Einigung mit Ukraine Das wäre ein bedeutender Sieg für Moskau

Laut dem Weißen Haus soll es ein neues Abkommen zwischen der Ukraine und Russland geben. Doch der Teufel steckt im Detail. Für Russland könnte die Einigung von Nutzen sein.
Die Kriegsparteien Russland und Ukraine haben sich unter US-Vermittlung zur Sicherheit der zivilen Schifffahrt auf dem Schwarzen Meer bekannt – allerdings ist die Umsetzung der Einigung unklar. Russland knüpft seine Zusage an viele Bedingungen und versucht damit, die ersten Schritte in Richtung der Aufhebung westlicher Sanktionen zu machen.
Die Ukraine stimmte zu, machte aber eine militärische Ansage: Russische Kriegsschiffe müssten die westliche Hälfte des Schwarzen Meeres meiden, sonst würden sie angegriffen. Zu dem ebenfalls verhandelten Stopp gegenseitiger Angriffe auf Energieanlagen legte der Kreml eine Liste vor, welche Objekte Moskau damit meint.
"Leider sehen wir schon jetzt, am Tag der Verhandlungen, wie die Russen zu manipulieren begonnen haben", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. "Sie versuchen bereits, Vereinbarungen zu verzerren und sowohl unsere Vermittler als auch die ganze Welt zu täuschen." Der Kreml lüge, wenn er behaupte, die Vereinbarungen über die Schifffahrt im Schwarzen Meer seien mit den gegen Moskau verhängten Sanktionen verbunden. Die Ukraine werde alles tun, um die Vereinbarungen umzusetzen, aber Russland müsse verstehen, dass es im Falle von Angriffen "eine starke Antwort erhalten wird".
Hier Fragen und Antworten nach den Verhandlungen der USA mit Vertretern Russlands und der Ukraine in Saudi-Arabien:
Was haben die USA nach den Gesprächen mitgeteilt?
Von Sonntagabend bis Dienstag haben US-Unterhändler in der saudischen Hauptstadt Riad Gespräche geführt – einmal zwölf Stunden lang mit einer Delegation aus Moskau, davor und danach mit einer Delegation aus Kiew. Zu jedem Strang dieser Gespräche veröffentlichte das Weiße Haus eine Erklärung. Nur der ähnliche Wortlaut lässt erkennen, dass es sich dabei um Vereinbarungen zwischen Russland und der Ukraine handelt.
Es solle auf Gewalt gegen Schiffe auf dem Schwarzen Meer verzichtet werden, hieß es. Handelsschiffe sollten zudem nicht für militärische Zwecke genutzt werden.
Einzeln sagten die USA Russland zu, es bei der Ausfuhr von Getreide und Düngemitteln auf dem Seeweg zu unterstützen. Dazu gehörten niedrigere Versicherungsraten und eine vereinfachte Zahlung von Hafengebühren. Sollten die Russland-Sanktionen dahingehend abgeschwächt werden, wäre das ein bedeutender Sieg für Moskau.
Wie ist die Lage auf dem Schwarzen Meer?
Anders als an Land hat sich die militärische Lage auf See schon 2023 zugunsten der Ukraine verändert. Durch ukrainische Seedrohnen verlor die russische Schwarzmeerflotte viele Schiffe; sie operiert seitdem dichter vor der eigenen Festlandsküste.
Russland kündigte im Sommer 2023 die unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen zustande gekommene Schwarzmeer-Initiative auf, weil es seine eigenen Interessen nicht gewahrt sah. Die Ukraine öffnete daraufhin erfolgreich einen eigenen Seekorridor nach Odessa, um Getreide zu exportieren – ohne Moskauer Sicherheitsgarantie. 2024 schlugen die ukrainischen Häfen fast 100 Millionen Tonnen Fracht um.
Länder wie Großbritannien halfen mit, Versicherungen für diese Transporte günstig zu halten. Gefahr droht Odessa und anderen ukrainischen Häfen vor allem durch russische Drohnen- und Raketenangriffe von der Halbinsel Krim. Am 11. März wurde ein Frachtschiff unter der Flagge von Barbados in Odessa getroffen; vier syrische Seeleute kamen ums Leben.
Was sind die russischen Forderungen?
Abweichend von den USA und der Ukraine teilte der Kreml mit, dass Russland die Vereinbarung zur sicheren Schifffahrt erst dann umsetzen werde, wenn weitreichende Sanktionen aufgehoben würden. So sollen die russische staatliche Landwirtschaftsbank und andere Geldhäuser wieder Zugang zum internationalen Finanztelekommunikationssystem Swift erhalten.
