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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Verleugnung Wie lange will Trump noch so weiterwüten?
Donald Trump erkennt die Wahl nicht an. Und verhindert damit, dass Joe Biden sich einarbeitet. Wie lange kann Trump das noch so treiben? Dafür gibt es Anhaltspunkte – und sogar ein Datum.
In der 90er-Jahre-Komödie "Und täglich grüßt das Murmeltier" spielt Bill Murray einen egozentrischen Wettermoderator, der immer wieder denselben Tag erlebt. Um 6 Uhr plärrt "I Got You Babe" aus dem Radiowecker und alles beginnt für ihn von vorne, seine scheinbar sinnlose Arbeit wiederholt und wiederholt sich.
Im Weißen Haus gibt es eine Telefonzentrale, die Präsidenten für gewöhnlich mit einem Weckruf aus den Träumen reißt. Donald Trump muss zwar nicht jeden Tag darüber berichten, ob das Murmeltier Punxsutawney Phil einen frühen Frühlingsbeginn voraussagt oder nicht. Doch Trumps Tage gleichen sich ebenfalls zunehmend, seit Joe Biden die Wahl gewonnen hat.
Trump steht auf, Trump geht Golf spielen oder arbeitet ein wenig, hauptsächlich aber wütetet Trump auf Twitter gegen die angeblich gestohlene Wahl. Wie lange will er das so noch weitertreiben?
"Er hat gewonnen, weil ..."
Donald Trump weiß, dass er verloren hat. Da sind sich die Beobachter und viele anonym zitierte Mitarbeiter inzwischen ziemlich einig. Auch öffentlich hat Trump das zuletzt durchblicken lassen, wenn auch unfreiwillig.
Am Freitag, als sich Trump auf seiner bisher einzigen Pressekonferenz nach der Niederlage für den Fortschritt bei einem Corona-Impfstoff feierte, verplapperte er sich beinahe. Mit seiner Regierung werde es keinen Lockdown geben, sagte er und stammelte dann: "Hoffentlich wird die, äähm, was auch immer passiert in Zukunft, wer weiß, welche Regierung es sein wird, die Zeit wird es zeigen ..."
Am Sonntag dann schrieb Trump auf Twitter: "Er hat gewonnen, weil die Wahl manipuliert war." Als die ersten Eilmeldungen über das Eingeständnis der Niederlage verschickt waren, merkte Trump offensichtlich, was er angerichtet hatte, und schickte mehrere Tweets hinterher. "Ich gestehe überhaupt nichts ein!"
Absetzungsbewegungen bei den Republikanern
Es passt zu dem, was US-Medien von Trump-Vertrauten berichten in diesen beispiellosen Tagen in Washington. Trumps große Strategie, die Amtsübernahme Bidens wirklich noch zu verhindern – es gibt sie wohl schlicht nicht. Trump scheint einfach zu schauen, wie weit er noch kommt und wie lange ihn die Republikaner dabei noch unterstützen.
Und genau das könnte helfen abzuschätzen, wie lange Trump sich noch komplett weigern kann, die Amtsübergabe an Biden einzuleiten. Derzeit wird immer noch jeder Republikaner, der sich in der Sache vorsichtig von Trump absetzt, zur Schlagzeile. Schon das zeigt, dass es immer noch sehr, sehr wenige sind. Aber es gibt diese Schlagzeilen.
Und selbst einflussreiche und Trump zugeneigte Republikaner wie Lindsey Graham formulierten zuletzt, wann sie Biden als gewählten Präsidenten akzeptieren würden: Wenn Trump die Niederlage eingesteht, oder wenn die Klagen vor Gericht gescheitert sind und die Staaten die Wahlergebnisse zertifiziert haben.
Dass Trump die Niederlage wirklich eingesteht, ohne zu behaupten, dass ihm die Präsidentschaft gestohlen worden sei, darauf kann man vermutlich lange warten. Für die Klagen und die Ergebnisse gibt es jedoch Daten.
Der 8. Dezember könnte entscheidend sein
Bis zum 8. Dezember sollen alle Rechtsstreitigkeiten und Nachzählungen in den Bundesstaaten abgeschlossen sein. Es ist die sogenannte "Safe Harbor"-Deadline. Alle Staaten zertifizieren bis spätestens dahin für gewöhnlich ihre Wahlergebnisse, bestätigen sie also, damit am 14. Dezember die Wahlmänner den Präsidenten wählen können. Normalerweise eine reine Formalie, die dieses Jahr wichtig werden könnte.
Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass Trumps Anwaltsteam rund um Rudy Giuliani kaum Chancen hat, so viele Beweise für weitreichenden Wahlbetrug zu finden, um das Ergebnis in einem der umkämpften Staaten noch zu drehen. Doch sollten am 8. Dezember noch Rechtsstreitigkeiten laufen, könnte es trotzdem schmutzig werden.
- t-online erklärt: So funktioniert das US-Wahlsystem
Dann könnte nämlich das Parlament, das in den meisten umkämpften Staaten von Republikanern dominiert ist, womöglich einfach selbst Wahlmänner aufstellen mit dem Argument, es gebe kein rechtmäßiges Ergebnis. Dabei fällt diese Aufgabe in diesen Staaten eigentlich den Regierungen zu – und in den betreffenden Staaten damit meist Demokraten.
Diskutiert wird sogar das Szenario, dass Regierung und Parlament wegen des ganzen Streits schlicht beide Wahlmänner nominieren, es also zwei verschiedene Gruppen aus ein und demselben Bundesstaat gibt. Trump-Wahlmänner und Biden-Wahlmänner. So oder so müssten am Ende entweder der US-Kongress oder sogar die Gerichte entscheiden.
Praktisch unmöglich
Es ist ein sehr unwahrscheinliches Szenario. Und selbst wenn in einem der umkämpften Staaten auf diese Weise wirklich Biden-Wahlmänner zu Trump-Wahlmännern werden, würde das für Trump nicht ausreichen. Joe Biden hat die Wahl mit 306 zu 232 Wahlmännern gewonnen. Um das zu drehen, braucht Trump ein solch unwahrscheinliches Szenario in unwahrscheinlich vielen Staaten.
Es ist praktisch unmöglich.
Deshalb dürfte es für viele Republikaner und auch für Trump tatsächlich spätestens ab dem 8. Dezember schwieriger werden, sich der Amtsübergabe komplett zu verweigern. Denn darum geht es derzeit vor allem: um die sogenannte "transition" von Trump zu Biden. Offiziell ins Amt eingeführt wird Biden ohnehin erst am 20. Januar.
Doch bislang hat Biden als gewählter Präsident, anders als es üblich ist, weder Zugang zu Regierungsinformationen noch zu Büros und dem Geld, das ihm für diese Einarbeitungsphase zusteht. Tagelang gab sich Biden in dieser Sache betont entspannt und sagte, er wolle nicht dagegen klagen. Am Montag wurde sein Ton aber deutlicher. "Wenn wir uns nicht abstimmen, könnten mehr Menschen sterben", sagte er mit Blick auf die stark steigenden Corona-Zahlen in den USA.
Der geläuterte Wettermoderator
Noch dürfte Biden trotzdem etwas darauf warten müssen. Bis die Klagen allzu aussichtslos werden vielleicht. Oder eben bis zum 8. Dezember. Trump hat es nicht eilig. Er sammelt für seinen Rechtsstreit gegen die Wahl weiter fleißig Spendengeld, mit dem er auch Wahlkampfschulden begleicht, wie dem Kleingedruckten zu entnehmen ist.
Zugleich wirft er sich für seine Anhänger erfolgreich in die Pose des Widerstandskämpfers. Am Wochenende marschierten sie für ihn zu Zigtausenden durch Washington. Bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2024 könnte Trump sie vielleicht wieder als Wähler gebrauchen. Oder aber schon vorher als Zuschauer eines Trump-Fernsehsenders.
Vieles scheint möglich. Doch früher oder später wird Trump aus seiner persönlichen Zeitschleife der immer gleichen Tage mit wütenden Wahl-Tweets ausbrechen müssen. In der Komödie "Und täglich grüßt das Murmeltier" passiert das, als der egozentrische Wettermoderator mit der Zeit zu einem besseren Menschen geworden ist.
Aber das ist auch Hollywood.
- Eigene Recherchen und Beobachtungen
- Politico.com: Trump blocks Biden’s incoming staff in unprecedented ways