USA erlauben Fernangriffe Union macht bei Taurus Druck – Scholz bleibt hart
Die Ukraine darf Russland jetzt auch mit weiterreichenden US-Raketen angreifen. Die Entscheidung facht die Taurus-Debatte in Deutschland wieder an.
Der scheidende US-Präsident Joe Biden hat der Ukraine erstmals erlaubt, taktische Raketen des Typs ATACMS mit einer Reichweite von mehreren Hundert Kilometern gegen Ziele in Russland einzusetzen. Dies soll vor allem bei der Abwehr der Gegenoffensive russischer und möglicherweise nordkoreanischer Truppen gegen den ukrainischen Brückenkopf im Gebiet Kursk helfen. Lesen Sie hier mehr dazu.
Die Union hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, der Ukraine nach dem Vorbild der USA den Einsatz weitreichender Raketen gegen bestimmte Ziele in Russland zu erlauben. "Es wäre logisch, wenn Deutschland sich wie die USA verhielte", sagte der Verteidigungsexperte Johann Wadephul (CDU) der "Rheinischen Post". Die Entscheidung Bidens sei "eine verständliche Reaktion auf die Eskalation durch Russland, welches jetzt auch nordkoreanische Spezialtruppen einsetzt" ergänzte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Union macht bei Taurus Druck auf Scholz
Auch CSU-Chef Markus Söder plädierte in der Taurus-Debatte für eine enge Strategieabstimmung mit den USA und Deutschlands europäischen Verbündeten. Wichtig sei, "an der Stelle jetzt keine Detailentscheidungen zu treffen, sondern die grundlegende Strategie zu bereden", sagte Söder am Montag auf die Frage nach Taurus-Lieferungen. Dies geschehe "am besten mit denen, die es am Ende entscheiden, nämlich mit den Amerikanern auf der einen Seite und mit den europäischen Verbündeten". Namentlich erwähnte Söder auch eine Einbeziehung Polens.
"Wir waren immer offen bei Taurus", sagte Söder. "Ich glaube, wir kommen langsam in die Phase, wo die Idee einer Waffenstillstandsstrategie, von Frieden rede ich nicht, überlegt werden muss", sagte der CSU-Chef. "Das wird aber letztlich nicht entschieden, bevor die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Positionierung unternehmen." Am besten sei aus seiner Sicht eine Klärung entsprechender Fragen auch mit der designierten Regierung des neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump.
Baerbock begrüßt US-Entscheidung
Scholz hält bislang jedoch an seinem Nein zur Taurus-Lieferung an die Ukraine fest. "Ja, die Bundesregierung war darüber informiert und nein, es hat keine Auswirkungen auf die Entscheidung des Bundeskanzlers, Taurus nicht zu liefern", sagte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Montag. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums sagte, bei von Deutschland gelieferten Waffen "handelt sich dann um ukrainische Waffen, die die natürlich auch im Rahmen des Völkerrechts entsprechend einsetzen darf". Sie sagte: "Und alle von uns gelieferten Waffen fallen nicht in die Kategorie der weitreichenden Waffen."
Außenministerin Annalena Baerbock begrüßte die US-Entscheidung. Es gehe jetzt darum, "dass die Ukraine nicht warten muss, bis die Rakete über die Grenze fliegt", sondern russische Abschussbasen gezielt zerstören kann, sagte die Grünenpolitikerin im rbb24 Inforadio. Dies sei vom Selbstverteidigungsrecht gedeckt. Es sei schon lange bekannt, dass die Grünen "das genauso sehen wie unsere osteuropäischen Partner, wie die Briten, wie die Franzosen und auch wie die Amerikaner".
FDP-Politiker fordert Einsatz deutscher Waffen in Russland
Manche Orte in der Ukraine seien so dicht an der Grenze zu Russland, dass die Luftverteidigung nicht helfe, weil die Rakete viel zu schnell einschlage, sagte Baerbock. "Wenn auf unser Land Raketen, Drohnen, Bomben fallen würden, wenn Kinderkrankenhäuser angegriffen werden würden, wenn die Stromversorgung angegriffen wird, wenn einfach unser ganz normales Leben angegriffen worden wäre, dann würden wir uns auch verteidigen."
Vonseiten der ehemaligen Ampel-Partei FDP gab es ebenfalls Zustimmung für Bidens Entscheidung – und sogar eine weitreichende Forderung. Marcus Faber, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag, drängte auf Nachfrage von t-online darauf, der Ukraine den Einsatz deutscher Mars-II-Raketenartillerie auch gegen Ziele auf russischem Gebiet zu erlauben. "Nach Bidens überfälliger Entscheidung, ATACMS für das gesamte Kriegsgebiet freizugeben, muss das auch für die von Deutschland gelieferten Waffen gelten", erklärte Faber.
Außerdem fordert er eine Debatte im Bundestag über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Man solle darüber sprechen und "über einen Antrag für die Lieferung" entscheiden. Die bisherige Zurückhaltung von Kanzler Olaf Scholz bei diesem Thema kritisierte er scharf: "Argumente für eine Verweigerung gibt es keine mehr."
- Eigene Recherchen
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters