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Gauland und Co.: Wir dürfen uns nicht auf das Niveau der AfD begeben


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Gauland und Co.
Wir dürfen uns nicht auf das Niveau der AfD begeben

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 04.07.2018Lesedauer: 5 Min.
Alexander Gauland: Die Teilnahme des AfD-Politikers an einem Fest der "Frankfurter Allgemeinen" sorgte für Empörung. (Archivbild)Vergrößern des Bildes
Alexander Gauland: Die Teilnahme des AfD-Politikers an einem Fest der "Frankfurter Allgemeinen" sorgte für Empörung. (Archivbild) (Quelle: Michaela Rehle/reuters)

Die AfD grenzt aus, wo es nur geht. Aber das ist kein Grund, ihr das nachzumachen – und erst recht kein Weg, um die Demokratie zu retten.

Mir sind zwei Ereignisse aufgefallen, die mich darüber nachdenken lassen, wie wir mit Leuten in der Politik umgehen sollten, die wir nicht leiden können und die uns mit ihren lasziven Bemerkungen ärgern. Wenn wir könnten, würden wir sie uns wegwünschen, aber sie sind nun einmal da, und so zwingen sie uns dazu, unsere Maßstäbe zu schärfen.

Das eine Ereignis spielt in Amerika. Sarah Huckabee Sanders ist die Sprecherin des Präsidenten und verbreitet seine Lügen, Halbwahrheiten und Unverschämtheiten mit stoischer Ruhe. Neulich wollte sie in einem Restaurant namens "Red Hen" einkehren und wurde von der Besitzerin abgewiesen. Die heißt Stephanie Wilkinson und begründete den Rausschmiss mit diesen Worten: "Es fühlt sich so an, als müssten Leute wie ich in diesem historischen Augenblick unbequeme Entscheidungen treffen."

Was den einen gefällt, finden die anderen furchtbar

Natürlich gab es tosenden Beifall von links und wüste Empörung von rechts. Das Land ist, wie wir hinreichend wissen, furchtbar gespalten, sodass die einen prinzipiell schrecklich finden, was die anderen gut finden. Aber welcher Maßstab soll für Unbeteiligte gelten, die sich dem Lagerdenken entziehen wollen? Wäre doch ganz schön, wenn sich eine liberale Denkungsart behaupten würde, die Höflichkeit und Offenheit mit sich bringt. Oder um es frei nach Michelle Obama zu sagen: Wenn die anderen auf ihrem niedrigen Niveau bleiben, halten wir an unserem erst recht fest.

In Deutschland gibt es die AfD, an der sich die Geister scheiden. Neulich war ich bei einem Fest der "Frankfurter Allgemeinen" in Berlin, bei dem sich Gäste aus vielen Metiers tummelten, wie das eben so üblich ist: Journalisten, Schauspieler, Künstler, Politiker. Auch Alexander Gauland war gekommen. Er hat in seinem ersten Leben für die "FAZ" geschrieben, er war Herausgeber ihrer Potsdamer Tochter "Märkische Allgemeine", er gehört zur erweiterten Familie.

Gehört er nicht, eigentlich sollten wir gehen, das ist doch unerträglich, dass dieser Brandstifter hier ist: Ich stand mit einigen Gästen zusammen, die sich darüber erregten, dass so einer wie Gauland hier sein durfte. Ich war anderer Meinung.

Wer Rechte ausgrenzt, begibt sich auf ihr Niveau

Die AfD grenzt aus, wo es nur geht. Alice Weidel und Alexander Gauland und Beatrix von Storch treiben uns ständig auf die Palme, aber ist es sinnvoll, sie nachzuahmen und auszugrenzen – uns auf deren Niveau zu begeben? Wir können sie nicht daran hindern, auf ihrem Niveau zu bleiben, aber wir können uns daran hindern, uns auf ihr Niveau zu begeben.

Leicht ist das nicht. Ich sehe noch das feixende Gesicht Alice Weidels vor mir, als sie im Bundestag auf Angela Merkel antwortete und dabei sagte: "Dieses Land wird von Idioten regiert." Wenn dann Grüne und Sozialdemokraten und Christdemokraten wutentbrannt aufschreien, dann gefällt ihr dieses Echo. Das wünscht sie sich kalten Blutes herbei. Am schlimmsten wäre es, wenn ihre Worte ins Leere fielen.

Beschäftigung ist wichtiger als Empörung

Auch Alexander Gauland versteht es virtuos, unser Blut zu reizen. Auf Sätze wie Hitler und der Nationalsozialismus seien nur ein "Fliegenschiss" in 1.000 Jahren deutscher Geschichte, muss man erst einmal kommen. Ich verstehe jeden Empörungsimpuls, aber ich finde, mehr noch sollten wir uns mit dem Satz selber beschäftigen: Wieso fällt Gauland ausgerechnet in diesem Zusammenhang das Hitlerʾsche Tausendjährige Reich ein? Und welche Botschaft sendet er an seine Partei?

Aus seiner Sicht führt Gauland den Weltanschauungskampf gegen das linke Kartell, das die Medien beherrscht. Dort wird die Moralkeule geschwungen, um den Schuldkomplex wegen Auschwitz und den deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg zu verewigen. So schätzen Gauland und andere in der AfD die Lage im Land ein und dagegen gehen sie vor. Dafür lassen sie sich wuttreibende Sätze einfallen, die eine doppelte Wirkung haben: Die liberale Öffentlichkeit reagiert wie gewünscht mit Empörung und Abscheu und die Rechten erfreuen sich daran und feiern ihre Gaulands/Höckes/Storchs/Weidels als Partisanen auf Facebook und Twitter.

Gauland nicht mehr einzuladen, ist keine Lösung

Was macht man damit? Man lädt Alexander Gauland, den kultivierten Brandstifter, nicht mehr ein. So hat es Frank Plasberg für seine Sendung "Hart aber fair" beschlossen. Kann er das aus eigenem Recht? Und wieso nur Gauland und nicht alle halbwegs Prominenten in der AfD, die so denken wie er? Und was ist mit den Schriftstellern/Intellektuellen/Journalisten, die Unterschriften für eine Petition an den Bundestag gesammelt haben, in der die Regierung zu einer Umkehr in der Flüchtlingspolitik aufgerufen wird?

Die AfD sitzt im Bundestag, gewählt von 12,6 Prozent aller Deutschen über 18 Jahren. Sie sitzt in vielen Landtagen. Sie ist da und bleibt es auf absehbare Zeit auch. Sie ist nicht vom Himmel gefallen. Sie hat begonnen als Währungspartei, die Angst um den Euro in der Krise der EU hatte und schürte. Das ist die Phase nach der Weltfinanzkrise 2008, als Griechenland/Spanien/Portugal/Italien ins Schlingern gerieten und von der Europäischen Notenbank gerettet werden mussten und noch müssen.

Das ging verschärft weiter seit 2015, als eine Million Flüchtlinge ins Land kamen. Seither ist die liberale Phase vorbei und etwas Neues hat begonnen. Deutschland ist gespalten, wenn auch nicht so unüberbrückbar wie Amerika.

Deutschland hat sich verändert

Die AfD sitzt unsichtbar am Tisch, wenn Seehofer/Dobrindt/Söder die Kanzlerin vor sich hertreiben. Damit werden sie nicht aufhören, auch wenn seit gestern Waffenstillstand herrscht. Deutschland hat sich verändert und die AfD ist das Symptom dafür. Ab jetzt geht es vor allem darum, welcher Partei es am überzeugendsten gelingt, sich ins Konservative zu wenden, ohne sich der AfD anzubiedern.

Darum dreht sich der Machtkampf zwischen CSU und CDU. Deshalb ist die FDP im letzten Moment von der Schaukel gesprungen und hat die Jamaika-Koalition platzen lassen. Aus diesem Grund befürwortet Sarah Wagenknecht eine linke Sammlungsbewegung bis hin zu den Grünen. Deshalb schlingert die SPD und ruft einen Neuanfang aus, den sie nicht benennen kann.

Gesucht: ein deutscher Emmanuel Macron

Wem es zuerst gelingt, eine seriöse konservative Alternative zur entleibten CDU und zur wild gewordenen CSU zu formieren, hat eine Chance darauf, bei der nächsten Wahl belohnt zu werden. Gesucht ist eine deutsche Ausgabe von Emmanuel Macron. Dort ist er liberal, weil Frankreich Nachholbedarf an Wirtschaftsreformen und in der Organisation der Arbeitskämpfe hat. Hier wäre er konservativ in einem immer noch prosperierenden Land. Vom deutschen Macron träumt Christian Lindner und dafür präpariert sich Jens Spahn und nicht weit davon entfernt ist Robert Habeck und das empfiehlt Sigmar Gabriel, ausgerechnet er, seiner Partei.

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Es klingt paradox, aber am ehesten einer konservativ gewendeten Partei traue ich zu, dass sie die Errungenschaften der liberalen Demokratie bewahrt und einen weniger dauererregten Umgang mit der AfD findet.

Das ist über Angela Merkel hinausgedacht. Sie hat meine Sympathie und sie hat historische Verdienste. Aber ihre Zeit ist vorbei.

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