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Annalena Baerbock als Agentin des Weltfriedens


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Annalena Baerbock gegen Atomwaffen
Die Aussichtslosministerin

  • Bastian Brauns
Bastian Brauns, New York

Aktualisiert am 02.08.2022Lesedauer: 4 Min.
"Ich bin hier, um die regelbasierte internationale Ordnung zu verteidigen": Annalena Baerbock vor den Vereinten NationenVergrößern des Bildes
"Ich bin hier, um die regelbasierte internationale Ordnung zu verteidigen": Annalena Baerbock vor den Vereinten Nationen. (Quelle: IMAGO/Janine Schmitz/photothek.de)
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Die nukleare Bedrohung in der Welt nimmt immer weiter zu. Annalena Baerbock versucht sich trotzdem als Agentin des Weltfriedens. Kann das funktionieren?

Das Ziel von Annalena Baerbock wirkt in New York so aussichtslos, dass sie es selber gleich zweimal erwähnt. "Ich bin nicht naiv", betont sie, als sie ihre Rede zur atomaren Abrüstung vor den Vereinten Nationen hält. Kurz darauf appelliert sie in einem Hotel, ein paar Blöcke vom UN-Hauptquartier entfernt, bei der Initiative für Nichtverbreitung und Abrüstung an ihre Zuhörer: "Wir dürfen nicht naiv sein." Es wirkt wie ein Mantra, mit dem sie sich und ihre deutsche Außenpolitik selbst beschwört.

Baerbock ist nach New York gereist, um ein Zeichen zu setzen. Ihre Anwesenheit soll Aufmerksamkeit schaffen. Während die Nuklearmacht Russland die Ukraine überfallen hat und die Nuklearmacht China den Inselstaat Taiwan bedroht, spricht sie als eine der wenigen hochrangigen Staatsvertreter bei der sogenannten Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag, die rund drei Wochen dauern soll. Kurz vor ihr spricht der US-Außenminister Antony Blinken. Auch Japans Premierminister Fumio Kishida hält zum Auftakt eine Rede.

Egal, wie aussichtslos dieses fünf Jahrzehnte alte Abrüstungsprojekt angesichts der spannungsreichen Weltlage auch erscheinen mag: Annalena Baerbock will am Fernziel einer atomwaffenfreien Welt festhalten. Deutschland sei deshalb auch dem im Jahr 2020 abgeschlossenen Atomwaffenverbotsvertrag nun als Beobachterstaat beigetreten. Das will Baerbock unbedingt herausstellen. Wirklich Beitreten geht aber nicht, weil auf deutschem Boden US-Atomwaffen lagern, die im Ernstfall von deutschen Piloten abgeworfen werden können.

Von dieser sogenannten nuklearen Teilhabe im Rahmen des Nato-Bündnisses abzurücken, davon haben sich die Grünen wie von so vielem in letzter Zeit verabschiedet. Die Realpolitik hat auch Annalena Baerbock eingeholt. Stattdessen möchte sie, dass Deutschland Brücken baut – zwischen den wenigen Nuklearmächten einerseits und den vielen atomwaffenfreien Staaten andererseits.

Baerbock will Banden bilden

"Was machen Sie dort? Was nützt es, in Zeiten wie diesen die Flagge für nukleare Abrüstung zu hissen?", sei sie vor ihrer Reise von vielen Leuten gefragt worden, sagt sie am Rednerpult der UN. "Ich bin hier, um die regelbasierte internationale Ordnung zu verteidigen", ist ihre Antwort bei ausgerechnet jener Institution, die in diesen Tagen so dysfunktional und machtlos erscheint wie lange nicht. Im UN-Sicherheitsrat blockieren die Nuklearmächte einander und diktieren den restlichen Staaten die Weltordnung. Und längst nicht mehr nur diese sogenannten "P5" sind im Besitz von Nuklearwaffen. Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea haben "die Bombe". Iran strebt sie weiterhin an.

