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Könnte Donald Trump die Nato wirklich verlassen? US-Experte verrät Problem


Interview
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US-Experte verrät das wahre Problem
"Ein offensichtlich dummer Weg"

  • Bastian Brauns
InterviewVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 16.02.2024Lesedauer: 6 Min.
Raus aus der Nato? Donald Trump verschreckt die Partner in Europa.Vergrößern des Bildes
Raus aus der Nato? Donald Trump verschreckt die Partner in Europa. (Quelle: SAM WOLFE)
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Donald Trumps Aussagen über die Nato erschüttern die Partner in Europa. Zu Recht, sagt ein US-Experte. Denn das Bündnis steht auf sehr wackeligen Beinen.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Donald Trump kündigt an, er würde mit den USA im Falle einer zweiten Präsidentschaft aus dem Nato-Bündnis austreten. Ganz so einfach ist dieser Plan allerdings gar nicht umzusetzen. Es gibt mehrere Hürden, die einen solchen Alleingang von Donald Trump verhindern könnten.

Der langjährige amerikanische Nato-Experte Joshua Shifrinson aber warnt im Interview mit t-online: Trump müsste gar nicht austreten, um der Allianz erheblichen Schaden zuzufügen. Die Europäer täten deshalb gut daran, die Aussagen Trumps ernst zu nehmen.

t-online: Herr Shifrinson, Donald Trump, der ehemalige und vielleicht auch künftige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, hat schon mehrfach angekündigt, die Nato verlassen zu wollen. Wäre es denn so einfach für einen US-Präsidenten, aus der Nato auszutreten?

Joshua Shifrinson: Wir müssen zwischen dem Verlassen der Nato im rechtlichen Sinn und einem Austritt im praktischen Sinn unterscheiden. Die USA können technisch gesehen jederzeit aus dem Vertrag austreten, indem sie ihre Absicht bekannt geben und dies nach Ablauf einer bestimmten Zeit in Kraft treten lassen. Der US-Kongress hat aber zuletzt Schritte unternommen, um dem US-Präsidenten zumindest formal zu untersagen, die Nato einfach so zu verlassen.

Der US-Kongress müsste so ein Vorhaben demnach erst absegnen, richtig?

Möglicherweise ja, aber schon das wirft eine sehr komplizierte rechtliche Frage auf. Der US-Präsident ist als Oberbefehlshaber für die Außen- und Verteidigungspolitik zuständig. Darum ist es unklar, ob eine Gewaltenteilung zwischen dem Kongress als Gesetzgebungsorgan und dem Präsidenten als Exekutivorgan überhaupt zulässig ist

Das heißt, über diese neue rechtliche Hürde für den US-Präsidenten müsste am Ende zuerst der Supreme Court als Oberster Gerichtshof entscheiden?

Grundsätzlich ja.

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Sie sagten eingangs, dass es abseits der rechtlichen Fragen bei einem Nato-Austritt um eine ganz praktische gehe.

Ja, denn die größere Frage ist, ob der Präsident die Rolle der USA in der Nato nicht einfach so reduzieren kann – ohne formal aus der Allianz auszutreten. Und die Antwort lautet ganz klar: Ja, das kann er.

Inwiefern?

Der Artikel 5, die Beistandsklausel der Nato besagt zwar, dass ein Angriff auf einen der Partner ein Angriff auf alle ist. Aber es heißt weiter nur, dass alle Parteien sich in diesem Fall dazu verpflichten, jegliche für notwendig erachtete Unterstützung zu leisten. Das garantiert nicht, dass jedes Mitglied der Allianz in den Krieg ziehen muss, sondern eben zu unterstützen, wie es jeweils für notwendig erachtet wird.

Was würde das zum Beispiel bedeuten, wenn Russland einen europäischen Partner angreifen würde?

Im extremen Fall eines Krieges könnte der US-Präsident einfach sagen: Ich halte es nicht für notwendig, meine Truppen in den Krieg zu führen. Hinzu kommt aber, dass der US-Präsident aufgrund seiner Befugnis, die Truppen zu befehligen und Außenpolitikprioritäten zu setzen, beispielsweise Truppen abziehen kann.

So, wie es Donald Trump am Ende seiner Amtszeit schon einmal machen wollte, als er einen erheblichen Teil der US-Truppen aus Deutschland abziehen wollte.

Ja, daran sieht man, dass er gar keine Änderung in irgendeinem Papier benötigt. Die einfache Antwort lautet also: Es könnte schwierig werden, rechtlich auszutreten. Aber es wäre sehr einfach, das amerikanische Engagement für die Nato im praktischen Sinne deutlich zu reduzieren.

Nato-Experte Joshua Shifrinson
Nato-Experte Joshua Shifrinson (Quelle: Richie Downs)

Joshua Shifrinson ist tätig als außerordentlicher Professor am Center for International and Security Studies an der School of Public Policy im US-Bundesstaat Maryland. Als Experte für zeitgenössische internationale Sicherheit forscht er zu amerikanischer Außenpolitik und zu Diplomatie-Geschichte. Zu seinen aktuellen Projekten gehört eine Neubewertung der Ursachen und Folgen der Nato-Erweiterung, der US-Politik gegenüber Russland und China sowie der Entwicklung der amerikanischen Strategie während und nach dem Kalten Krieg.

Das klingt nach einer komplizierten Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten, der Nato und ihren Alliierten. War das schon immer so?

Tatsächlich drohten die USA schon in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren damit, die Verbündeten in Europa im Stich zu lassen. Frankreich, Westdeutschland und Großbritannien hatten Pläne, eine eigene Sicherheitsarchitektur ins Leben zu rufen. Für die USA hätte diese in Konkurrenz zur Nato gestanden. Die Pläne wurden aufgegeben und Amerika blieb auf dem Kontinent engagiert. Aber auch in den 1970er-Jahren forderten US-Senatoren schon, die amerikanische Truppenpräsenz in Europa deutlich zu reduzieren.

Das ist lange her.

Wir sollten nicht vergessen, dass während der Obama-Regierung Verteidigungsminister Robert Gates in seiner letzten Rede die europäischen Verbündeten harsch dafür kritisiert hat, dass sie zu wenig für ihre Verteidigung ausgeben. Gates hat schon damals gewarnt, dass sich am Ende die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten wandeln könnte und die USA ihre Rolle in der Nato kritisch überdenken könnten. Übrigens waren auch die Europäer nicht immer überzeugt vom Nato-Bündnis.

Worauf spielen Sie an?

Frankreich hatte sich unter Charles de Gaulle aus der koordinierenden militärischen Nato-Struktur zurückgezogen und seine Streitkräfte aus den militärischen Plänen der Allianz herausgehalten. Das ist einer der Gründe, warum das Hauptquartier der Nato von Paris nach Brüssel in Belgien verlegt wurde.

Aber wirkt es historisch betrachtet nicht schizophren, dass die USA einerseits eigene europäische Strukturen immer verhindern wollten, sie aber zugleich ein stärkeres Engagement einfordern. Geht es am Ende nicht einfach darum, wer die Kontrolle und damit den Einfluss hat?

Die Frage, wie viel Autonomie die Vereinigten Staaten in Europa sehen möchten, ist eine jahrzehntelange Debatte. In den 1990er-Jahren sagte die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright, dass die USA die Europäische Union und die europäische Autonomie unterstützen würden, vorausgesetzt, dass die EU ihre Sicherheitszusagen nicht vernachlässige und ihre Sicherheitskräfte nicht dupliziere beziehungsweise von der Nato-Allianz trenne. Anders ausgedrückt: Ja, die USA wollen kein gänzlich autonomes Europa. Sie wollen Partner, die die Nato ergänzen und verstärken. Dieses Prinzip ließ sich übrigens sowohl in der Trump- als auch in der Biden-Ära beobachten. Beide Regierungen eint, dass Europa stärker auf eigenen Füßen stehen soll.