Außerdem verlangt Moskau das Ende des Embargos auf den Import von Landwirtschaftstechnik und anderen Waren, die für die Herstellung von Lebensmitteln und Dünger notwendig sind. Auch Sanktionen gegen Häfen und Schiffe, die unter russischer Flagge fahren und etwa Fischereiprodukte transportieren, sollen aufgehoben werden.
Außenminister Sergej Lawrow sagte im Staatsfernsehen, Moskau wolle den Seeweg für seine Getreide- und Düngemitteltransporte nutzen – ohne das Risiko, angegriffen zu werden. Von ukrainischen Angriffen auf zivile Schiffe, die Russland anlaufen, ist aber nichts bekannt.
"Wir wollen, dass der Getreide- und Düngemittelmarkt vorhersehbar ist und niemand versucht, uns von diesen Märkten fernzuhalten", sagte Lawrow dem russischen Staatsfernsehen Channel One. Russland wolle einen fairen Wettbewerb und legitime Gewinne erzielen. Zudem sei Moskau um die Ernährungssicherheit in Afrika und anderen Ländern des Globalen Südens besorgt, so Lawrow.
Neben der Ausfuhr von Getreide ist für Moskau der sichere Ölexport über das Schwarze Meer wichtig. Für Lockerungen der Sanktionen gegen Russland müssten die USA Absprachen mit der EU und anderen Ländern treffen. Selenskyj kritisierte die Moskauer Vorbedingungen. "Wir halten das für eine Schwächung der Positionen und eine Schwächung der Sanktionen", sagte er in Kiew.
Was ist mit dem Stopp für Angriffe auf Energieanlagen?
Eine solche auf 30 Tage begrenzte Feuerpause war Anlass der Verhandlungen in Saudi-Arabien. Man sei sich einig, Maßnahmen zu ihrer Umsetzung zu entwickeln, hieß es hinterher vage in den Stellungnahmen aus Washington.
Russland legte am Dienstagabend eine Liste vor, welche Energieanlagen nicht mehr beschossen werden sollen. Dies gelte für Ölraffinerien, Pipelines, Pumpstationen und Speicher für Öl oder Gas, Kraftwerke und Umspannwerke, Atomkraftwerke und Wasserkraftwerke, teilte der Kreml in Moskau mit. Diese Liste sei mit den USA abgesprochen.
Moskau halte sich seit dem 18. März an diese Beschränkung, hieß es zudem. An dem Tag hatten US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin telefoniert. Allerdings hat die russische Armee seitdem weiterhin zivile Objekte wie Wohnhäuser und Schulen in der Ukraine beschossen.
Die Ukraine stimmt dem Stopp der Angriffe auf Energieanlagen grundsätzlich zu. Sie geht aber davon aus, dass es einen von allen drei Seiten festgelegten Beginn und eine Überwachung geben müsste. Moskau sagte, bei einem Verstoß brauche sich die andere Seite nicht mehr an die Vereinbarung gebunden zu fühlen.
Wie reagiert die Führung in Kiew?
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Selenskyj bezeichnete die Treffen in Riad als richtigen Schritt. Er erwarte aber keine unproblematische Umsetzung der Teilwaffenruhe. "Wie sich Russland in den kommenden Tagen verhält, wird viel, wenn nicht alles verraten", sagte er in einer abendlichen Videobotschaft. "Wenn es mehr Luftalarme, mehr militärische Aktivitäten im Schwarzen Meer, mehr russische Manipulationen und Drohungen gibt, dann müssen neue Maßnahmen ergriffen werden – gegen Moskau."
Die USA versprachen der Ukraine, sich weiter für die Rückkehr gefangener Soldaten und Zivilisten und verschleppter Kinder aus Russland einzusetzen.
Bei den Gesprächen zwischen den USA und Russland geht es dem russischen Außenminister Lawrow zufolge auch um andere Dinge als den Ukraine-Krieg. Diskutiert werde, wie Hindernisse für andere gemeinsame Projekte aus dem Weg geräumt werden könnten, zitiert die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass ihn. Dazu gehörten die Bereiche Energie, Weltraum und die Arktis. Seine Regierung gehe nach dem Prinzip "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" vor, sagt Lawrow der Agentur. Eine Stellungnahme der USA lag zunächst nicht vor.
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AfP