Krieg in Ukraine? China geht auf Abstand zu Putin
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der Schulterschluss von Wladimir Putin mit Xi Jinping bereitete dem Westen Sorgen. Wie steht China zu dem drohenden Angriff Russlands auf die Ukraine? Der Außenminister lieferte eine überraschende Antwort.
Endlich schweigt China nicht mehr zu der Kriegsgefahr in Osteuropa – das ist eine der wichtigsten Nachrichten des Tages. Es passiert nicht oft, dass die chinesische Führung mit dem Westen öffentlich über politische Fragen diskutiert. Doch Chinas Außenminister Wang Yi nahm am Samstag an der Münchner Sicherheitskonferenz teil und gab dabei einen deutlichen Einblick in die chinesische Lesart der gegenwärtigen Konflikte.
Im Westen gab es zuletzt große Sorge über den Schulterschluss des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seines chinesischen Amtskollegen Xi Jinping, die zum Auftakt der Olympischen Winterspiele in Peking eine gemeinsame Geostrategie verkündeten. Doch der Ukraine-Konflikt zeigt: China kann eine russische Invasion in dem Nachbarland nicht unterstützen – zumindest nicht öffentlich.
Die Volksrepublik will auch außenpolitisch "das Reich der Mitte" sein und spricht sich gegen eine neue Blockbildung aus. Deshalb kritisiert die chinesische Führung in München Russland und die Nato gleichermaßen. Putin verstößt momentan gegen eines der wichtigsten außenpolitischen Prinzipien Chinas: Er mischt sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ein.
"Niemals auf Kosten eines anderen Landes"
Deshalb ist der Auftritt von Außenminister Wang Yi auf der Sicherheitskonferenz auch ein Signal. Russland hatte die Einladung nach München ausgeschlagen. Wang Yi war sich darüber bewusst, dass er auf den Konflikt in der Ukraine angesprochen werden würde und nutzte die Gelegenheit, um die Position der Volksrepublik zu erörtern. "Die Sicherheit eines Landes sollte niemals auf Kosten eines anderen Landes gehen", sagte Wang. "Die Integrität eines jeden Landes sollte geschützt werden. Die Ukraine ist dabei keine Ausnahme."
China spricht sich in dem Konflikt für eine diplomatische Lösung und zur Rückkehr zum Minsker Abkommen aus. "Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg und keine neue Blockbildung", erklärte der chinesische Außenminister. "China unterstützt eine Weltordnung auf Basis der Charta der Vereinten Nationen."
Dabei sei es nun an der Zeit, dass alle Länder in dem Konflikt mehr Verantwortung übernehmen. "Warum können sich nicht alle Seiten zusammensetzen und detailliert Gespräche führen und einen Zeitplan erarbeiten, wie dieses Abkommen umgesetzt werden kann?", sagte Wang Yi am Samstag laut Übersetzung. "Das ist das, was alle Parteien tun sollten, worauf sie sich konzentrieren sollen – anstatt die Spannungen zu erhöhen, Panik zu schüren und vielleicht sogar noch das Risiko eines Krieges zu sensationalisieren."
Chinesische Doppeldeutigkeit
Die Ausführungen von Wang Yi an diesem Samstag waren nicht ganz aufrichtig, schließlich kündigte die Volksrepublik offen die Eroberung Taiwans an. Mit einer aggressiven Inselpolitik baut das Land seine Territorien im Südchinesischen Meer aus. Doch die Darstellung der chinesischen Führung zeigt vor allem, dass sich China als verantwortungsvolle Supermacht präsentieren will, welche zum Dialog aufruft, um regionale Konflikte zu lösen.
Vieles von dem, was Wang Yi in München sagte, kann deshalb doppeldeutig verstanden werden. "Große Länder müssen mit gutem Beispiel vorangehen, China tut das schon lange", meinte der Außenminister. Sein Land wehre sich gegen einseitige Sanktionen, "Mobbing" und "Hegemonie". "Nicht einmal eine Supermacht sollte sich über das Völkerrecht stellen."
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Das ist wahrscheinlich als Kritik an die USA gemeint, kann aber auch auf Putins Kriegspolitik in der Ukraine gemünzt werden. Letztlich verfolgt China eben diese strategische Doppeldeutigkeit und versucht damit, die Europäische Union etwas aus dem transatlantischen Bündnis zu lösen. Man erhoffe sich mehr Autonomie der EU, erklärte Wang Yi auf der Sicherheitskonferenz.
"Die Nato ist ein Produkt des Kalten Krieges"
China wandte sich bei der Gelegenheit allerdings erneut gegen eine Osterweiterung der Nato. "Der Kalte Krieg ist lang vorbei, die Nato war ein Produkt der Zeit des Kalten Krieges", sagte er und machte deutlich, dass eine Ausweitung nach Osten aus Sicht Chinas kaum dauerhaft Frieden und Sicherheit in Europa garantieren könne.
Vor dem Hintergrund ihrer Spannungen mit den USA waren Russland und China zuletzt enger zusammengerückt. Beide Länder forderten in einer gemeinsamen Erklärung unter anderem ein Ende der Nato-Osterweiterung. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bei einem Besuch in Peking bei Staats- und Parteichef Xi Jinping vor Beginn der Olympischen Winterspiele zudem Rückendeckung auch in der Ukraine-Krise bekommen.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa