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Wladimir Putin im Interview: Was für eine politische Horror-Show!


Meinung
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Putin im Interview mit Tucker Carlson
Widerliche Werbesendung

  • Bastian Brauns
MeinungVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 09.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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Wladimir Putin: Der russische Präsident gab dem US-Moderator Tucker Carlson ein Interview. (Quelle: reuters)

Viel war im Vorhinein über das Putin-Interview gestritten worden. Doch was zum Highlight aufgeblasen worden war, entpuppte sich als onkelhaft erzähltes Geschichtsmärchen.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Was war das seit Tagen für eine Debatte um das Putin-Interview von Tucker Carlson? Während die einen vor einer reinen Propaganda-Show des Kremlherrschers warnten, präsentiert auch noch von einem fragwürdigen, rechtsextremen Moderator, forderten die anderen, endlich mal der "anderen Seite", also Putin, zuhören zu dürfen, um sich "ein eigenes Bild zu machen".

Dabei log Tucker Carlson schon in der Ankündigung seines Interviews. Er behauptete dreist, "kein einziger westlicher Journalist" außer ihm hätte es in zwei Jahren gewagt, Wladimir Putin zu interviewen. Darum hätten die meisten Amerikaner keine Ahnung davon, warum Putin die Ukraine angegriffen habe. "Sie haben nie seine Stimme gehört", log Tucker Carlson. In Wahrheit hat Putin jegliche Interview-Anfragen von westlichen Medien abgelehnt.

Die Angst vor der ungefilterten Propaganda aus dem Kreml war trotzdem groß. Joe Bidens Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, hielt es vor der Veröffentlichung des Interviews vor Journalisten in Washington sogar für nötig zu warnen: "Die Amerikaner sollten nichts von dem glauben, was Wladimir Putin sagt." Für Verschwörungsgläubige und Anhänger Donald Trumps war das nur ein weiterer Hinweis darauf, dass die Biden-Regierung angeblich die Meinungsfreiheit unterdrücken wolle.

Dröge Märchenstunde bei Putin

Jetzt aber wurde das mehr als zwei Stunden lange Gespräch, das zwischenzeitlich als "Interview des Jahres" gehypt worden war, endlich ausgestrahlt. Und jeder, der wollte, konnte sich ein Bild davon machen, was Putin denn Erkenntnisreiches zu sagen hatte.

Um es gleich vorwegzunehmen: Das ist natürlich der große Unterschied zwischen den USA und Ländern wie Russland oder China. Journalisten dürfen in Amerika Interviews führen, und sie werden weder weggesperrt noch umgebracht, wenn sie etwas berichten, das der Regierung nicht gefällt.

Tatsächlich war das, was Tucker Carlson und Wladimir Putin über mehr als zwei Stunden austauschten, nicht nur todlangweilig, sondern längst bekannt. Es war die typische politische Horrorshow des Kremlherrschers, die er seit Jahren abzieht. Tucker Carlson war offensichtlich nicht mal auf die onkelhaft erzählte Geschichtsstunde über Russland und die Ukraine vorbereitet, für die Putin berüchtigt ist.

Auch Angela Merkel und Olaf Scholz mussten bei ihren Staatsbesuchen in Russland das dröge Gequatsche, das dieses Mal bis ins Jahr 1654 zurückreichte, über sich ergehen lassen – dabei waren sie eigentlich nach Moskau gereist, um Putin zur Vernunft zu bringen. Noch kurz vor seinem Einmarsch im Jahr 2022 hielt der Kremlchef eine derartige Rede über längst vergangene Zeiten, die seine Handlungen von heute rechtfertigen sollen.

Und so sprach Putin auch diesmal zu Tucker Carlson von seinen Prinzen und Zaren, von Otto von Bismarck und sogar vom SPD-Politiker Egon Bahr. Der habe einst eine neue Sicherheitsordnung für Europa nach dem Kalten Krieg vorgeschlagen, aber niemand habe ihm zugehört, so Putin.

