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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Anklage gegen Trump Er könnte den Rest seines Lebens im Gefängnis sitzen
Nun wird es ernst für Donald Trump. Nach dem Sturm auf das US-Kapitol 2021 muss sich der frühere Präsident vor Gericht verantworten. Die Anklage ist politisch heikel. Könnte er tatsächlich im Gefängnis landen? Ein Überblick.
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Es war ein Schock für die USA und die Weltöffentlichkeit. Tausende radikale Trump-Anhänger stürmten nach einer Rede des früheren US-Präsidenten am 6. Januar 2021 den US-Kongress, als dort der Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl 2020 bestätigt werden sollte. Donald Trump hatte seine Anhänger zuvor dazu aufgerufen, zum Kapitol zu marschieren und "auf Teufel komm raus" zu kämpfen. Die Folge: Fünf Menschen kamen ums Leben. Etliche Personen wurden verletzt, unter ihnen 140 Polizisten.
Trägt Trump daran eine Mitschuld? Nach seiner Wahlniederlage hatte er immer wieder seine Anhänger angestachelt, hatte ohne Beweise von Wahlbetrug und von einer "gestohlenen Wahl" gesprochen. Dafür muss er sich nun in einem historischen Prozess vor Gericht verantworten. t-online gibt einen Überblick über die wichtigsten Fragen zur Anklage gegen Donald Trump.
Was wird Trump vorgeworfen?
Die Vorwürfe wiegen schwer. Der vom Justizministerium ernannte Sonderermittler Jack Smith legte am Dienstag eine Anklageschrift vor, in der Trump in Zusammenhang mit der Erstürmung des Kapitols vier Anklagepunkte zur Last gelegt werden, darunter Verschwörung zum Betrug gegen die Vereinigten Staaten. Für zwei der Anklagepunkte drohen Gefängnisstrafen von bis zu 20 Jahren.
In der 45-seitigen Anklageschrift heißt es, Trump habe kurz nach dem Wahltag am 3. November 2020 seinen "kriminellen Plan" gestartet. Absicht der Verschwörung sei demnach gewesen, "die legitimen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl 2020 unter der Verwendung wissentlich falscher Vorwürfe des Wahlbetrugs zu kippen". Vor Journalisten sagte Sonderermittler Smith, die Erstürmung des Kapitols sei ein "nie da gewesener Angriff auf den Sitz der amerikanischen Demokratie" gewesen.
Weiter wird dem früheren US-Präsidenten vorgeworfen, er habe wider besseres Wissen falsche Behauptungen über die Wahl verbreitet und dafür auch Personen im Justizministerium instrumentalisiert. "Trotz seiner Niederlage war der Beschuldigte entschlossen, an der Macht zu bleiben", heißt es in der Anklageschrift. Trump habe gewusst, dass seine Betrugsbehauptungen nicht wahr seien. Er "schaffte eine intensive landesweite Atmosphäre des Misstrauens und der Wut und untergrub das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Durchführung der Wahl".
Trump habe wissentlich eine Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten angeführt. Als Instrumente nennt die Anklageschrift falsche Behauptungen, die Aufstellung falscher Wahlleute, den Missbrauch staatlicher Stellen und den Versuch, Vizepräsident Mike Pence als Handlanger in seinem Komplott zu nutzen. Dies habe auch zum Kapitol-Sturm geführt.
Trump hatte Pence, der die Kongresssitzung am 6. Januar 2021 in seiner Rolle als Vizepräsident leitete, damals offen dazu aufgerufen, das Prozedere zur Bestätigung von Bidens Wahlsieg zu blockieren. Als Pence sich weigerte, hetzte Trump seine Anhänger gegen den Vize auf. Der Mob johlte an jenem Tag unter anderem "Hängt Pence".
Welche Strafe droht dem Ex-Präsidenten?
Bei einer Verurteilung und der Höchststrafe für die Anklagepunkte könnte Trump bis an sein Lebensende im Gefängnis sitzen. Auf Verschwörung zur Behinderung eines offiziellen Verfahrens und auf Behinderung eines offiziellen Verfahrens stehen in den USA jeweils bis zu 20 Jahre Haft. Sollte der 77-Jährige in mindestens einem der vier Anklagepunkte schuldig gesprochen werden, droht ihm zumindest eine mehrjährige Haftstrafe.
Die Frage ist, was Trump am Ende zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Für den Straftatbestand der Verschwörung, um andere an der Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte zu hindern, könnte er mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden – für eine Verschwörung zum Betrug an den USA dagegen mit bis zu fünf Jahren.
Wie reagiert Trump?
Mit einer Mischung aus Wut und Verschwörungslügen. Für den Ex-Präsidenten ist offenbar auch diese Anklage ein Mittel seiner politischen Gegner, um seine Rückkehr ins Weiße Haus zu verhindern. Trumps Wahlkampfteam wetterte, die neue Anklage sei ein weiterer Versuch der Regierung von Präsident Joe Biden, in die Präsidentschaftswahl 2024 einzugreifen. Dies erinnere an das Vorgehen in Nazideutschland und anderen autoritären Regimen. Trump habe stets das Gesetz befolgt.
