Ukrainischer Botschafter Melnyk kann sich Merkel als Vermittlerin vorstellen
Nicht jetzt, aber in der Zukunft: Der ukrainische Botschafter hofft, dass Ex-Kanzlerin Merkel in den Verhandlungen mit Russland einen Beitrag leisten kann.
Der scheidende ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hält eine Vermittlerrolle der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel im weiteren Verlauf des Ukraine-Krieges für sinnvoll. "Ich glaube, Frau Merkel könnte, wenn sie nur wollte, an einem bestimmten Punkt des Krieges – noch nicht jetzt – irgendwann eine bestimmte Rolle spielen", sagte er dem "Spiegel".
Sein Eindruck sei, dass Russlands Präsident Wladimir Putin Merkel noch immer respektiere. "Deshalb könnte Frau Merkel durchaus ihren Beitrag leisten in dem Augenblick, wo Putin nach einer Exitstrategie sucht", sagte Melnyk im Interview mit dem Nachrichtenmagazin. Er hoffe, dass Merkel das auch so sehe und fände es schade, wenn sie sich völlig aus dem Politischen zurückzöge.
"Schröder hatte bereits seine Chance"
Merkel hatte Mitte Juni in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) auf die Frage, ob sie als Vermittlerin für eine Lösung in dem Konflikt zur Verfügung stehen würde, gesagt: "Diese Frage stellt sich derzeit nicht." Die Ex-Kanzlerin hatte zugleich eingeräumt, dass ihr Einfluss auf Putin kurz vor Amtsende geschwunden sei. Bei einem Auftritt im Berliner Ensemble hatte sie wenige Tage zuvor zu dem Thema gesagt: "Ich habe nicht den Eindruck, dass das im Augenblick etwas nützt." Es gebe aus ihrer Sicht "wenig zu besprechen".
Eine Vermittlerrolle von Altkanzler Gerhard Schröder, der Putin nahesteht, lehnte Melnyk hingegen ab. "Schröder hatte bereits seine Chance, hat sie aber vertan." Mehr zu Schröders Reise Mitte März nach Moskau lesen Sie hier.
Melnyk fordert Ende der Blockade von Panzerlieferungen
Melnyk forderte im Interview mit dem "Spiegel" zudem weitere Waffenlieferungen. Die Regierung solle "ihre Blockadehaltung aufheben und uns sofort einsatzbereite Waffensysteme wie Kampfpanzer Leopard 1 und 2, Schützenpanzer Marder, Transportpanzer Fuchs und vieles mehr aus den Bundeswehrbeständen liefern."
Mit Blick auf die angekündigte Lieferung von drei weiteren Iris-T-Luftabwehrsystemen sagte er: "Diese Waffensysteme, die hochmodern sind und die noch nicht einmal die Bundeswehr hat, müssen zwar noch erst in Deutschland hergestellt werden und stehen uns im erst kommenden Jahr zur Verfügung, sind aber ein wichtiger Baustein, um unsere Städte und Zivilisten gegen russische Angriffe besser zu schützen." Er selbst habe am Zustandekommen dieser Lieferungen im Hintergrund gearbeitet.
Melnyk verlässt Deutschland Mitte Oktober
Melnyk ist seit 2015 ukrainischer Botschafter in Deutschland. Im Juli war bekannt geworden, dass er als Botschafter zu Mitte Oktober abberufen wird und ins Außenministerium in Kiew wechseln soll. In den vergangenen Monaten warb er immer wieder lautstark für Waffenlieferungen in die Ukraine und fiel mit teils provokanten Äußerungen auf – unter anderem bezeichnete er Kanzler Olaf Scholz in einem Interview als "beleidigte Leberwurst". Kurz vor seiner Abberufung geriet er mit Äußerungen zu dem ukrainischen Nationalistenführer Stephan Bandera (1909-1959) in die Kritik. Mehr dazu lesen Sie hier.
Angesprochen auf seine lautstarken Äußerungen sagte Melnyk dem "Spiegel" mit einem Lachen: "Vielleicht möchten sich die Deutschen – aber vor allem die Ampel – ein bisschen von mir ausruhen!" Dass sein Nachfolger anders agieren werde, glaubt er aber nicht: "Den Luxus, leise und unauffällig zu sein, wird er sich einfach nicht leisten können – weil der Widerstand in Teilen der deutschen Politik nach wie vor sehr groß ist, weil neue Herausforderungen auf uns zukommen werden."
- spiegel.de: "Frau Merkel könnte irgendwann eine Rolle spielen"
- Nachrichtenagentur dpa