Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Beim rechten US-Sender Fox News Dann wurde Baerbock eine heikle Frage gestellt
Annalena Baerbock hat Fox News ein Interview gegeben. Jenem rechten US-Sender, der Trump groß und seine Lügen hoffähig gemacht hat. Was hat sie sich dabei gedacht?
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Mehrfach schon hatte der rechte US-Sender Fox News bei Annalena Baerbock angefragt. Dieses Mal hat es geklappt. Die deutsche Außenministerin erklärte sich bereit, ausgerechnet jenem Fernsehkanal ein Live-Interview zu geben, der Donald Trump einst groß gemacht hat.
Fox News ist zudem der Sender, der nach der vergangenen Präsidentschaftswahl Trumps Lügen vom massenhaften Wahlbetrug millionenfach unter das amerikanische Volk brachte. Wegen seiner Falschbehauptungen zu angeblich manipulierten Wahlmaschinen musste er sogar eine hohe Strafe zahlen. Der Sender gehört dem einflussreichen US-Medienmogul Rupert Murdoch.
Warum also hat sich Annalena Baerbock bereiterklärt, diesem umstrittenen Sender ein Interview zu geben? Beteiligt sie sich damit nicht an einer Normalisierung von Populisten?
Eine neue Strategie im Außenamt
Die deutsche Außenministerin hat diesmal einer Interviewanfrage des Senders zugestimmt, weil sie glaubt, auf diese Weise jenen großen Teil der Amerikaner mit ihrer Botschaft zu erreichen, der nicht die Demokraten wählt und der nicht die linken Sender CNN, NBC oder ABC anschaut.
Das Fox-News-Interview ist der vorläufige Abschluss einer außenpolitischen Strategie, mit der die deutsche Außenministerin in die USA gereist ist. Wie ein roter Faden zog sich diese durch ihre ersten drei Tage: ob in Texas bei dem republikanischen Gouverneur Greg Abbott, ob bei den konservativen Senatoren und Kongressleuten, die sie im Kapitol in Washington zu Gesprächen traf oder eben am Donnerstagabend bei Fox News live.
Die Strategie lautete kurz gesagt: raus aus der Komfortzone. Weg von den demokratischen Wohlfühl-Veranstaltungen. Weg auch von den urbanen Küstenstädten. Hin zu jenen Kräften, die den deutschen Interessen in der Welt gefährlich werden könnten, also zu den Republikanern und ihren Wählern in den eher ländlichen Gegenden Amerikas. Hin auch zu Leuten, denen die Ausgaben für die Ukraine längst zu hoch sind und die mit "America First" eher in den Isolationismus gehen und Europa sich selbst überlassen wollen.
Klingt gut, aber was bringt das?
So weit der Plan. Aber kann er auch aufgehen? Zur Ehrlichkeit gehört, dass Fox News längst nicht mehr der extremste Sender im rechten Spektrum der USA ist. Andere Kanäle wie Newsmaxx oder RSBN positionieren sich offen rechtsextrem und verschwörungstheoretisch. Die beiden Moderatoren, die Baerbock am Donnerstagabend interviewten, sind außerdem vom eher harmlosen Kaliber bei Fox News. Ihre Fragen waren ausgesprochen freundlich und offen. Die Außenministerin kam nie unter Druck, konnte ihre Botschaften einfach platzieren.
Ihre Gesprächspartner im Kongress in den Stunden zuvor gehörten darüber hinaus überwiegend jener Fraktion der Republikaner an, die eigentlich klar für die Unterstützung der Ukraine ist. Der Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, setzte die Biden-Regierung etwa regelmäßig damit unter Druck, zu wenig für die Ukraine zu tun. Kampfjets forderten vor allem und zuerst die Republikaner. Doch schon die Gespräche mit diesen moderateren Republikanern bedeuten für die deutsche Außenministerin einen Kraftakt, liegen ihre Positionen doch in vielen anderen Bereichen weit auseinander, etwa bei der Klimapolitik. Aus deutscher Sicht sind sie dennoch wichtig, denn womöglich haben sie noch Einfluss auf den radikaleren Teil der Partei.