Auf seiner Social-Media-Plattform deutete Trump wiederum an, dass seine Verteidigung teilweise argumentieren werde, dass er wirklich gedacht habe, die Präsidentschaftswahl sei "gestohlen" worden. "Ich habe das Recht, gegen eine Wahl zu protestieren, von der ich fest überzeugt bin, dass sie gefälscht und gestohlen wurde, so wie es die Demokraten 2016 gegen mich getan haben und wie es viele andere im Laufe der Zeit getan haben", schrieb der 77-Jährige auf "Truth Social".
Wird Trump persönlich vor Gericht erscheinen?
Das ist noch unklar. Einer seiner Anwälte, John Lauro, hat ins Spiel gebracht, dass der Ex-Präsident nur virtuell erscheinen könnte. Dies hänge letztlich vom Gericht ab.
Wie lange wird der Prozess gegen Trump dauern?
Ziel der Verantwortlichen ist es, den Prozess schnell abzuschließen. US-Sonderermittler Jack Smith ist um hohes Tempo bemüht. "In diesem Fall wird sich mein Büro um ein zügiges Verfahren bemühen, damit unsere Beweise vor Gericht geprüft und für richtig befunden werden können", sagte Smith.
Trump dagegen hat wahrscheinlich nicht wirklich ein Interesse daran, dass der Prozess schnell abgeschlossen wird, da ein möglicher Schuldspruch seine Chancen bei einer möglichen Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 2024 schmälern könnte.
Gibt es weitere Anklagen gegen Trump?
Ja. Es ist bereits die zweite Anklage auf Bundesebene gegen den 77-Jährigen und die insgesamt dritte Anklage gegen ihn wegen einer Straftat. Der frühere US-Präsident steckt wegen unterschiedlicher Vorwürfe in juristischen Schwierigkeiten.
In den vergangenen Monaten war Trump bereits in zwei anderen Fällen angeklagt worden: zunächst im Frühling in New York im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar. Damit war der Republikaner der erste Ex-Präsident in der US-Geschichte, gegen den wegen einer Straftat Anklage erhoben wurde. Im Juni folgte eine weitere Anklage in Miami, weil Trump Regierungsdokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe nach seiner Amtszeit in seinem Anwesen Mar-a-Lago aufbewahrt und nach Aufforderung nicht zurückgegeben hatte. Er plädierte in beiden Fällen auf nicht schuldig.
Außerdem könnte ihm eine weitere Anklage bevorstehen: Im Bundesstaat Georgia ermittelte die Staatsanwaltschaft zweieinhalb Jahre lang ebenfalls wegen Trumps Rolle nach der Wahl 2020. Eine Entscheidung über eine etwaige Anklage steht noch aus.
Was bedeutet die Anklage für Trumps Präsidentschaftskandidatur?
Kurzfristig ändert die Anklage nichts an dem Plan Trumps, erneut US-Präsident zu werden. Seine Anwälte dürften versuchen, das Verfahren möglichst lange hinauszuzögern. Ob es bis zur Präsidentschaftswahl Anfang November 2024 ein rechtskräftiges Urteil in diesem Fall geben wird, ist fraglich.
Schon nach seiner ersten Anklage auf Bundesebene hatte Trump erklärt, dass er seine Kandidatur nicht zurückziehen werde. Bemerkenswert ist dabei: Seiner Beliebtheit haben die Anklagen bisher nicht geschadet. Laut einer Umfrage der "New York Times" Ende Juli standen 54 Prozent der republikanischen Wähler hinter ihm. Er liegt im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur deutlich in Führung. Warum, das können Sie hier ausführlicher lesen.
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Laut verschiedenen Umfragen liegt der amtierende Präsident Joe Biden zwar vor Donald Trump. Eine mögliche erneute Wahl zwischen den beiden Kandidaten wird allerdings nicht über diese sogenannten "popular votes" der Wählerinnen und Wähler entschieden, sondern über ein kompliziertes System aus Wahlmännern und Wahlfrauen. Schon jetzt zeichnet sich darum wieder ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Die Ergebnisse einzelner Bundesstaaten, wie Arizona, Georgia, Nevada und Pennsylvania werden am Ende darüber entscheiden, wer ins Weiße Haus einziehen darf.
Wie geht es weiter?
Trump wird sich am Donnerstag vor dem Bundesgericht in Washington verantworten müssen. Doch dem ganzen Land stehen wohl stürmische Zeiten bevor. Sollte Trump die Anklage unbeschadet überstehen, könnten Radikale das als Freibrief verstehen, ein unliebsames Wahlergebnis nicht zu akzeptieren und einen friedlichen Amtswechsel zu behindern.
Sollte Trump verurteilt werden, könnte das wiederum enorme gesellschaftliche Verwerfungen in dem politisch tief gespaltenen Land auslösen.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- nytimes.com: "Trump Crushing DeSantis and G.O.P. Rivals, Times/Siena Poll Finds" (englisch)
- tagesschau.de: "Was bedeutet die Anklage für Trump?"
- zeit.de: "45 Seiten Unvorstellbares"
- Eigene Recherche