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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trumps Rede in Florida Der Spalter ist zurück
Donald Trump hält seine erste Rede nach dem Abschied aus dem Weißen Haus. Die USA erwarten ein großes Spektakel, der ehemalige Präsident setzt zum Angriff an – die US-Wahl 2024 fest im Blick.
Mehr als fünf Wochen hat Donald Trump gewartet – nun wird der ehemalige US-Präsident wieder eine politische Bühne betreten. Er hat andere den Scherbenhaufen aufsammeln lassen, den er dem Land durch seinen verantwortungslosen Abgang aus dem Amt und den Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol hinterlassen hat.
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Nun soll seine erste Rede seit dem Ende seiner Amtszeit auf der Konferenz konservativer Aktivisten und Parlamentarier (CPAC) in Orlando an diesem Sonntag (21.30 Uhr MEZ) eine Machtdemonstration werden. Erwartet wird ein Angriff auf seine parteiinternen Kritiker unter den Republikanern. Trump will damit seine Position in der Partei festigen und mithilfe seiner Anhänger Druck aufbauen.
Trump spielt erneut mit dem Feuer
Nach dem Sturm auf das Kapitol, der Blockade seiner Konten in den sozialen Netzwerken und dem gescheiterten Impeachment-Verfahren gegen ihn, scheint das Ziel klar. Mit Blick auf eine mögliche Kandidatur bei der US-Wahl 2024 durfte Trump nicht zu lange von der politischen Bühne verschwinden. Er will zurück ins Scheinwerferlicht, um in den Köpfen seiner Anhänger präsent zu bleiben – denn allein durch die Sperrung auf Twitter fällt ihm momentan die Selbstinszenierung deutlich schwerer.
Um seinen Einfluss bei den Republikanern zu festigen, muss er nach der Wahlniederlage Stärke demonstrieren. Dafür wird Trump – wie US-Sender aus Kreisen des ehemaligen Präsidenten erfuhren – offenbar erneut seine unbewiesenen Thesen über einen Betrug bei der US-Wahl verbreiten. Er spielt also wieder mit dem Feuer, in einem Land, in dem die gesellschaftliche Stimmung nach dem Sturm auf das US-Kapitol im Januar ohnehin explosiv ist.
Eine geplante Jubelfeier
Ort und Veranstaltung sind kein Zufall, für Trump wird es ein Comeback unter Freunden. Die CPAC ist ein alljährliches Treffen des konservativen Amerikas, das Spektakel findet große Aufmerksamkeit in den Medien. Schon im Vorfeld der viertägigen Veranstaltung war das mediale Echo zur Rede am Sonntag riesig. Trumps Kalkül scheint aufzugehen, er hat in den USA und international die größtmögliche Bühne.
Die Rednerliste ist außerdem eine Mischung aus Verschwörungstheoretikern und Trump-Anhängern. Leiter der Konferenz ist Matt Schlapp, Vorsitzender der "American Conservative Union". Schlapp unterstützte Trump im Feldzug gegen seine Wahlniederlage und verbreitete Gerüchte über einen Wahlbetrug in Nevada.
Unter den geladenen Rednerinnen und Rednern sind viele weitere Unterstützer des ehemaligen Präsidenten: Sein Sohn Donald Trump Jr., Cleta Mitchell, eine ehemalige Anwältin Trumps, Jenny Beth Martin, Mitbegründerin der rechtspopulistischen Tea Party Patriots oder der Republikaner Mo Brooks, der im Kongress Trumps versuchten Putsch unterstütze. Hinzu kommen Rednerinnen wie Angela Stanton-King, die die Verschwörungstheoretiker von QAnon unterstützt und den Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol als "Inszenierung" bezeichnete.
Worüber spricht Trump?
Trump hat demnach eine große Bühne und wird eingerahmt von Unterstützern sprechen. Über den Inhalt spekulieren viele US-Medien seit Tagen. Aus dem Umfeld des ehemaligen Präsidenten hieß es: Trump werde über "die Zukunft der Republikanischen Partei und der konservativen Bewegung" sowie die "katastrophale" Amnestie- und Grenzpolitik seines Nachfolgers Joe Biden sprechen.
Trump dürfte es aber vor allem um einen Sieg im Machtkampf in der eigenen Partei gehen. Ein möglicher Vorgeschmack auf die Rede in Orlando ist eine Erklärung Trumps vom Dienstag, in der er den einflussreichen Anführer seiner Partei im Senat, Mitch McConnell, mit heftigen Verbalattacken überzogen und der Partei seine Absetzung nahegelegt hatte.
McConnell sei "einer der unbeliebtesten Politiker der USA", ein "düsterer, missmutiger" Politiker, "der nicht lächelt". Dem 79-Jährigen fehle es an "politischem Verständnis, Weisheit, Begabung und Persönlichkeit". "Wenn die republikanischen Senatoren zu ihm halten, werden sie nie wieder Wahlen gewinnen", fuhr Trump fort. Der frühere Senats-Mehrheitsführer lasse sich außerdem von den Demokraten vorführen und schwäche die Republikaner.
Durch Furcht zum Machterhalt
McConnell war lange Zeit ein wichtiger Verbündeter Trumps im Kongress. Nach der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar distanzierte sich der mächtige Strippenzieher aber klar von Trump und machte ihn für die Gewalt mitverantwortlich.
Trumps Angriffe zeigen vor allem, welche Rolle der ehemalige Präsident bis zu einer möglichen erneuten Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2024 einnehmen möchte. Er will Königsmacher für die Republikaner bei den Kongresswahlen 2022 sein. Seine Botschaft ist deutlich: Ohne mich gewinnt ihr nicht. Wenn ihr euch gegen mich stellt, hetze ich bei der republikanischen Basis gegen euch.
Trump kämpft um seine Macht, indem er in seiner eigenen Partei Furcht verbreitet. Das bringt die Republikaner in ein Dilemma. Sollte die Konfrontation mit Trump die Partei spalten – oder der ehemalige US-Präsident seine Drohung wahr machen und eine eigene Partei gründen –, wären die Republikaner bei vielen Wahlen chancenlos gegen die Demokraten. Auch das benutzt Trump als politisches Druckmittel.
"Wir haben eine enorme Zustimmung"
Die Gründung einer neuen Partei würde allerdings auch Trump schaden, denn ein gespaltenes konservatives Lager würde auch seine Chance auf eine Rückkehr ins Weiße Haus minimieren. Eine erneute Kandidatur könnte jedenfalls Thema in seiner Rede werden, bislang hielt er sich alle Möglichkeiten offen.
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So sinnierte Trump in einem Interview mit dem rechten Sender Newsmax vergangene Woche über seine künftige Rolle in der Politik. "Ich kann es noch nicht sagen, aber wir haben eine enorme Zustimmung", sagte Trump. Die Umfragezahlen gingen "durch die Decke". Normalerweise würden die Werte nach einem Impeachment fallen, "aber die Zahlen sind sehr gut".
Tatsächlich sind die Zustimmungswerte des US-Präsidenten vergleichsweise schlecht, aber sie sind nach dem Angriff auf das Kapitol und dem gescheiterten Amtsenthebungsverfahren nicht komplett abgestürzt. Laut der US-Politikseite "realclearpolitics.com" haben in der US-Bevölkerung 38 Prozent ein positives Bild von ihm, 58 Prozent ein negatives. Joe Biden sehen 52 Prozent positiv, 40 Prozent negativ.
Gefahr einer erneuten Eskalation
Die Zahlen zeigen, dass trotz allem weiterhin viele Menschen treu zu Trump stehen. Das dokumentiert die tiefe Spaltung im Land. Ein aktuelles Beispiel zeigt, wie explosiv dieser gesellschaftliche Riss ist: Anhänger des Ex-US-Präsidenten spielen nach Polizeiangaben offen mit dem Gedanken, einen schweren Anschlag auf das Kapitol in Washington mit zahlreichen Toten zu verüben. Angehörige von Milizen "haben ihren Wunsch geäußert, dass sie das Kapitol in die Luft jagen und so viele (Kongress-)Mitglieder wie möglich umbringen wollen", teilte die kommissarische Chefin der Parlamentspolizei, Yogananda Pittman, am Donnerstag mit. Als Zeitpunkt für das Vorhaben sei die anstehende Rede von Trumps Nachfolger Joe Biden vor beiden Kongresskammern genannt worden.
In der gegenwärtig bedrohlichen Lage in den USA spricht an diesem Sonntag nun ausgerechnet ein Ex-Präsident, der Spaltung als politisches Werkzeug nutzt, um sich Macht und absolute Loyalität seiner Anhänger zu sichern. Er wird auf Konfliktkurs zu seinem Nachfolger Joe Biden gehen, der gesellschaftliche Aussöhnung ins Zentrum seiner Amtszeit rücken möchte.
In den letzten Wochen saß Trump die Anschuldigungen gegen sich aus, er schickte Anwälte vor, zog sich zurück, kam nicht zu Bidens Vereidigung, spielte Golf, nur hin und wieder ließ er verbale Angriffe auf Kritiker in seiner Partei verkünden. Durch seine Zustimmungswerte und das gescheiterte Amtsenthebungsverfahren bestätigt, könnte er in Orlando zum Angriff ansetzen. Eines steht schon vor seiner Rede am Sonntag fest: Die Zeit der leisen Trump-Töne ist vorerst beendet.
- Real Clear Politics: Favorability Ratings Political Leaders
- Frankfurter Rundschau: Donald Trump auf CPAC-Konferenz: Republikaner setzen auf die Karte "Wahlbetrug"
- Tagesspiegel: Trump will die Republikaner das Fürchten lehren
- Mit Material der Nachrichtenagentur afp