China ist das Lockmittel für die USA
Annalena Baerbocks stärkstes Argument bei den Republikanern und deren Wählern in Bezug auf die Ukraine-Unterstützung ist China. Die Außenministerin sprach das bei Greg Abbott an, bei den Senatoren im Kapitol und dann auch öffentlich beim Sender Fox News. Um diesen Punkt deutlich zu machen, ließ sie mitten im Interview sogar eine diplomatische Bombe platzen: "Wenn Putin diesen Krieg gewinnen würde, was für ein Zeichen wäre das?", fragte Baerbock rhetorisch und fuhr fort: "Was für ein Zeichen wäre das für die anderen Diktatoren in der Welt wie Xi, den chinesischen Präsidenten?" Aus diesem Grund, so Baerbock, müsse die Ukraine diesen Krieg gewinnen. Und es müsse dafür gekämpft werden, dass die regelbasierte Ordnung aufrechterhalten wird.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Der chinesische Präsident Xi Jinping mag ein Diktator sein. So deutlich aber sprechen das die Mitglieder der deutschen Bundesregierung bislang kaum aus. Denn es dürfte in China nicht gern gehört werden. Dass Baerbock eine mögliche Verstimmung mit Peking in Kauf nimmt, kann viele Gründe haben: Vielleicht ist ihr diese Deutlichkeit nur herausgerutscht. Vielleicht will sie ihre ehrliche Überzeugung aber auch einfach zum Ausdruck bringen.
In jedem Fall hat sie mit der Attacke gegen Xi eine Botschaft in Amerika in beiden politischen Lagern platziert: Wir, Europa und die USA, haben ein gemeinsames transatlantisches Interesse daran, dass Putin scheitert. Sonst droht sein Beispiel Schule zu machen. Ein Krieg für den Frieden im weit entfernten Taiwan lässt sich den amerikanischen Wählern womöglich noch schlechter verkaufen als die Unterstützung für die Ukraine.
Fallen die Amerikaner bald aus?
Die Sorge vor einem Ausfallen der Amerikaner als mit Abstand größte finanzielle und militärische Unterstützer der Ukraine ist nicht unberechtigt. Im beginnenden Wahlkampf werden die Fragen der US-Bevölkerung drängender. Warum sie immer weniger in der Tasche haben, während gleichzeitig so viel amerikanisches Steuergeld in die Unterstützung der Ukrainer fließt? Diese Plus-Minus-Rechnung mag zu einfach und kurzsichtig sein, im Wahlverhalten spielt sie aber womöglich eine große Rolle.
Mit dem Begriff "transatlantische Partnerschaft" lässt sich in Amerika jedenfalls kaum ein Wahlkampf gewinnen. Dann schon eher damit, zu fordern, dass Deutschland und die Europäer endlich auf eigenen Beinen stehen sollen.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Die wirklich entscheidende Frage
Von der heiklen Frage nach mehr militärischer Eigenständigkeit wurde Annalena Baerbock bei Fox News verschont. Gestellt wurde sie ihr dafür in Washington ausgerechnet von jungen Studentinnen und Studenten an der berühmten, von Schwarzen geprägten Washingtoner Howard-Universität. Bei einer vom Auswärtigen Amt geplanten Diskussionsrunde fragte eine junge Studentin die wahrscheinlich entscheidendste aller Fragen für die kommenden Jahre.
Sie lautete: "Wollen Sie bei der Verteidigung und beim Militär mit der EU mehr Verantwortung übernehmen, oder soll das eine nationale Aufgabe bleiben?" Und Baerbock reagierte sichtlich beeindruckt: "Nun, Sie analysieren das bereits perfekt." Die Studentin legte den Finger in die Wunde. Denn Deutschland hat zwar geliefert bei der Unabhängigkeit vom russischen Erdgas. Und die Bundesregierung nähert sich allmählich dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato-Mitglieder, die sich darauf verpflichtet haben, diesen Anteil ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben.
Woran es aber nach wie vor fehlt, ist nicht nur eine gemeinsame europäische China-Strategie, sondern auch ein gemeinsames militärisches Verteidigungskonzept der EU. Das wird das wahrscheinlich dickste Brett, das die Bundesregierung in den kommenden Jahren zu bohren hat. Wäre man damit erfolgreich, könnte das bei den Amerikanern nachhaltig die Glaubwürdigkeit stärken. Die Interviews, Besuche und Gespräche von Annalena Baerbock sind dafür ein Anfang. Wer später aber nicht liefert, wird irgendwann nicht mehr eingeladen.
- Eigene Recherchen vor Ort