Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Zweite Präsidentschaft Trumps "Wir dürfen uns von Trump nicht erpressen lassen"
Angesichts der erneuten Präsidentschaft von Donald Trump steht Deutschland vor großen Herausforderungen. Was Politikerinnen und Wirtschaftsexperten nun erwarten.
Inhaltsverzeichnis
- Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Politikerin: "Die EU muss sich der eigenen Verantwortung stellen"
- Sahra Wagenknecht, BSW-Chefin: "Wir dürfen uns von Trump nicht erpressen lassen"
- Carsten Maschmeyer, Investor: "Weder Trump noch Musk werden Rücksicht auf uns nehmen"
- Ulrike Malmendier, Wirtschaftsweisin: "Das ist die einzige Antwort auf Trump"
- Caspar Brockhaus, Unternehmer: "Wir sind gezwungen, uns zu emanzipieren"
Acht Jahre nach seiner ersten Amtseinführung wird Donald Trump am Montag erneut zum Präsidenten ernannt – dem 47. in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Angesichts klirrender Kälte in Washington findet die Zeremonie nicht wie üblich vor dem Kapitol statt, sondern in der Rotunde des Kongressgebäudes.
Doch was kann man von vier weiteren Jahren Trump erwarten? t-online hat Politikerinnen, Unternehmer und Ökonomen gefragt, was sie von einer zweiten Amtszeit befürchten – und wie sich Deutschland nun positionieren sollte.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Politikerin: "Die EU muss sich der eigenen Verantwortung stellen"
"Donald Trump wird ein zweites Mal als US-Präsident vereidigt – er ist zurück. Aus Erfahrung wissen wir, dass verlässlich nach wie vor nur seine Unberechenbarkeit ist. Dass er im Amt spontan zum 'nice guy' mutiert, ist höchst unwahrscheinlich. Im Gegenteil wird alle Register ziehen, um seine 'America First'-Politik international durchzusetzen und dabei vermutlich auch gewachsene Kooperationen und Bündnisse unterlaufen.
Europas naive Annahme, man könne mit alten Rezepten auf neue Herausforderungen reagieren, findet ein jähes Ende und hat die EU bereits jetzt im internationalen Wettbewerb stark geschwächt.
Auch die Nato steht unter Druck. Trump sieht die USA nicht weiter in Verantwortung für Europas Sicherheit. Die jahrzehntelange Gewissheit, die USA würden den Kontinent im Krisenfall uneingeschränkt unterstützen, ist Geschichte. Er fordert nicht umsonst von allen Mitgliedern ein deutlich größeres finanzielles Engagement und mehr Einsatzbereitschaft.
Doch darin liegt auch eine Chance: Die EU muss sich der eigenen Verantwortung stellen. Selbstbewusster und geschlossener auftreten. Seine Verteidigung endlich selbst organisieren, die Migration ordnen, pragmatische Klimapolitik umsetzen und autoritären Regimen, die die Freiheit und den Frieden bedrohen, konsequent die Stirn bieten. Das ist Europas Pflicht – keine Kür. Und Deutschland wird dabei eine tragende Rolle übernehmen müssen.
Die Zusammenarbeit und Freundschaft mit den USA sollte im Interesse einer stabilen Weltordnung gepflegt werden. Das heißt nicht, alles hinnehmen zu müssen, was in den USA geschieht. Denn nur wer sich klein macht, wird klein gemacht. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bricht nicht erst mit Präsident Trump eine neue Ära an. Sie ist schon längst da. Kooperationen und neue Bündnisse sind dabei eine große Chance."
Zur Person
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (geboren 1958) ist eine deutsche Politikerin der FDP und seit 2024 Mitglied des Europäischen Parlaments. Zuvor war sie Mitglied des Deutschen Bundestages (2017–2024) und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses (2021–2024). Sie war zudem Erste Bürgermeisterin von Düsseldorf. Ihr Schwerpunkt liegt auf Verteidigungs- und Sicherheitspolitik.
Sahra Wagenknecht, BSW-Chefin: "Wir dürfen uns von Trump nicht erpressen lassen"
"Die Präsidentschaft von Donald Trump sollte uns endgültig wachrütteln. Wir müssen begreifen, dass sich unsere Interessen von den amerikanischen unterscheiden. Und dass eine Bundesregierung, die weiter in blinder Vasallentreue den Vorgaben aus Washington folgt, Deutschland schadet.
