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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Düstere Aussagen So stürzt Trump die Welt ins Chaos
Donald Trump definiert Diplomatie neu: Sie bedeutet Macht statt Partnerschaft. Damit droht der amerikanische Präsident, die Welt in seiner zweiten Amtszeit ins Chaos zu stürzen.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Ziemlich sicher wollte Donald Trump an diesem Tag Schlagzeilen machen. 13 Tage vor seiner Amtseinführung am 20. Januar hat der neue US-Präsident darum eine Pressekonferenz in seinem Domizil Mar-a-Lago abgehalten, welche die Welt und gerade den Verbündeten Amerikas das Fürchten lehren soll.
Was Trump in mehr als einer Stunde von sich gegeben hat, bedeutet nach vier Jahren Biden-Regierung erneut eine drastische Verschiebung im Ton der US-Diplomatie. Aber selbst im Vergleich zu Trumps erster Präsidentschaft sind seine Äußerungen geradezu eine tektonische Neudefinition dessen, was in internationalen Beziehungen als akzeptabel gilt. In dieser zweiten Trump-Ära wird alles sagbar.
Auf den ersten Blick mag es wie bloße Rhetorik wirken, wenn Donald Trump etwa den Golf von Mexiko offiziell umbenennen will in den "Golf von Amerika". Zuständig für die international anerkannte Benennung von Meeren ist nämlich nicht Donald Trump, sondern die International Hydrographic Organization (IHO) und die United Nations Group of Experts on Geographical Names (UNGEGN).
Trump geht es also vor allem um nationalistische Symbolik. Doch schon durch sie wird sein Kalkül offensichtlich: Der nächste US-Präsident plant, die Welt mit einem aggressiven, amerikanischen Imperialismus zu überziehen. Um seine Interessen durchzusetzen, droht er verbündeten Staaten nicht nur mit Strafzöllen, sondern sogar mit militärischen Mitteln.
So sagte Trump auf die Nachfrage eines Reporters zu seinem bekundeten Interesse am Kauf von Grönland und der Kontrolle über den Panama-Kanal: "Ich kann Ihnen nicht versichern, [dass kein militärischer Zwang eingesetzt wird]... Wir brauchen [Panama und Grönland] für unsere wirtschaftliche Sicherheit." Weil der Reporter es nicht glauben konnte, fragte er noch einmal nach. Trump erwiderte: "Darauf werde ich mich nicht festlegen. Es kann sein, dass man etwas unternehmen muss."
Trumps neue diplomatische Doktrin
Mit solchen Aussagen provoziert Trump nicht nur, sondern zeigt seine neue diplomatische Doktrin, die auf transaktionalem, unilateralem Handeln basiert. Trumps bislang bloße Rhetorik spiegelt darum schon zum jetzigen Zeitpunkt eine tiefere Realität wider, in der selbst die extremsten Behauptungen – von militärischen Drohungen gegen Verbündete bis hin zur Neuinterpretation nationaler Grenzen – keine Tabus mehr sind.
Die Grenze zwischen Kanada und den USA bezeichnete Trump im weiteren Verlauf der Pressekonferenz als "künstlich gezogene Linie". In Bezug auf den nördlichen Nachbar schloss der künftige Präsident anders als bei Panama und Grönland zwar militärische Gewalt explizit aus. Dennoch machte er keinen Hehl aus seinem Wunsch, Kanada an die USA als 51. Bundesstaat anzugliedern ("Kanada sollte ein Bundesstaat sein"). Dahinter mag in Wahrheit nur der Plan stecken, das Handelsdefizit zu minimieren. Dennoch kündigte Trump dafür "wirtschaftlichen Zwang" als Mittel an.
Mit Nonchalance stellt Trump damit seine außenpolitische Doktrin zur Schau und wirft mal eben ganze Jahrzehnte amerikanischer Diplomatie über Bord. Beziehungen zu Nationen stellen für Amerika unter ihm keine Partnerschaften mehr dar, sondern hierarchisch organisierte Allianzen. Aber was folgt daraus?
Trump propagiert mit seinen Aussagen eine internationale Ordnung nach dem Motto eines weltweiten Wilden Westens. Damit unterscheidet sich der US-Präsident zumindest in seinen Worten nur noch in Nuancen vom russischen Präsidenten Wladimir Putin oder dem chinesischen Staatschef Xi Jinping. Bevor Putin in die Ostukraine einmarschierte, legitimierte er das damit, dass die dort lebenden Russen den Anschluss an Russland wollten und diskriminiert würden. China betrachtet Taiwan ohnehin als eigenes Staatsgebiet. Bei Trump klingt es derzeit so: "Viele Menschen in Kanada wären liebend gerne der 51. Bundesstaat [der USA]."
Trump schafft internationale Unordnung
Was Trump damit schafft, ist mehr als internationale Unordnung. Sollte er seinen Worten Taten folgen lassen, wäre das der Weg in die globale Anarchie.
Nicht nur in Kanada, Dänemark, Grönland und Panama schrillen seit Tagen alle Alarmglocken. Auch die übrigen Nato-Staaten sind jetzt einmal mehr gewarnt. Denn Trump sagte nicht nur öffentlich, er wolle künftig 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von den Bündnispartnern für Verteidigungsausgaben einfordern. Dabei geben selbst die USA als größte Militärmacht der Welt keine 5 Prozent, sondern um die 3,5 Prozent für ihre Armee aus.
Indem Trump seine alte Drohung wiederholte ("Wenn ihr nicht zahlt, werden wir euch nicht beschützen") zeigte er einmal mehr, dass er das kollektive Sicherheitsbedürfnis der westlichen Staaten für sein nationalistisches Geschäftsmodell missbrauchen will. Man muss davon ausgehen, dass Trump die einzelnen Nato-Mitgliedsstaaten und sehr wahrscheinlich auch die der Europäischen Union gegeneinander ausspielen wird. Sollten wir das zulassen, droht nicht weniger als der Zerfall der Nato und der EU.
Ultimaten unter Freunden
Mit seinem ersten öffentlichen Presseauftritt seit seiner Wiederwahl im November sät Trump schon vor seiner zweiten Amtszeit Vertrauensverlust, hauptsächlich unter den westlichen Verbündeten. Wenn die USA jetzt Länder wie Kanada, Dänemark und Panama mit Zöllen oder militärischer Gewalt bedrohen können, was hindert China oder Russland daran, ähnlich zu verfahren, um von den Spaltungen im Westen zu profitieren?
"Wenn Dänemark keine Lösung findet... würde ich sie mit sehr hohen Zöllen belegen", sagte Trump und macht damit Ultimaten unter Verbündeten salonfähig. Trump scheint davon auszugehen, dass den befreundeten Staaten ohnehin nichts anderes übrig bleibt, als ihm Folge zu leisten.
Sollte Trump mit seiner Doktrin erfolgreich sein, wäre das der endgültige Niedergang der sogenannten regelbasierten Ordnung. Dann gilt nur noch das Motto "Macht hat Recht". In dieser neuen Trump-Ära bedeutet Diplomatie nicht mehr gegenseitiges Verständnis, sondern folgt nur noch der Maxime Eigennutz. Der neue Präsident hat an diesem Tag eine Botschaft gesendet: Freundschaft ist optional. Unterwerfung ist obligatorisch.
- Livestream von Donald Trumps Pressekonferenz (englisch)