Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Joe Bidens Attacke gegen die Tech-Milliardäre Mit letzter Kraft eine letzte Warnung
Mit einer dringenden Warnung vor den Tech-Oligarchen verabschiedet sich Joe Biden aus dem Oval Office. Der US-Präsident hat recht. Wenn Demokraten weltweit jetzt nicht handeln, wird es zu spät sein.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Als Amerikas Präsident in der Nacht seine Worte zum letzten Mal aus dem Oval Office an die Nation richtete, hätte Joe Biden einen ruhigen, feierlichen Ton wählen können. So etwas erwartet man als Abschlusskapitel einer Amtszeit.
Diese war geprägt von Erfolgen, wie einem rekordverdächtigen Wirtschafts- und Jobwachstum. Aber auch von großen Problemen, wie der heftigen Inflation, der illegalen Migration und den vielen Kriegen und Konflikten in der Welt.
So weit, so langweilig wäre das geworden. Doch Joe Biden hat sich glücklicherweise anders entschieden. Er wählte eine leidenschaftliche Warnung. Sie war weniger an Donald Trump gerichtet, seinem Nachfolger wünschte er sogar Glück, sondern an die amerikanische Nation – und den Rest der demokratischen Welt.
Sorgen vor einer zerstörerischen Kraft
Biden attackierte Menschen, die er nicht beim Namen nannte. Von denen aber jeder wusste, wen er meinte: Tech-Milliardäre wie Elon Musk oder Mark Zuckerberg. Das Vermächtnis dieses US-Präsidenten ist diese letzte Warnung an alle: "Heute nimmt in Amerika eine Oligarchie mit unfassbarem Reichtum, Macht und Einfluss Gestalt an, die buchstäblich unsere gesamte Demokratie, unsere Grundrechte und Freiheiten bedroht."
Der zerstörerische Einfluss dieser Menschen und ihrer Unternehmen ist unübersehbar. Denn sie haben nicht nur Geld, sondern vor allem "technologische Macht" über sehr viele Menschen. Joe Bidens Kritik an Elon Musk war unüberhörbar und richtig, auch wenn er seinen Namen nicht aussprach. Musk hat sich mit seinem sozialen Netzwerk X und seinen Technologien nicht nur zur unverzichtbaren Stütze für Trumps Rückkehr ins Weiße Haus gemacht. Er vergiftet damit auch das Denken in demokratischen Gesellschaften.
Auch ein Mann wie der Meta-Boss Mark Zuckerberg trägt erheblich dazu bei. Biden sprach zu Recht davon, dass "die freie Presse zerstört" werde und "Journalisten verschwinden." An ihre Stelle treten nicht nur Plattformen wie X, sondern auch Facebook oder Instagram, die das Überprüfen von Fakten als vermeintliche Zensur jetzt einfach abschaffen wollen.
Macht kaputt, was euch kaputt macht
Biden prangerte berechtigterweise an, dass "Amerikaner unter einer Lawine von Desinformation begraben werden". Und die Worte des US-Präsidenten gelten längst auch für Europa: "Die Wahrheit wird von Lügen überrollt, die aus Macht- und Profitgier erzählt werden."
Was könnte die demokratische Welt retten? Biden zog Parallelen zwischen den heutigen Milliardären und den Raubbaronen mit ihren Öl- und Bankenmonopolen der Vergangenheit. Er rief in Erinnerung, dass Amerikaner einst gegen die Öl-Oligarchen aufstanden und auf diese Weise eine wohlhabende Mittelschicht schufen, die über Generationen hinweg florierte.
Seine Botschaft war damit klar: "Es ist an der Zeit, das erneut zu tun", und er meinte damit nicht weniger, als Tech-Konzerne wie X, Meta oder Google zu zerschlagen. All diese Unternehmen spenden nicht ohne Grund sogar zu Trumps Amtseinführung jetzt erstmals Millionenbeträge. Sie beabsichtigen, sich damit noch mehr Einfluss unter dem neuen Präsidenten zu sichern.
Biden forderte, endlich zu handeln, bevor es zu spät ist. Tatsächlich muss das amerikanische Volk darauf bestehen, dass seine ultrareichen Tech-Milliardäre wie Elon Musk und Mark Zuckerberg nicht über den Gesetzen stehen. Das Motto dabei: Macht kaputt, was euch kaputt macht!
Regeln setzen, anstatt auszusetzen
Es mag sein, dass Künstliche Intelligenz Leben retten, Krankheiten heilen und Gesellschaften positiv verändern kann – aber sie kann auch Rechte, Privatsphäre, Freiheit und Freude nehmen. Auch mit dieser Analyse hat Joe Biden recht.
Nicht die Technologien selbst oder gar ihre Besitzer dürfen über die Regeln für ihren Einsatz entscheiden. Demokratische Gesellschaften müssen die Regeln dafür setzen. Vermeintliche Hürden wie Bürokratie und Regulierung sind in Wahrheit Errungenschaften, wenn sie nicht nur Selbstzweck sind, sondern dem Schutz der Bevölkerung dienen.
Alle, auch die Bürger in Europa, müssen die Macht der Tech-Giganten daher beschränken und sie zur Verantwortung ziehen. Für den Schaden, den ihre Technologien an den Gesellschaften längst angerichtet haben und weiterhin anrichten werden. Sie müssen jetzt sicherstellen, dass KI ethisch eingesetzt wird und nicht ein Werkzeug der wenigen zur Unterdrückung der vielen wird. "Im Zeitalter der KI", sagte Biden zu Recht, "ist es wichtiger denn je, dass das Volk regiert."
Bequemlichkeit zerstört Demokratien
Die Lösung, wie Biden sie skizzierte, erfordert also kollektives Handeln: Dazu braucht es auch eine Reform des Steuersystems. Milliardäre müssen ihren Anteil zahlen. Pervertierte Schattenfinanzierungen in der Politik müssen endlich abgeschafft werden, besonders in den USA. Hier braucht es dringend auch Amtszeitbegrenzungen – ganz besonders im Senat, im Repräsentantenhaus und am obersten Gerichtshof.
Biden sagte zum Abschied: "Jetzt seid ihr an der Reihe, Wache zu halten." Seine letzte Warnung ist keine frohe Botschaft, sondern eine bittere Pflicht für alle. Wer zulässt, dass technologisch organisierte Desinformation und solch ungezügelte Macht Gesellschaften aus Bequemlichkeit überrollen, riskiert am Ende alles.
Glücklicherweise wurde Bidens Abschiedsrede keine langweilige Zusammenfassung seiner Errungenschaften. Sie ist der letzte Appell eines 82-jährigen Präsidenten. Und der zeugte von geistiger Klarheit und Dringlichkeit, wie sie nur fünf Jahrzehnte an Erfahrung mit sich bringen können.
Ignoriert Amerika, ignoriert die freie Welt diesen Aufruf, wird der älteste Mann, der bislang je in diesem Amt war, die letzte Verteidigungslinie gegen die jüngste und gefährlichste Bedrohung der Demokratie gewesen sein.
- Eigene Überlegungen
- Abschiedsrede von US-Präsident Joe Biden vom 15. Januar 2025 (englisch)