Die deutsche Diplomatie ist sich über die aktuellen dramatischen Entwicklungen im Klaren. Ernährungskrisen und die andauernde Covid-Pandemie führen ohnehin schon zu Verarmung. Hinzu kam dann noch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine – ein Katalysatoreffekt für die brenzlige Weltlage. Von einem "realistischen Engagement" ist deshalb in deutschen Diplomatenkreisen die Rede. In Verzweiflung auszubrechen, sei keine politische Haltung, heißt es.

Baerbock will Banden bilden, und das global. Egal wie mächtig das Gebaren der Nuklearmächte auch sein mag: Sie weiß die Mehrheit der Staaten hinter ihrem Anliegen. Die Außenministerin will den sogenannten globalen Süden, die ärmeren Staaten der Welt, enger in ihre Agenda einbinden. Auch weil sie weiß, dass China wirtschaftlich dort viel besser und einflussreicher vernetzt ist als der aktuelle Hauptgegner Russland und oftmals auch besser als die westlichen Staaten selbst. Und ausgerechnet diese viel größere Herausforderung China rüstet atomar stärker auf als je zuvor.

Kein Plan bei Taiwan

Taiwan, so die Befürchtung des Westens seit vielen Monaten, könnte unter dieser chinesischen Bedrohung ein ähnliches Schicksal erleiden wie die Ukraine. Zuletzt warnte der amerikanische CIA-Chef William Burns: "Die chinesische Führung versucht, Lehren aus der russischen Invasion zu ziehen. Und das hat aber aus unserer Sicht wahrscheinlich weniger Einfluss auf die Frage, ob China in ein paar Jahren Soldaten einsetzt, um Taiwan zu kontrollieren, sondern darauf, wie und wann."

Wie wird der Westen darauf reagieren? Annalena Baerbock klammerte Taiwan als Thema in ihrer Rede vor der UN aus. Dazu äußerte sie sich nur in einem kurzen Pressestatement vor dem Hauptquartier am Hudson-Fluss. "Wir leben in einer Welt, die derzeit besonders hart ist", sagte Baerbock. Man stehe für das internationale Recht. Man akzeptiere nicht, wenn das internationale Recht gebrochen werde und ein größerer Nachbar völkerrechtswidrig seinen kleineren Nachbarn überfalle. "Das gilt natürlich auch für China."

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Was genau für China im Falle eines Angriffs auf Taiwan gelten oder was konkret als Konsequenz folgen soll? Das wollte und konnte Baerbock zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Verzweiflung ist keine politische Haltung. Haltung allein schützt aber auch nicht vor dem Eindruck einer gewissen Hilflosigkeit. Es deshalb einfach zu lassen, so desillusioniert gibt sich die deutsche Außenministerin nicht. Baerbock weiß, dass ihre Ansätze alle viel Zeit benötigen. Die ist rar in Zeiten, in denen die Atomuhr besonders laut tickt.

"Wir dürfen nicht naiv sein" und "Ich bin nicht naiv", sagte Baerbock in New York. Übersetzt heißt das wohl Pragmatismus oder eben Realpolitik. Ohne die Vereinigten Staaten, den Schutz des westlichen Militärbündnisses und auch ohne das eigene stärkere militärische Engagement geht in diesen Zeiten nichts.

Die Außenministerin will und muss darum einen Weg dazwischen finden: Einerseits die angesichts der Aggressoren offenbar alternativlose Aufrüstung mitzugehen, um nicht irgendwann Autokratien zum Opfer zu fallen. Andererseits aber nicht zurückzufallen in eine Zeit, in der nur noch Großmächte das Sagen haben. Diese Balance zu halten, scheint die wohl größte Herausforderung für die von ihr verkündete "wertegeleitete deutsche Außenpolitik" zu sein. Was diese Werte sind, wird durch ihr Handeln deutlich werden. Baerbocks Anwesenheit in New York und die folgende mediale und öffentliche Aufmerksamkeit für Themen wie die nukleare Abrüstung sind ein Anfang. Aber der ist in diesen Zeiten besonders schwer.

Verwendete Quellen
  • Baerbock-Rede bei der Initiative für Nichtverbreitung und Abrüstung (NPDI)
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