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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Impeachment-Untersuchung Trump und die drei großen Fragezeichen
Beim Impeachment-Verfahren fällt der Vorhang: Belastungszeugen sagen vor einem Millionenpublikum aus. Können sie die Amerikaner davon überzeugen, dass Donald Trump aus dem Amt entfernt gehört?
Wenn die historischen öffentlichen Anhörungen zu einer möglichen Amtsenthebung Donald Trumps am heutigen Mittwoch beginnen, wenn alle großen US-Fernsehsender live dabei sind und weltweit Interessierte vor den Livestreams sitzen, während zwei Diplomaten zu Trumps Ukraine-Affäre aussagen, dann wird es um drei große Fragen gehen.
- Was lässt sich Trump konkret nachweisen?
- Kann ihn seine Partei beschützen?
- Und lässt sich die Nation von Trumps Grenzüberschreitungen überhaupt beeindrucken?
Erstens: Die Indizienlage gegen Trump ist schon jetzt ziemlich eindeutig. In der Ukraine-Affäre sind hinter verschlossenen Türen mehr als ein Dutzend Zeugen vernommen worden, vor allem aus dem Außenministerium und dem Weißen Haus. Es wurden Transkripte dieser Aussagen veröffentlicht, die rund 3.000 Seiten umfassen.
Am Ende ist die Geschichte recht simpel: Die bekannten Indizien laufen darauf hinaus, dass der US-Präsident Donald Trump die Politik gegenüber der Ukraine gekapert hat, um Kiew für seine persönlichen politischen Interessen einzuspannen. Um Militärhilfen und ein Treffen zu erlangen, sollte Kiew Ermittlungen gegen die Familie von Trumps demokratischen Konkurrenten Joe Biden aufnehmen. Der Druck kam über offizielle Kanäle, wie eben über Trumps EU-Botschafter Gordon Sondland, aber auch über Schattenkanäle wie Trumps Privatanwalt Rudy Giuliani. Die Vorwürfe lauten also auf Amtsmissbrauch zu persönlichen Zwecken.
Die beiden Zeugen, mit denen die öffentlichen Aussagen im Repräsentantenhaus am Mittwoch starten, haben dazu hinter verschlossenen Türen bereits entscheidende Hinweise geliefert.
Die zwei Belastungszeugen
Den Auftakt macht Bill Taylor, der geschäftsführende Botschafter der Amerikaner in Kiew. Er war von Außenminister Mike Pompeo gebeten worden einzuspringen, nachdem Trump die Botschafterin Marie Yowanowitsch gefeuert hatte. Taylor berichtete vor drei Wochen davon, dass Trump eine Schattendiplomatie neben der offiziellen geführt habe, und dass klar gewesen sei, dass der Präsident die Auszahlung der bewilligten Hilfen an die Einleitung von Ermittlungen geknüpft habe.
Dieses vielzitierte "Quid pro quo" machte George Kent, der am Mittwoch als zweiter Zeuge auftreten wird, hinter verschlossenen Türen bereits anschaulich. Kent, in der Führungsebene des Außenministeriums für die Ukraine zuständig, sagte aus, Trump habe "nichts Geringeres gewollt, als dass Präsident Selenskyj an ein Mikrofon tritt" und dann die Worte "Ermittlungen, Biden und Clinton sagt".
Zweitens ist auch die politische Lage ziemlich eindeutig: Die Demokraten wollen Trump aus dem Amt entfernt sehen, die Republikaner stehen zumindest öffentlich weiterhin fest an seiner Seite. Das verdeutlichte etwa das Votum des Repräsentantenhauses vor knapp zwei Wochen zur öffentlichen Fortsetzung der Anhörungen. Die Demokraten stimmten – bis auf zwei Ausnahmen – dafür, die Republikaner ausnahmslos dagegen.
Die Demokraten haben Taylor und Kent ausgewählt, weil die erfahrenen Berufsdiplomaten parteiübergreifend respektiert sind (auch wenn Trump Taylor als "menschlichen Abschaum" verunglimpfte). Binnen zwei Wochen soll der Öffentlichkeit ein Dutzend Zeugen präsentiert werden.
Die Strategie der Republikaner
Die Strategie der Republikaner wird es zwar auch sein, Trumps Agieren zu verteidigen – nach dem Motto: Es habe keine nachweisbare Erpressung gegeben, sondern ein Interesse Trumps, der Korruption im Lande auf den Grund zu gehen. Doch vor allem werden sie von den eigentlichen Vorwürfen ablenken. Sie planen, den Prozess als unfair anzugreifen und die Rolle von Joe Biden, dem möglichen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, und dessen Sohn Hunter in den Fokus zu rücken. Ein entsprechendes Strategiepapier aus ihren Reihen ist bereits an die Öffentlichkeit gedrungen.
Trump selbst hat seinerseits ein Ablenkungsmanöver gestartet, indem er ein weiteres Protokoll eines Telefonats mit Selesnkyj veröffentlichen will – nach dem aber niemand gefragt hat, weil es ein reines Glückwunschtelefonat zu dessen Wahlsieg war.
Diese Strategien haben viel mit der unbeantworteten, letzten Frage zu tun.
Drittens: Lässt sich die Nation davon überzeugen, dass Trump wegen dieser Grenzüberschreitungen in der Außenpolitik aus dem Amt entfernt gehört?
Für die Ukraine-Politik interessiert sich der Durchschnittsamerikaner eher weniger und die Sicht auf ein mögliches Impeachment des Präsidenten ist stark geprägt von der parteipolitischen Heimat. Demokraten sind in überwältigender Zahl dafür, Anhänger der Republikaner strikt dagegen. In den Wochen seit Beginn der Untersuchung ist die Zahl jener, die eine Amtsenthebung befürworten, vor allem unter den unabhängigen Wählern gestiegen. In verschiedenen Umfragen liegt sie nun um die 50 Prozent – die Studien spiegeln also die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft und der Öffentlichkeit wieder.
Die Demokraten brauchen die Hebelwirkung der öffentlichen Meinung, wenn es gelingen soll, Trump nicht nur im Repräsentantenhaus anzuklagen, sondern im mehrheitlich republikanischen Senat dann auch aus dem Amt zu entfernen.
- Newsblog: Alle Entwicklungen der Ukraine-Affäre
- Kommentar: Der Satz, der Trump die Wiederwahl sichern soll
- Impeachment: Adam Schiff ist Trumps mächtigster Gegenspieler
Der Druck auf die Senatoren wird dann steigen, wenn sich noch deutlich mehr Amerikaner für eine Amtsenthebung aussprechen. Öffentliche Aussagen vor Millionenpublikum bieten den Demokraten dazu die beste Gelegenheit.
- eigene Recherchen