Das klingt trotzdem nicht nach einer ganz klaren Linie, an der sich Europa orientieren könnte.

Ganz offensichtlich gibt es auf amerikanischer Seite auch viele Unsicherheiten. Einige Leute aus dem Trump-Lager wollen, dass die USA ganz aus Europa rausgehen. Andere wollen das nicht. Die Leute in der aktuellen Biden-Regierung hingegen haben angesichts der Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine sowie dem Aufstieg Chinas ebenfalls festgestellt, dass die USA noch andere Prioritäten in der Welt haben. Auch aus deren Sicht wäre es besser, wenn die Europäer mehr für die Sicherheit in Europa und im Nahen Osten tun könnten.

Eine Richtung aber kristallisiert sich heraus: Das Interesse an einer autonomeren europäischen Sicherheitsidentität wächst in den amerikanischen außenpolitischen Kreisen. Dieses Thema wird in den kommenden Jahren noch größer, insbesondere angesichts der Haushaltsdrucks und des Gefühls, dass die USA sich auf andere Teile der Welt konzentrieren müssen.

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Immer wieder werden die viel höheren Verteidigungsausgaben der USA im Vergleich zu den europäischen Partnern angeführt. Aber Amerika investiert auch viel in den pazifischen Raum. Wie sieht da eigentlich die prozentuale Verteilung aus?

Das ist gar nicht so einfach zu beziffern, schlicht, weil die USA das nicht so klar getrennt aufschlüsseln. Truppenverbände sind so organisiert, dass sie prinzipiell jederzeit verschiebbar sind. So, dass sie überall auf der Welt eingesetzt werden können. Was sich aber schon deutlich sagen lässt: Gemessen an den Kräften vor Ort liegt der Fokus nach wie vor deutlich in Europa.

Wie sehr sind Sie eigentlich von der aktuellen Debatte um Trumps Äußerungen zur Nato überrascht.

Dass diese Debatte geführt wird, überrascht mich nicht. Aber die Art und Weise, wie sie geführt wird, wundert mich ziemlich. Selbst wenn man Trumps Standpunkt einnehmen möchte, dass die USA Zeit und Aufmerksamkeit auf andere Dinge verwenden sollten. Ich kenne keinen außenpolitischen Experten oder irgendeine außenpolitische Theorie, die dazu raten würde, dass der beste Weg für die USA darin besteht, traditionelle Freunde und Partner zu verärgern. Das ist ein verwirrender, irritierender und offensichtlich dummer Weg, mit dem man vielleicht Geschäfte, aber keine Sicherheitspolitik machen kann.

Und wie schlägt sich Joe Biden in dieser Frage?

Hier bin ich überrascht von der Diskrepanz zwischen dem, was Biden zu Beginn seiner Amtszeit gesagt hat, und dem, was sein Team in letzter Zeit getan hat. Als er antrat, sprach Biden davon, die US-Außenpolitik an die aktuellen Prioritäten anzupassen – zum Beispiel mit einem stärkeren Fokus auf Asien. In der Praxis hat er sich jedoch dagegen gesträubt und in gewisser Weise das Status-quo-Verhalten in Bezug auf Europa und den Nahen Osten sogar verstärkt.

Woran, würden Sie sagen, liegt das?

Die USA scheinen gefangen zwischen konkurrierenden Prioritäten. Einerseits soll der Status quo in Europa bewahrt werden. Es gibt ein Pflichtgefühl, dort nach wie vor für Sicherheit zu sorgen. Andererseits soll umgeschichtet werden in Richtung China. Klar ist aber: Europa ist heute weniger wichtig als zu irgendeinem Zeitpunkt seit dem Zweiten Weltkrieg. Das liegt an geopolitischen Bedingungen, wirtschaftlichen Faktoren und politischen Situationen in den Vereinigten Staaten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Joshua Shifrinson
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