondern auch aus Polen. Wie passt das mit Ihrer Strategie zusammen?
Klar ist: Wir brauchen eine funktionierende europäische Politik, aber wir müssen zum jetzigen Zeitpunkt feststellen, dass dieses System dysfunktional ist.
Das sagt auch die AfD.
Nein, denn wir wollen es wiederherstellen. Deutschland braucht ein klares Signal in der Migrationspolitik. Viele Maßnahmen, die auf europäischer Ebene ergriffen worden sind, gingen zwar in die richtige Richtung. Aber der Zustrom illegaler Migration in die Bundesrepublik konnte nicht entscheidend gestoppt werden. Das muss aber geschehen.
Mit nationalen Lösungen?
Natürlich sollten wir auch weiterhin Lösungen in europäischer Solidarität suchen und wir dürfen nicht die Länder am Mittelmeer mit dem Problem im Stich lassen. Dafür müssen wir vor allem den EU-Außengrenzschutz verstärken, aber Frontex ist in den Kinderschuhen stecken geblieben. Deshalb steht fest: Erst mit effektiven Lösungen in der Asyl- und Migrationsfrage können wir wieder vollständige Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union gewährleisten.
Die EU hat sich 2024 nach zähem Ringen auf einen europäischen Asylpakt geeinigt, von dem Deutschland profitieren wird. Wenn Deutschland nun einen Alleingang startet, werden das auch andere Länder infrage stellen. Warum gehen Sie dieses Risiko ein?
Weil dieses neue Asylrecht erst ab Mitte 2026 greifen würde. Das ist zu spät. Deutschland ist zum Kulminationspunkt aller Migrationsbewegungen geworden, die Europa erreichen. Wir werden sicherlich alle europäischen Lösungen konsequent umsetzen, aber aktuell sind wir in einer gesellschaftspolitischen Notlage. Einerseits die Anschläge, andererseits steht eine rechtspopulistische Partei bei 20 Prozent in den Umfragen. Deshalb müssen unsere europäischen Nachbarn verstehen, dass sich diese Entwicklung nicht fortsetzen darf.
Wie bewerten Sie denn darüber hinaus die Außenpolitik der Ampel-Regierung?
Positiv ist, dass sie eine proeuropäische Nato-Politik betrieben und die Ukraine nach dem russischen Angriff unterstützt hat. Doch vieles war zögerlich, unentschlossen und ich erkenne keine klare Linie. Die Beziehungen zu unseren Nachbarn in Europa sind belastet und es gibt keine erkennbare strategische Koordination zwischen Entwicklungshilfe, Diplomatie und dem Einsatz von Streitkräften. Hinzu kommt, dass die deutsche Außenpolitik im Ausland als belehrend wahrgenommen wird.
Damit meinen Sie Außenministerin Baerbock?
Definitiv. Viele Länder haben politische Systeme, die wir nicht gutheißen. Außenministerin Baerbock hat deutsche Interessen vernachlässigt, denn wir müssen darauf achten, kooperationsfähig zu bleiben.
Baerbock arbeitete aber eng mit Deutschlands westlichen Partnern zusammen.
Sie setzte aber die falschen Schwerpunkte, auch auf ihren Reisen. Als Außenministerin muss man nicht Showeinlagen geben und sein Gesellschaftsbild überall vor sich hertragen. Sondern es geht darum, deutsche Interessen im Ausland zu vertreten. Das hätte sie besser machen können.
Könnten Sie sich vorstellen, selbst Außenminister zu werden?
Ich kann mir nur vorstellen, dass ich jetzt Wahlkampf mache, damit die Union gewinnt.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wadephul.
- Gespräch mit Johann Wadephul