Geschmacklos und geschichtsvergessen

Das, was Tucker Carlson dem russischen Präsidenten entlocken konnte, war leider weder neu noch überraschend. Immerhin konnten die Zweifler bei diesem Interview sehen, dass Putin offenbar auf einem ganz anderen Stern unterwegs ist. "Sie waren es, die diesen Krieg 2014 begonnen haben", sagte er über die ukrainische Regierung. "Unser Ziel ist es, diesen Krieg zu beenden. Und wir haben diesen Krieg 2022 nicht begonnen. Das ist der Versuch, ihn zu beenden."

Weil Tucker Carlson von journalistischen Standards nicht viel hält, blieb Putins Behauptung, die Ukraine hätte diesen Krieg begonnen, wie vieles anderes am Ende einfach unwidersprochen stehen.

Entscheidende Fragen stellte Carlson nicht. Kein Wort zu den Vergewaltigungen ukrainischer Frauen durch russische Soldaten, kein Wort zu den Massakern von Butscha, kein Wort zu den Zehntausenden entführten und verschleppten Kindern. Kein Wort darüber, dass Putin sein eigenes Volk verheizt. Ohne diese Konfrontationen im Angesicht von Putins Schlächtereien wurde das Interview erst recht zu einer widerwärtigen Werbesendung.

"Warum haben Sie so lange gewartet?"

Den Gipfel der Verschwörungserzählung erreichten die Gesprächspartner, als es um Deutschland ging. Tucker Carlson behauptete, ohne dafür Belege vorweisen zu können, Deutschland wisse in Wahrheit, dass die Nato-Partner die Erdgaspipeline Nord Stream hochgejagt hätten. Warum die Deutschen denn nichts sagen würden, fragte er Putin. Und der musste nur noch grinsend antworten: "Das frage ich mich auch."

Putins bekanntes Fazit lautete: "Die Ukraine ist ein künstlicher Staat." Sie habe historisch gesehen also keine Daseinsberechtigung. Die Frage, die Carlson dazu einfiel: "Warum haben Sie sie nicht einfach genommen, als Sie vor 24 Jahren Präsident wurden? Sie haben Atomwaffen. Das tun Sie aber nicht. Es ist doch eigentlich Ihr Land. Warum haben Sie so lange gewartet?" Darauf wusste sogar Putin nichts zu antworten und flüchtete sich wieder in geschichtliche Abgründe.

Kein Ende des Krieges in Sicht

Tucker Carlson ließ Putin ungehindert in Fantastereien schwelgen. Er kündete an, dass Ukrainer und Russen am Ende "wieder vereint" sein würden. Sein Angriffskrieg sei in Wahrheit "Teil eines Bürgerkrieges". Das könne man schon daran sehen, dass ukrainische Soldaten auf dem Schlachtfeld sich "immer noch als Russen identifizieren" würden. Putin sagte: "Niemand wird jemals die Seele trennen können."

Wer erwartet hatte, dass Tucker Carlson dem Kremlherrscher womöglich einen Friedensplan entlocken könnte, wurde natürlich enttäuscht. Die USA sollten die Ukraine überzeugen zu verhandeln, forderte Putin. Was er dafür anzubieten hat, darüber schwieg er sich aus. Im Gegenteil, Putin sagte, er habe sein Ziel noch nicht erreicht. Und dies sei nach wie vor die "Denazifizierung" der Ukraine. "Was bedeutet das?", fragte Carlson da. "Sich der Neonazis zu entledigen", antwortete Putin. Nächste Frage.

Die Furcht vor weiteren russischen Gewalttaten konnte Tucker Carlson ebenso wenig ausräumen. So sehr er sich auch abmühte, irgendeine, womöglich tief schlummernde Friedfertigkeit bei Putin zu ergründen. Carlson wollte vom Kremlchef wissen, ob es ein Szenario gebe, bei dem er Polen angreifen würde. Putin lachte daraufhin und sagte: "Nur, wenn Polen uns angreift." Hier hätte Carlson ebenfalls nachhaken können. Denn dass dies keine Garantie ist, lässt sich in der Ukraine täglich beobachten. Ob ein Angriff durch ein anderes Land auf Russland vorliegt, das entscheidet im Zweifel Putin. Aber auch das ist bekanntlich nichts Neues.

So groß die Sorge vor diesem Interview von einigen gewesen sein mag, so gelangweilt und enttäuscht müssen jene jetzt sein, die gehofft hatten, endlich Putins Sicht auf die Dinge zu hören.

Verwendete Quellen
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