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Zum journalistischen Leitbild von t-online.US-Vizepräsidentin in München Kamala Harris schwört Nato gegen Russland ein
Mitten im Konflikt mit Russland hat Kamala Harris die wohl bedeutendste Rede ihrer bisherigen Karriere auf der Münchner Sicherheitskonferenz gehalten. Das war wichtig – für die Nato und sie selbst.
Er sei davon überzeugt, dass Putin die Entscheidung getroffen habe, die Ukraine anzugreifen. "Wir haben Grund, das zu glauben" – Joe Biden hatte den Ton bereits gesetzt, als seine Vizepräsidentin Kamala Harris das Münchner Hotel "Bayerischer Hof" am Samstag betrat.
In einer Rede an die Nation war dem US-Präsidenten wenige Stunden zuvor dieser Satz zum ersten Mal im aktuellen Konflikt mit Russland so über die Lippen gegangen. Bislang hatte Biden stets betont, man wisse nicht, ob der russische Präsident sich zu einer Invasion entschieden habe.
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Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, Kamala Harris würde auf dem vorläufigen Höhepunkt der Ukraine-Krise die wohl wichtigste außenpolitische Rede ihrer Karriere halten müssen. Es wurde ihr wichtigster Auftritt in Europa, seit sie im Amt ist, auch weil das transatlantische Bündnis seit vielen Jahren an Bedeutung zu verlieren scheint.
Erwartungen der Europäer
Unter den Blicken der internationalen Öffentlichkeit war zwar jedem klar, dass sie vor allem im Namen Joe Bidens sprechen würde. Doch die US-Vizepräsidentin gilt auch als die neue Generation Amerikas. Als erste Frau und erste "Person of Color" in diesem Amt sehen viele in ihr auch eine künftige Alternative zu weißen und männlichen US-Präsidenten.
Als Gegenentwurf auch zu einem möglicherweise 2024 wieder antretenden Donald Trump, der das Nato-Verteidigungsbündnis einst als "obsolet" bezeichnet hatte. Aber auch als mögliche Nachfolgerin eines Amerikas, dessen Präsidenten Barack Obama und Joe Biden ihren Fokus eindeutig auf den Pazifik richten wollten.
Längst nicht nur die Europäer hatten vor Harris Rede große Erwartungen. Auch in den USA wird der Trip der Vizepräsidentin nach Deutschland sehr genau verfolgt. Bereits im Vorfeld sprach etwa CNN von Harris "entscheidendster Auslandsreise". Der "Washington Post" sagte Heather Conley, Präsidentin des German Marshall Fund: "Dies ist wirklich ein wichtiger Moment für Harris und die Regierung."
In konservativen Medien wurde hingegen schon seit Tagen gelästert, man hoffe, Harris kümmere sich um die Grenze der Ukraine besser als um die eigene US-Landesgrenze im Süden zu Mexiko.
Nicht zuletzt, weil ihre Umfragewerte in den USA seit Monaten historisch schlecht sind, war klar: Kamala Harris Rede an die Welt und an die Nato-Partner würde auch eine an die amerikanische Öffentlichkeit sein. Kamala Harris und Joe Biden werden für ihren Russland-Kurs von einem einflussreichen Teil der Republikaner und konservativen Medien scharf kritisiert. Donald Trump und der Fox-News-Moderator Tucker Carlson werfen beiden vor, für die Eskalation mit Putin verantwortlich zu sein.
Klare Bekenntnisse wie lange nicht
Dabei wurde sie sogar deutlicher als Joe Biden, der im vergangenen Jahr nach Trumps ablehnender Haltung zu internationalen Bündnissen bereits sagte: "Amerika ist zurück". Harris Worte klangen zwar wie Selbstverständlichkeiten, in der aktuellen Situation mit Russland aber scheinen sie so wichtig, wie vielleicht seit Jahrzehnten nicht.
"Nationen haben das Recht, ihre eigenen Bündnisse zu wählen", sagte Harris. "Staatsgrenzen dürfen nicht mit Gewalt verändert werden" und die Nato, sei "das größte Militärbündnis, das die Welt je gesehen hat". Über den Nato-Beistandsartikel 5 sagte sie: "Diese Verpflichtung ist sakrosankt" für die USA.
Harris geißelte Behauptungen aus Russland, etwa wonach Ukrainer einen Genozid an Russen im Osten des Landes verüben würden, als "Desinformation, Lügen und Propaganda". Da die Ukraine kein Nato-Mitglied sei, würden die USA zwar nicht militärisch einschreiten, man werde aber alles Übrige unternehmen, um das Land zu unterstützen. An die Nato-Partner gerichtet, sagte Harris hingegen: "We will defend every inch". Man werde also jeden noch so kleinen Flecken Land im Bündnis verteidigen.
Während prorussische Separatisten in der Ostukraine gerade eine Generalmobilmachung verkündeten, drohte die Vizepräsidentin Russland mit "nie dagewesenen Sanktionen", welche die Verantwortlichen in hohem Maße schädigen würden.
Harris bemühte sich nach Kräften, bestehende Zweifel an Amerikas Verlässlichkeit im Nato-Bündnis zu zerstreuen. Sie betonte, dass nicht ohne Grund eine überparteiliche Delegation aus Demokraten und Republikanern in München anwesend sei. Man stimme zwar in sehr wenig überein. Aber über die Parteigrenzen hinweg gebe es "ein unerschütterliches Bekenntnis zur Nato und zum Bündnis".
Erfolgreiche Mission
Die Rede von Harris war das eine. Noch wichtiger aber dürften ihre direkten Treffen mit den Staats- und Regierungschefs in München sein. Die US-Vizepräsidentin sprach mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, mit dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und traf die baltischen Regierungsvertreter aus Estland, Lettland und Litauen. Das wohl wichtigste Treffen aber hat sie mit dem ebenfalls in München anwesenden ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Ob Amerikas unbeliebteste Vizepräsidentin mit ihrem Auftreten in Deutschland bei der Münchner Sicherheitskonferenz ihre Kritiker wird überzeugen können? Kamala Harris hat jedenfalls gezeigt, dass sie die Erwartungen von Joe Biden erfüllen kann. Oft war in Washington in den vergangenen Monaten von Unstimmigkeiten zwischen beiden die Rede.
Die USA bemühen sich in der Russland-Krise, wie wohl noch nie oder zumindest wie lange nicht, darum, sich mit den Verbündeten abzustimmen. Dass Kamala Harris die große US-Delegation in München nun offenbar erfolgreich führte, ist dazu noch ein Feinschliff, der am Ende auch ihr und ihren Umfragewerten zu Hause helfen könnte.
- Eigene Recherchen