t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandUSAUS-Wahl 2024

Trump und der Nato-Austritt der USA: Das Undenkbare könnte wahr werden


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Verrät Trump Europa?
Das sprengt alles Bisherige


Aktualisiert am 12.02.2024Lesedauer: 6 Min.
Player wird geladen
Im Wahlkampf: Donald Trump wettert gegen die Nato-Bündnispartner. (Quelle: reuters)
News folgen

Donald Trumps neue Drohungen gegen die Nato-Verbündeten sprengen alles Bisherige. Das könnte dramatische Auswirkungen auf Europas Sicherheit haben.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Plötzlich liegt ein für Jahrzehnte undenkbares Szenario für alle Welt sichtbar auf dem Tisch: Europa könnte erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ohne den Schutz des wichtigsten und mächtigsten Gründungsmitglieds der Nato dastehen. Dann nämlich, wenn Donald Trump wieder Präsident wird.

Was in diesem Fall passieren könnte, ist zwar schon lange kein Geheimnis mehr. Trump hält die Nato für "tot" und er gibt an, austreten zu wollen. Was der ehemalige US-Präsident bei einem Wahlkampfauftritt in South Carolina aber am Wochenende von sich gab, sprengte einmal mehr alles Bisherige.

Sollten die europäischen Nato-Mitglieder weiterhin ihre "Rechnungen" nicht bezahlen, und würden die Russen Europa angreifen, dann würde er "sie sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen", sagte er dort. Hier lesen Sie mehr dazu.

Die Nachkriegsordnung ist in Gefahr

Was Trump am Wochenende zum wiederholten Mal getan hat, spielen seine Mitstreiter, wie der republikanische Senator Marco Rubio, zwar herunter als "alte Geschichte". Trump würde eben nicht so reden, wie normale Politiker, so Rubio. In Wahrheit aber erschüttert ausgerechnet ein ehemaliger amerikanischer Präsident, der bald wieder im Weißen Haus sitzen könnte, die internationale Sicherheitsordnung.

Trumps Aussagen sind keine unterhaltsamen oder unkonventionellen Ausrutscher. Sie folgen einem Muster, das Europa einem immer größeren Sicherheitsrisiko aussetzt. Im Falle seiner Wiederwahl im November könnten die verbündeten Nato-Staaten deshalb auf der anderen Seite des Atlantiks in große Gefahr geraten. Während sie von Putins Russland bedroht werden, könnten sie von einer neuen Trump-Regierung einfach im Stich gelassen werden.

Die Nerven liegen blank

Wie ernst diese Lage ist, lässt sich bereits an den scharfen Reaktionen ablesen, die umgehend vom Weißen Haus, von der Nato und von den Verbündeten in Europa kamen:

Ein Sprecher des US-Präsidenten verurteilte Trumps Worte noch am Abend von dessen Auftritt. "Invasionen unserer engsten Verbündeten durch mörderische Regime zu ermutigen, ist entsetzlich und verstörend – und es gefährdet die nationale Sicherheit der USA, die globale Sicherheit und die Stabilität unserer heimischen Wirtschaft", so der Sprecher.

Der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gab am Folgetag ein Statement heraus. "Jede Andeutung, dass die Verbündeten sich nicht gegenseitig verteidigen würden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit, einschließlich der der USA, und setzt amerikanische und europäische Soldaten einem erhöhten Risiko aus", so Stoltenberg. "Jeder Angriff auf die Nato wird mit einer vereinten und energischen Reaktion beantwortet."

Auch EU-Ratspräsident Charles Michel bezeichnete Trumps Äußerungen als "gefährlich". Er sagte, solche Angriffe auf "die Sicherheit der Nato und die Solidarität gemäß Artikel 5 dienen nur Putins Interesse." Das deutsche Außenministerium schrieb: "'Einer für alle und alle für einen.' Dieses #NATO Glaubensbekenntnis sorgt für die Sicherheit von mehr als 950 Millionen Menschen – von Anchorage bis Erzurum." Die amerikanische Stadt Anchorage liegt in Alaska und Erzurum in der Türkei.

Die Nerven liegen diesseits und jenseits des Atlantiks blank. Aus gutem Grund. Denn Trumps Nato-Aussagen bildeten nur den Höhepunkt einer historischen, sicherheitspolitischen Woche, die Wladimir Putin in die Hände spielt. Und hinter allem steckt Donald Trump.

Politische Erpressung im US-Kongress

Trump hat als Politiker derzeit zwar formal keine Macht. Er ist weder gewählter Kongressabgeordneter noch Senator oder Präsident. Er ist nicht einmal der offizielle Kandidat seiner Partei. Doch sein Einfluss ist zehn Monate vor den Präsidentschaftswahlen so groß, dass er in der Lage ist, die amerikanische Gesetzgebung in seinem Sinne zu manipulieren.

Weil rund acht Monate vor den Wahlen im Herbst eine große Anzahl von Republikanern auf Trump-Linie sind, blockierten sie vergangene Woche im US-Kongress das dringend benötigte Milliardenpaket für die Ukraine. Ihr Motto dabei: Was Biden schadet, nützt Trump. Und der hat seine Parteikollegen angewiesen, dem vorliegenden Hilfspaket nicht zuzustimmen.

An Putin und den Rest der Welt ist diese politische Blockade ein klares Signal: Seine Strategie, im Ukraine-Krieg auf Zermürbung und auf Zeit zu setzen, könnte sich allmählich auszahlen. Der Rückhalt in den USA, die Ukraine und damit auch Europa zu unterstützen, schwindet. Mehr dazu lesen Sie hier.

