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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Führung bedeutet, sehr stark zu sein" Kanzler Scholz reagiert gereizt im "New York Times"-Interview
Die "New York Times" befragte Olaf Scholz zum Krieg in der Ukraine – und zu Waffenlieferungen. Manche Fragen mochte der Kanzler gar nicht.
Bundeskanzler Olaf Scholz nahm an der UN-Vollversammlung in New York teil. Während seines Aufenthalts sprach Scholz mit der "New York Times". Im Interview mit der US-Zeitung ging es dabei vor allem um den Krieg in der Ukraine und Waffenlieferungen aus Deutschland.
Mehr als 700 Millionen Euro an militärischer Unterstützung hat Deutschland bislang in die Ukraine geschickt – darunter auch schwere Waffen wie den MARS-Mehrfachraketenwerfer oder die Panzerhaubitze 2000. Eine wichtige Forderung der Ukraine erfüllte Deutschland bisher allerdings nicht: Leopard-Kampfpanzer. Deren Lieferung wünscht sich Kiew schon seit Monaten.
Kanzler reagiert gereizt auf Frage nach Kampfpanzern
Bei seinem Besuch in der "New York Times"-Redaktion musste Olaf Scholz deshalb auch auf die Frage antworten, warum bisher noch kein Leopard-Panzer in die Ukraine geliefert worden sei. "Was fürchtet Berlin, was Kiew nicht fürchtet?", zitierte die Zeitung einen Tweet des ukrainischen Außenministers Kuleba.
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Scholz habe daraufhin gereizt reagiert. "Führung bedeutet nicht, das zu tun, was Menschen von einem fordern", sagte der Kanzler demnach. "Führung heißt, die richtigen Entscheidungen zu treffen und sehr stark zu sein. Und das tue und bin ich".
Scholz erklärte weiter, warum es in Sachen Kampfpanzer keine Vorstöße aus Deutschland gebe: "Wir arbeiten eng mit unseren Verbündeten zusammen und tun nichts alleine", so der Kanzler. "Es ist absolut weise, etwas nicht alleine zu machen." Als ihm die Frage gestellt wurde, warum Deutschland immer noch nicht zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär ausgebe, wurde es dem Kanzler zu viel. "Diese Frage zu stellen, ist nicht seriös, um ganz ehrlich zu sein", sagte er.
Scholz überrascht mit Emotionalität
Obwohl Deutschland noch keine Panzer an die Ukraine geliefert habe, stünde seine Regierung bedingungslos hinter dem angegriffenen Land, erklärte Scholz. "Wir unterstützen die Ukraine so, dass kein Krieg zwischen Russland und der Nato entsteht, weil das eine Katastrophe wäre."
Die "New York Times" schien angesichts der emotionalen Antworten des Kanzlers überrascht. "Für einen Kanzler, dessen roboterhaftes Auftreten ihm vor langer Zeit den Spitznamen 'Scholz-o-mat' einbrachte, gab es während des manchmal angespannten Interviews Momente, in denen Herr Scholz überraschend emotional auf Fragen reagierte, die ihn herausforderten."
Russland will Westen erpressen
Drohungen über die Eskalation des Krieges und den Einsatz von taktischen Nuklearwaffen seien allerdings seit Beginn des Krieges an der Tagesordnung, erklärt die Sicherheitsexpertin Claudia Major im Interview mit dem ZDF.
Damit versuche Russland, die westlichen Staaten in ihrem Handeln einzuschränken. "Russland will dem Westen sagen 'Haltet euch raus, interveniert nicht direkt im Krieg' – das haben die westlichen Staaten auch nicht gemacht."
Scholz dürfe sich von den russischen Erpressungsversuchen allerdings nicht einschränken lassen, schätzte die Sicherheitsexpertin der Zeitung gegenüber ein. "Wenn der Kanzler es mit dem Führungsanspruch ernst meint, muss er Initiative zeigen und entschiedener handeln. Viel tun und Führung sind zwei verschiedene Dinge."
- nytimes.com: "Germany’s Chancellor Has ‘a Lot’ for Ukraine. But No Battle Tanks." (englisch)
- zdf.de: "Putin hofft, 'dass Unterstützung bröckelt'"
- swp-berlin.org: "Dr. Claudia Major"