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14 Seiten Wut
Trumps verräterischer Brief

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 15.10.2022Lesedauer: 4 Min.
"Wir fordern Antworten auf das Verbrechen des Jahrhunderts": Trump im VerteidigungskampfVergrößern des Bildes
"Wir fordern Antworten auf das Verbrechen des Jahrhunderts": Trump im Verteidigungskampf. (Quelle: IMAGO/Adrien Fillon)

Wird Donald Trump endlich zum Aufstand am 6. Januar aussagen? Wird er die Bühne für sich nutzen? Vieles spricht dafür, allerdings anders als seine Gegner es sich wünschen.

Auffallend lange dauerte es, bis Donald Trump reagierte. Gewöhnlicherweise verteilt dieser Mann seine Gefühlsregungen schnell über die sozialen Netzwerke. Dieses Mal aber wählte er einen anderen Weg. Der Ex-Präsident entschied sich für einen Brief der Empörung. Überschrieben mit den Worten "Friedvoll und Patriotisch" richtete Trump ein regelrechtes Wutschreiben an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses zum 6. Januar, Bennie Thompson.

Trump zieht in seinem 14 Seiten langen Brief über das Gremium aus "linksradikalen Demokraten" her und verteidigt die Gewalttäter vom 6. Januar als "amerikanische Patrioten", die eine "gestohlene Wahl" lediglich "hinterfragt" hätten. Alles aber eben friedvoll. Denn die Gewalt, so die Lügen Donald Trumps, hätte die Antifa entfacht.

Das Gremium solle eher gegen den behaupteten (widerlegten) Wahlbetrug vorgehen, anstatt das Leben "besorgter amerikanischer Bürger" zu zerstören. Eine Anspielung auf die nach Meinung der Trumpisten "politischen Gefangenen", also die bereits verurteilten Straftäter.

Das von den Demokraten geschaffene Komitee des US-Kongresses hatte am Donnerstag einstimmig beschlossen, Trump offiziell als Zeugen vorzuladen. Während das Gremium einerseits dafür kritisiert wird, lediglich ein politisches Manöver zu veranstalten, freuen sich Befürworter darüber, dass es endlich so weit ist. Unter Eid aussagen, den scharfen Fragen der Kongressabgeordneten Rede und Antwort stehen, das mussten bislang nur wenige amerikanische Präsidenten. Darunter etwa Richard Nixon, der einst wegen der sogenannten Watergate-Affäre zurücktreten musste.

Den Fakten des Untersuchungsausschusses stellt Trump in seinem Brief seine ganz eigene Sicht auf die Geschehnisse gegenüber. Angehängt an das auf seiner Plattform "Truth" verbreitete Schreiben hat er zudem Fotos der Menschenmenge (kurz vor dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar), die belegen sollen, wie friedlich alles gewesen sei. Dabei hatte Trump trotz Sicherheitswarnungen die aufgestellten Kontrollpunkte mit Metalldetektoren abbauen lassen.

Der Brief bleibt insgesamt eine Aneinanderreihung von Trumps altbekannten Lügen. Er beklagt eine "Hexenjagd auf höchster Ebene" und spricht immer wieder von einem frei erfundenen "Wahlbetrug", den er überdies aufbläst zum "Verbrechen des Jahrhunderts".

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Wird Trump aussagen müssen?

Die wichtigste Frage, die in Washington seither die Nachrichten bestimmt, beantwortete Trump in seinem Brief nicht: Wird der Ex-Präsident der Vorladung des Kongresses nachkommen oder nicht? Dass Trump diese Frage bislang offenlässt, passt zu dem von ihm geliebten Katz-und-Maus-Spiel, das er beherrscht wie sonst kaum einer.

Mag Trump seine Strategie noch nicht verraten, so lassen sich zumindest Schlüsse aus seinem bisherigen Verhalten ziehen. Immerhin hatte er seine Mitstreiter von Beginn an unter Druck gesetzt, nicht mit dem Untersuchungsausschuss zu kooperieren:

  • Die Vorladung juristisch zu bekämpfen, erscheint demnach als wahrscheinlichstes Vorgehen. Trump beruft sich als ehemaliger Präsident auf ein sogenanntes Exekutivprivileg, wonach Gesprächsinhalte und Dokumente vertraulich behandelt werden müssten. Diese Argumentation half allerdings auch schon seinen Mitstreitern nicht, die aussagen mussten. Trump setzt allerdings seit jeher ein Heer von Anwälten darauf an, die für seine Fälle zuständigen Gerichte im Land zu beschäftigen. Zuletzt wurde das deutlich, nachdem das FBI seinen Wohnsitz in Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida nach dort illegal gelagerten Regierungsdokumenten durchsucht hatte. Ein Bundesgericht sollte verhindern, dass der Generalstaatsanwalt die beschlagnahmten Papiere überhaupt zu Ermittlungszwecken gegen Trump verwenden darf. Mit diesem Vorhaben ist der Ex-Präsident inzwischen zwar gescheitert, er hat aber wieder mal ein wenig Zeit gewonnen.
  • Das Verfahren zu verzögern, geht mit dieser Strategie also einher. Indem Trump mit Rechtsstreitigkeiten Zeit schindet, kann er zum Beispiel auf das Ergebnis der Zwischenwahlen Anfang November hoffen. Die Republikaner könnten dann womöglich zumindest die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückgewinnen. Trumps Hoffnung: Die Abgeordneten seiner Partei und deren wahrscheinlicher Sprecher Kevin McCarthy könnten die Vorladung von Trump aufheben. Und noch mehr: Die Republikaner liebäugeln ihrerseits schon lange mit einem eigenen Amtsenthebungsverfahren, allerdings gegen den amtierenden Präsidenten Joe Biden.
  • Die Vorladung einfach zu ignorieren, würde immerhin in das Muster vieler Trumpisten passen, die Institutionen der USA nicht zu respektieren. Den Untersuchungsausschuss diffamiert Trump beispielsweise regelmäßig als "nicht gewähltes Komitee". Sein früherer Berater, der Rechtsextremist Steve Bannon, ignorierte bereits eine ebensolche Vorladung des Ausschusses. Im Juli war Bannon wegen "Missachtung des Kongresses" von einer Jury schuldig gesprochen worden. Das Strafmaß soll am 21. Oktober verkündet werden. Es drohen ihm eine hohe Geldstrafe und sogar bis zu zwei Jahre Haft. Würde ein solches Urteil schließlich auch Trump treffen, könnte er rein rechtlich allerdings trotzdem als Präsidentschaftskandidat antreten.
  • Die Vorladung zu akzeptieren, scheint zwar unwahrscheinlich, aber angesichts Trumps teils unvorhersehbarer Schritte auch nicht unmöglich. Rechtlich hätte der Ex-Präsident dann noch immer die Möglichkeit, von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Der fünfte Verfassungszusatz der amerikanischen Verfassung regelt, dass niemand bei einer Untersuchung gegen sich selbst aussagen muss. Das könnte jedoch als Schuldeingeständnis gewertet werden. Ob sich Trump diese Blöße geben will, erscheint dann doch wieder äußerst unwahrscheinlich.

Sollte Trump die Vorladung des Untersuchungsausschusses anfechten oder ignorieren, würde somit ein weiteres gegen ihn laufendes Verfahren auf einer ohnehin sehr langen Liste hinzukommen. Für viele steht schon jetzt fest: Trump ist ein Jahrhundertverbrecher.

Damit seine Anhänger sich daran aber weiterhin nicht stören, werden sie auf allen erdenklichen Kanälen weiter rund um die Uhr mit Trumps Großartigkeit beschallt und um Spenden für kommende Wahlkämpfe angebettelt. Für sie ist Trump quasi eh noch immer im Amt.

"Befürwortest du, wie Präsident Trump dafür arbeitet, Amerika zu retten?" – so lautet der Aufruf in nur einer von zahlreichen E-Mails, die seine Kampagnenseiten täglich verschicken. Es überrasche ihn nicht, wie hoch seine Zustimmungswerte seien, ist in diesem Schreiben an seine Fans zu lesen. Denn er kämpfe täglich für die Rettung Amerikas. "Nur darum hasst mich das Establishment."

Trumps unendliche Geschichte vom vermeintlichen Kampf gegen die Eliten geht weiter. Vermutlich so lange, bis er darauf selbst keine Lust mehr hat.

Verwendete Quellen
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