Todesschütze von Kenosha Umstrittener Freispruch für Kyle Rittenhouse
Der US-Amerikaner Kyle Rittenhouse ist freigesprochen worden. Der damals 17-Jährige hatte bei einer Black-Lives-Matter-Demo zwei Menschen erschossen. Nun ist die Furcht vor gewaltsamen Protesten groß.
Nach seinen tödlichen Schüssen in der US-Stadt Kenosha ist der damals 17-jährige Schütze Kyle Rittenhouse von einer Jury in allen Anklagepunkten freigesprochen worden. Die Geschworenen sprachen den heute 18-Jährigen am Freitag einstimmig von den Vorwürfen des Mordes, des Totschlags, des versuchten Mordes und der Gefährdung anderer frei.
Kyle Rittenhouse hatte am 25. August 2020 in Kenosha im US-Bundesstaat Wisconsin zwei Männer (Anthony Huber und Joseph Rosenbaum) mit einem Sturmgewehr erschossen und einen dritten (Gaige Grosskreutz) schwer verletzt. Seine Anwälte argumentierten vor Gericht, der Teenager habe in Notwehr gehandelt, weil er von den Männern angegriffen worden sei. Die Staatsanwaltschaft hingegen argumentierte, Rittenhouse habe die Gewalt selbst "provoziert".
Politisierung des Prozesses
Der Prozess war von Anfang an politisch aufgeladen, weil die Schüsse von Kyle Rittenhouse im Zusammenhang mit den Black-Lives-Matter-Protesten in Kenosha standen. In der 100.000-Einwohner-Stadt am Michigan Lake war der 29 Jahre alte Afroamerikaner Jacob Blake von einem Polizisten mit sieben Schüssen in den Rücken niedergestreckt worden.
Es kam zunächst zu friedlichen Protesten gegen Polizeigewalt und gegen Rassismus. Später schlugen sie aber teils auch in Gewalt um. Scheiben von Autos und Geschäften werden zerstört, Brände wurden gelegt.
Rittenhouse entschied sich, in die Innenstadt von Kenosha zu gehen, bewaffnet mit einem halbautomatischen Gewehr, nach eigenen Angaben, um unter anderem Geschäfte vor Randalierern zu schützen. Bei Auseinandersetzungen erschoss Rittenhouse dann zwei Männer und verletzte einen dritten schwer. Auf mehren Videos ist zu sehen, wie es zu diesen Auseinandersetzungen kam.
Während die Staatsanwaltschaft argumentierte, Rittenhouse habe gewirkt wie ein Amokläufer, der gestoppt werden musste, argumentierte die Verteidigung, der 17-Jährige habe sich in Todesangst lediglich gegen seine Angreifer zur Wehr gesetzt.
Furcht vor gewaltsamen Protesten
Gleich nach seiner Festnahme war Rittenhouse zu einer Art Galionsfigur des rechten und republikanischen politischen Lagers in den USA geworden. Das linke und demokratische Lager hingegen sah in ihm einen Rassisten, der mit Waffengewalt politische Gegner tötete. Das Land scheint gespalten in der Frage: Ist Rittenouse ein Teenager, der sich zur Wehr setzte oder ein rassistischer Mörder?
Der Freispruch von Rittenhouse nach viertägigen Beratungen der Jury weckt nun Befürchtungen gewaltsamer Proteste. Gleich nach der Urteilsverkündung begannen Proteste vonseiten des gegnerischen Lagers. Das Rechtssystem sei kaputt, heißt es in zahlreichen Social-Media-Äußerungen. Oder Kyle Rittenhouse bleibe trotzdem für immer ein Mörder. Wäre er schuldig gesprochen worden, so deutete es sich bereits vorher an, wäre dem ebenso gewesen, nur von der anderen Seite.
Aus Furcht vor etwaigen Ausschreitungen hatte Wisconsins Gouverneur Tony Evers bereits hunderte Mitglieder der Nationalgarde des Bundesstaats in Bereitschaft versetzt. Der Bezirksstaatsanwalt von Kenosha County, Michael Graveley, veröffentlichte nach dem Urteil einen Appell, nachdem Kyle Rittenhouse von allen Anklagepunkten freigesprochen wurde. "Wir bitten alle Bürgerinnen und Bürger, das Urteil friedlich hinzunehmen und nicht zum Mittel der Gewalt zu greifen."
In einer ersten Äußerung zum Urteil sagte US-Präsident Joe Biden: "Ich stehe zu dem, was die Jury zu sagen hat. Das Justizsystem funktioniert und wir müssen uns daran halten." In einem schriftlichen Statement ließ der US-Präsident anschließend verbreiten: "Auch wenn das Urteil in Kenosha viele Amerikaner wütend und besorgt machen wird, mich eingeschlossen, müssen wir anerkennen, dass die Jury gesprochen hat." Er fordere alle auf, "ihre Ansichten friedlich und im Einklang mit der Rechtsstaatlichkeit zu äußern. Gewalt und Zerstörung von Eigentum haben in unserer Demokratie keinen Platz", so Biden.
Bill der Blasio, noch bis Ende des Jahres der demokratische Bürgermeister von New York twitterte hingegen: "Anthony Huber und Joseph Rosenbaum sind Opfer. Sie sollten heute am Leben sein. Der einzige Grund, warum sie es nicht sind, ist, dass ein gewalttätiger, gefährlicher Mann beschlossen hat, mit einer Waffe in einen anderen Bundesstaat zu gehen und damit begonnen hat, Menschen zu erschießen. Dieses Urteil als Justizirrtum zu bezeichnen, ist eine Untertreibung."
Der Republikanische Abgeordnete Madison Cawthorn kommentierte das Urteil öffentlich in einem aufgenommenen Video hingegen so: "Ihr habt das Recht, euch selbst zu verteidigen. Seid bewaffnet! Seid gefährlich!", so Cawthorn. Rittenhouse bot er darüber hinaus ein Praktikum an.
Ex-Präsident Donald Trump bejubelte die Entscheidung am Freitag und gratulierte dem Freigesprochenen dazu, dass dieser für "unschuldig" befunden worden sei. "Und übrigens, wenn das nicht Selbstverteidigung ist, dann ist es nichts!", kommentierte Trump weiter.