Donald Trump ist unberechenbar. Seine Ankündigung, sich notfalls militärisch zu holen, was die US-Wirtschaft an Rohstoffen und Transportwegen braucht, ob in Grönland, Panama oder Kanada, zeigt, wohin die Reise geht. Auch Trumps Zollpläne richten sich nicht zuletzt gegen uns.
Gleiches gilt für die Wirtschaftssanktionen: Sie sind ein Konjunkturprogramm für die US-Wirtschaft und ein Killer für die europäische Industrie.
Wir haben unsere Abhängigkeit vom russischen Gas durch eine Abhängigkeit vom weit teureren US-Gas ersetzt. Doch anders als die Russen sind die Amerikaner unsere wirtschaftlichen Konkurrenten. Sie haben gar kein Interesse, uns mit preisgünstiger Energie zu versorgen. Wenn wir unsere Industrie retten wollen, müssen wir zu dem Prinzip zurück, Rohstoffe und Energie da zu kaufen, wo sie am billigsten sind.
Trump treibt uns mit der Forderung, künftig fünf Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Aufrüstung auszugeben, in ein neues Wettrüsten. 5 Prozent, das wären 225 Mrd. Euro pro Jahr – fast die Hälfte des Bundeshaushalts.
Natürlich braucht es eine angemessene Ausstattung der Bundeswehr, aber solche Aufrüstungsziele sind krank. Russland sind wir militärisch auch so überlegen, immerhin gibt die Nato bereits heute zehnmal so viel Geld für Waffen aus. Umso erschreckender, dass sich jetzt auch die AfD für dieses 5-Prozent-Ziel starkmacht.
Wir dürfen uns von Trump nicht erpressen lassen. Deutschland braucht eine eigenständige Politik. Deshalb muss die künftige Bundesregierung auch der von Scholz zugesagten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen, über deren Einsatz Donald Trump entscheiden würde, eine Absage erteilen. Das wäre ein erstes, mutiges Zeichen der Souveränität."
Zur Person
Sahra Wagenknecht (geboren 1969) ist eine deutsche Politikerin und Publizistin. Sie war von 2015 bis 2019 Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Bundestag. Im Januar 2024 gründete sie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und kandidiert bei der Bundestagswahl 2025 als Kanzlerkandidatin. Wagenknecht steht aufgrund ihrer Positionen, insbesondere zur Migrationspolitik und zum Ukraine-Krieg, in der Kritik.
Carsten Maschmeyer, Investor: "Weder Trump noch Musk werden Rücksicht auf uns nehmen"
"Der Tesla-Gründer und X-Besitzer gilt in den USA längst als Schattenpräsident. Trump braucht Musk – und Musk braucht Trump. Doch warum eigentlich?
Musk verfolgt nach meiner festen Überzeugung ein übergeordnetes Ziel: Er will der erste Billionär und zugleich der mächtigste Unternehmer der Welt werden. Und mit Trump an seiner Seite könnte er diesem Ziel näherkommen. Ein konkretes Beispiel: TikTok steht vor einem Verbot in den USA. Sollte die chinesische Plattform zerschlagen oder verkauft werden, könnte Musk als Käufer einspringen. Damit hätte er endgültig das Monopol über die digitale Kommunikation. Er kontrolliert dann:
- Den Boden – über Tesla und seine E-Fahrzeuge, die mit vernetzter Software Milliarden Daten sammeln.
- Den Himmel – über sein Satelliten-Netzwerk Starlink, das in geopolitischen Krisen bereits eine zentrale Rolle spielt.
- Die Köpfe und Gefühle der Menschen – über X (ehemals Twitter) und vielleicht bald dann auch noch TikTok USA.
Doch genau hier lauert die größte Gefahr für das Duo Trump-Musk: China. Während Trump Peking als Feind Nummer eins betrachtet, ist Musk geschäftlich vom Reich der Mitte abhängig. Ein Viertel von Teslas Umsatz kommt aus China, und ohne Chinas Wohlwollen könnte das Wachstum signifikant sinken – oder zu einem Gesamtrückgang führen.