Propaganda im Sinne des Kremlchefs

Zwar ist nicht bekannt, welche Rolle Donald Trump beim Putin-Interview des Moderators Tucker Carlson vergangene Woche spielte. Doch der geschasste "Fox-News"-Kommentator Carlson ist als rechtsextremer Agitator nicht nur einer der engsten Verbündeten Donald Trumps. In seinen Sendungen übernimmt Carlson regelmäßig und hinterfragt auch nicht Putins Propaganda und teils antisemitischen Verschwörungstheorien, die Russland nützen und der Ukraine schaden. Regelmäßig tauchen Ausschnitte aus seinen Sendungen im russischen Staatsfernsehen auf.

Carlson kämpft wie Donald Trump für ein Amerika, das sich von internationalen Bündnissen verabschiedet und sich auf den Weg in den Isolationismus begibt. Sein Interview mit Putin diente dem Kreml als weitere Möglichkeit, die amerikanische Öffentlichkeit in ihrer Sicht auf seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu manipulieren. Denn mit kritischen Nachfragen konfrontierte Trumps Sprachrohr Wladimir Putin in Moskau nicht. Einen Faktencheck können Sie hier nachlesen.

Übrigens wurden Trumps bedrohliche Nato-Äußerungen vom Wochenende auch umgehend in den russischen Fernsehsendern aufgenommen.

Wie Trump das Nato-Bündnis bedroht

Die Gefahr, die von Trumps Drohungen ausgeht, ist groß. Denn der Ex-Präsident verknüpft den militärischen Beistand im Bündnisfall (Artikel 5 des Nato-Vertrags) mit der Zahlungswilligkeit der Mitgliedstaaten. Indem er droht, einzelne Länder im Zweifel nicht zu schützen, bringt er die gesamte Sicherheitsarchitektur des Westens und damit auch der Welt ins Wanken. Denn die beruht zu einem erheblichen Teil auf einer glaubhaften Abschreckung.

Trump hingegen schwebt offenbar eine Art Schutzgeld-System vor. Demnach würden die USA nur Schutz für andere Länder garantieren, die seine finanziellen oder ökonomischen Bedingungen erfüllen. Diese Idee wirkt vollkommen entkoppelt vom bisherigen System, das nicht zuletzt auch auf gemeinsamen demokratischen Werten beruht, was schlicht auch im Interesse Amerikas lag. Einen Eindruck davon vermittelte er am Wochenende auch mit einem Aufruf an die US-Senatoren auf seiner Social-Media-Plattform "Truth".

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Auch hiermit spielt Trump dem russischen Präsidenten in die Hände. Wenn Putin damit rechnen kann, dass die USA als Unterstützer-Nation ausfallen, könnte er sich überlegen, nicht nur die Ukraine, sondern auch andere Länder der ehemaligen sowjetischen Einflusssphäre anzugreifen, darunter etwa die baltischen Staaten, Rumänien oder Polen.

Loading...
Loading...

Trumps Bewunderung für Putin und sein Hass auf die Nato

Donald Trumps jüngste Drohungen gegen die wichtigsten Verbündeten der USA werden extrem ernst genommen. Denn wie sehr Donald Trump Putin und andere Diktatoren auf der Welt bewundert, das erzählt er nicht nur regelmäßig auf seinen Wahlkampfbühnen.

Drei Tage nach Putins Überfall bezeichnete er Putin etwa als klug. "Das Problem ist doch nicht, dass Putin schlau ist, natürlich ist er schlau", sagte Trump am 27. Februar 2022 vor seinen Fans. "Die Nato-Nationen sind nicht so klug. Sie sehen nicht so klug aus." Das wirkliche Problem sei, "dass unsere Anführer dumm sind", so Trump.

Schon nach dem Einmarsch Putins auf der Krim im Jahr 2014 sagte Trump in einem Interview: "So schlau. Sich die Unruhen in einem Land ansehen und dann, weil sie den Russen schaden, zu sagen: 'Wir werden das übernehmen.' Er (Putin) geht wirklich Schritt für Schritt voran, man muss ihm dafür viel Anerkennung zollen", so Trump damals.

In einem persönlichen Brief an Putin aus dem Jahr 2007 schrieb Donald Trump wörtlich: "Wie Sie vielleicht schon gehört haben, ich bin ein großer Fan von Ihnen. Passen Sie auf sich auf."

Das Ende der Nato

So absurd es klingen mag, aber den europäischen Staaten bleibt derzeit nichts anderes übrig, als sich auch mit dem schlimmsten aller Szenarien zu beschäftigen: einem Austritt der USA unter Trump aus der Nato. Die jüngsten Äußerungen Trumps sind dafür nur ein weiterer Beleg von vielen.

Wenige Tage vor dem Start der Münchner Sicherheitskonferenz feuert Trump die Debatte um mehr Selbstverantwortung der Europäer weiter an. Es ist gut möglich, dass der Ex-Präsident damit genau das erreicht, was er insbesondere Deutschland immer wieder ankreidet: Die anderen Staaten tragen im Vergleich zu den USA finanziell noch immer zu wenig zum Nato-Verteidigungsbündnis bei.

Angesichts des für die Verbündeten erschreckenden Szenarios einer zweiten Trump-Präsidentschaft wird bereits jetzt über mögliche Notfallplanungen nachgedacht. Sollte im November ein Wechsel im Weißen Haus anstehen, könnten etwa Frankreich, Großbritannien und Deutschland gezwungen sein, zu einem historischen Treffen zusammenzukommen. Das Ziel: Eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa zu entwickeln, erstmals seit 1949 ohne die Amerikaner.

Verwendete Quellen
  • Presseerklärung des Weißen Hauses
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website