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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Scholz-Reise Was macht der Kanzler in Indien?
Am Jahrestag des Ukraine-Kriegs reist Olaf Scholz nach Indien. Das ist kein Zufall, denn der Kanzler verfolgt ein bestimmtes Ziel mit dem Land.
Der Kanzler erlebt an diesem Wochenende ein kleines Déjà-vu. Denn Olaf Scholz war bereits in Indien, 2012 war das, als Hamburger Bürgermeister. Damals führte Scholz vor allem Wirtschaftsgespräche mit verschiedenen Unternehmen.
Jetzt, an diesem Wochenende, fliegt Olaf Scholz erneut nach Neu-Delhi. Er bricht am 24. Februar auf, dem Jahrestag des Ukraine-Krieges. Aber dieses Mal geht es nicht nur um Wirtschaftsgespräche. Dieses Mal geht es für Scholz um die langen Linien der Weltpolitik. Um das große Ganze.
Denn Olaf Scholz hat eine Mission. Und ob sie gelingen wird, ist noch offen. Scholz wirbt in Indien um einen wichtigen Partner. Das Land positioniert sich nicht klar im Ukraine-Krieg, doch könnte es noch eine große Rolle im Umgang mit China spielen. Wie viel der Kanzler erreicht, wird vor allem der Samstag zeigen.
1,4 Milliarden – und sie sind unentschlossen
Scholz bemühte sich bereits vor einigen Tagen, schon mal gute Stimmung zu machen. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz zitierte der Kanzler den indischen Außenminister Subrahmanyam Jaishankar. Sinngemäß sagte der: Europa kann nicht seine Probleme der Welt aufladen, wenn es nicht die Probleme der Welt auch für die eigenen halte. Da sei etwas dran, erklärte Scholz. Das wurde in Indien registriert – und kam gut an.
Es lohnt sich für Scholz, gute Beziehungen zu knüpfen: 1,4 Milliarden Menschen leben in Indien, etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung. Doch in der aktuellen Weltlage ist Indien unentschlossen.
Einerseits sucht das Land die Nähe der Europäer und auch der Deutschen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es um den Rivalen China geht, der geografisch vor der eigenen Haustür liegt. Indien ist froh, wenn es einen geeinten Umgang mit den Chinesen gibt. Weniger klar sind die Inder in ihrer Haltung zu Russland. Die Regierung will den russischen Krieg gegen die Ukraine nicht klar verurteilen.
Scholz weiß um die heikle Rolle von China
Einer der Gründe dürfte sein: Indien bezieht weiterhin russisches Gas in großen Mengen. Und bekommt von Russland dabei noch ordentlich Rabatt – weil der europäische Markt in großen Teilen weggebrochen ist. Billiges Gas gegen lauwarme Worte, wenn es um den Krieg geht. Zudem kauft Indien auch noch einen erheblichen Teil Militärgeräte in Russland ein. Wie Scholz damit umgehen will, wird sich im Laufe des Wochenendes zeigen.
Was den Indern lange ein Anliegen war, könnte nun auch für Scholz wichtig werden: der Umgang mit China. Der Ukraine-Krieg hat Russland als Partner für den Westen weitgehend unmöglich gemacht. Also braucht es neue Handelswege – China drängt sich da gerade auf. Doch Olaf Scholz weiß um die heikle Rolle des Landes. An der Aufregung um das Terminal mit chinesischer Beteiligung im Hamburger Hafen ließ sich das kürzlich besichtigen.
Scholz ist gut beraten, nicht allein auf China zu setzen. Auch deshalb kommt er jetzt zu seinem Antrittsbesuch nach Neu-Delhi. Neue Allianzen schmieden, die Abhängigkeit von China reduzieren, politisch näher zusammenrücken, das ist in etwa die Agenda.
Zudem könnte es um einige Fragen bei der Klimapolitik gehen. Zwar hat Indien selbst ein riesiges Förderprogramm aufgelegt, um die eigene Solarindustrie zu stärken. Der internationalen Partnerschaft zum Kohleausstieg will sich das Land aber weiterhin nicht anschließen.
Und auch klassische Wirtschaftsgespräche werden, ähnlich wie 2012, stattfinden. Offenbar sitzen unter anderem die Konzernchefs von SAP und Siemens im Regierungsflieger. Und einen Termin bei SAP hat der Kanzler am Sonntag in Indien bereits geplant.
- Eigene Recherche