Die Frage ist nicht, ob Musk und Trump irgendwann aneinandergeraten – sondern wann. Noch sind sie vom gegenseitigen Win-Win berauscht. Aber die Interessenkonflikte werden mit der Zeit deutlicher und die beiden Super-Egos werden aneinandergeraten. Ich bin überzeugt: Aus Freunden werden Feinde – dabei wird Trump aber am längeren Hebel sitzen und gewinnen.
Was bedeutet das für Deutschland? Die USA setzen auf nationalen Wohlstand durch Protektionismus – China auf technologische Dominanz durch Datenkontrolle. Deutschland steckt in der Mitte und muss sich neu aufstellen. Die Gefahr: Wir könnten zwischen diesen Blöcken zerrieben werden.
Unsere Wirtschaft ist abhängig von Exporten, von globalen Lieferketten und von politischer Stabilität. Doch wenn Trump seine Pläne durchsetzt, wird es für deutsche Unternehmen immer schwieriger, in den USA konkurrenzfähig zu bleiben. Besonders europäische Tech-Konzerne und Banken haben durch die Überregulierung der letzten Jahre ohnehin einen klaren Standortnachteil. Gleichzeitig bedroht Chinas zunehmende KI-Dominanz unsere technologische Wettbewerbsfähigkeit.
Das alles zu einer Zeit, in der es in den beiden stärksten europäischen Ländern – Deutschland und Frankreich – keine stabilen Regierungen gibt. Unser Land braucht jetzt eine klare Strategie, um wieder wirtschaftlich konkurrenzfähig zu werden:
- Mehr Investitionen in Hochtechnologie und KI
- Bessere Standortbedingungen für Unternehmen
- Ein stärkerer Fokus auf wirtschaftlichen Erfolg
Denn eines ist sicher: Weder Trump noch Musk werden Rücksicht auf uns nehmen. Der wirtschaftliche Wettbewerb wird noch härter – und wir können es uns nicht leisten, noch mehr ins Hintertreffen zu geraten."
Zur Person
Carsten Maschmeyer (geboren 1959) ist ein deutscher Unternehmer und Investor. 1987 stieg er beim Finanzvertrieb AWD ein, wo er später Co-CEO wurde. Der AWD war wegen seiner Vertriebsmethoden umstritten. 2007 erfolgte der Verkauf des AWD. Seit 2010 investiert er in Start-ups. Einem breiten Publikum ist er seit 2016 als Investor in der TV-Sendung "Die Höhle der Löwen" bekannt. Er ist mit Schauspielerin Veronica Ferres verheiratet.
Ulrike Malmendier, Wirtschaftsweisin: "Das ist die einzige Antwort auf Trump"
"Meine große Hoffnung für die kommenden vier Jahre ist, dass die zweite Regierung Trump uns Europäer dazu bringt, dass wir uns auf unsere eigenen Stärken besinnen. Die zu erwartende Wirtschaftspolitik der neuen US-Regierung – von Steuervorteilen für die Produktion in den USA bis zu angedrohten Zöllen – zwingt uns dazu, und zwar in zweifacher Hinsicht.
Erstens werden wir nur dann als Verhandlungspartner ernst genommen werden, wenn wir aus einer Position der Stärke agieren. In fast allen europäischen Ländern ist das wirtschaftliche Wachstum jedoch deutlich schwächer, als wir uns das wünschen, allen voran in Deutschland. Aus dieser Stagnation kommen wir nur dann heraus, wenn wir als Land und als Gemeinschaft von Ländern attraktiv und offen werden für wachstumsstarke und zukunftsorientierte Technologien.
Dazu brauchen wir wiederum größere Märkte sowie weniger Friktionen in grenzüberschreitenden Investitionen und Finanzierungen, also eine wirkungsvolle Kapitalmarktunion. Ansonsten bleibt der große US-Markt einfach deutlich attraktiver für Erfolg versprechende Unternehmen. Meines Erachtens ist in wirtschaftlicher Hinsicht die einzige Antwort auf Trump II die Stärkung des europäischen gemeinsamen Marktes für Güter, Dienstleistungen und Kapital.
Der zweite Grund, die Kooperation und den wirtschaftlichen Austausch unter den europäischen Ländern zu stärken, ist nach innen gerichtet: Innerhalb von Europa werden wir keinen Handelskrieg haben und werden wir keine Strafzölle einführen. Das ist doch die Stärke der EU.
Jetzt ist der Moment gekommen, die Früchte jahrzehntelanger Bemühungen um Kooperation zu ernten und sich von globaler Fragmentierung und Polarisierung unabhängig zu machen. Meine Hoffnung ist also, dass die Androhung amerikanischer Strafzölle der Startschuss für deutlich verstärkte Bemühungen um die Stärkung europäischer Märkte und die Vertiefung des europäischen Kapitalmarktes wird."
Zur Person
Ulrike Malmendier (geboren 1973) ist eine deutsche Ökonomin und Professorin an der University of California, Berkeley. Seit 2022 ist sie Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Wirtschaftsweise"). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Verhaltensökonomie, Unternehmensfinanzierung und Finanzmärkte.
Caspar Brockhaus, Unternehmer: "Wir sind gezwungen, uns zu emanzipieren"
"Die nächste Amtszeit von Donald Trump steckt voller Überraschungen. Diese Unsicherheiten sind ein wesentlicher Teil seiner Verhandlungstaktik. Als deutsche Industrieunternehmen macht es uns das Planen ungemein schwer.
Was ich für relativ sicher halte: Durch Trump wird es mehr und höhere Zölle geben. Für deutsche Produkte bin ich leicht optimistisch, dass sie nicht so hoch ausfallen wie angedroht. Gegenüber China wird der Druck aber größer, die Zölle deutlich anzuheben. Und das wird auch für uns Konsequenzen haben.
Denn die chinesische Wirtschaft wächst zu langsam. Die Regierung unter Xi Jinping wird alles tun, um das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln. Nur so bewahrt die chinesische Regierung ihre Legitimität. Dazu braucht es aber einen starken Export von chinesischen Produkten. Wenn China wegen zu hoher Zölle seine Exporte nicht mehr in die USA verkaufen kann, werden sie andere Wege finden: Deutschland und der europäische Markt sind dankenswerte Abnehmer.
Aber dadurch würde die deutsche Industrie, die im internationalen Wettbewerb ohnehin schon mit viel zu hohen Kosten zu kämpfen hat, durch chinesische Produkte noch mehr unter Druck geraten.
Eine Abschottung gegenüber China ist keine Lösung: Die deutsche Industrie ist darauf angewiesen, ihre Waren auf den riesigen chinesischen Markt auch weiterhin zu verkaufen. Daher müssen wir mit China weiter zusammenarbeiten.
Trumps Wirtschaftspolitik wird voraussichtlich zu einem zweiten Effekt führen: Höhere Zinsen zum Nachteil der europäischen Wirtschaft. Denn für mehr Investitionen und Konsum bräuchten wir sinkende Zinsen. Wenn Trump seine Drohung von höheren Zöllen wahr macht, werden importierte Produkte, zum Beispiel aus dem direkten Nachbarland Mexiko, in den USA teurer – und damit die Inflation nach oben treiben. Wenn die Inflation steigt, kann die amerikanische Notenbank Fed die Zinsen nicht senken – und auch die europäische Notenbank EZB nicht. Sinkende Zinsen wären aber genau das, was unsere Wirtschaft bräuchte.
Diese herausfordernde und angespannte Situation kann dazu führen, dass Deutschland zum Kollateralschaden des USA-China-Konflikts und einer aggressiven Zollpolitik wird. Das darf nicht passieren. Gleichzeitig kann das, was auf uns zukommt, auch eine Chance für Deutschland und Europa sein: Wir sind jetzt gezwungen, uns wirtschaftlich und sicherheitspolitisch zu emanzipieren."
Zur Person
Caspar Brockhaus (geboren 1984) ist ein deutscher Unternehmer. Seit 2009 führt er in sechster Generation die Brockhaus-Gruppe, ein mittelständisches Familienunternehmen im Bereich Stahlverarbeitung und Messtechnik, mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz. Caspar Brockhaus lebt mit seiner Familie in Düsseldorf. Er ist verheiratet und Vater eines Sohnes.
- Statements von Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Sahra Wagenknecht, Ulrike Malmendier, Carsten Maschmeyer und Caspar Brockhaus
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP