Nach Putsch in Myanmar Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi verurteilt
Aung San Suu Kyi sitzt seit dem Militärputsch von Anfang Februar in Myanmar im Hausarrest. Die Junta wirft ihr zahlreiche Vergehen vor. Jetzt fielen die ersten Urteile.
In Myanmar hat ein Gericht die entmachtete Regierungschefin Aung San Suu Kyi in zwei Anklagepunkten schuldig gesprochen. Sowohl Suu Kyi als auch der entmachtete Präsident Win Myint mussten sich wegen Anstiftung zum Aufruhr und der Verletzung von Corona-Maßnahmen verantworten, berichteten mit dem Verfahren vertraute Personen am Montag.
Das Strafmaß für Suu Kyi und Myint wurde zunächst auf vier Jahre festgesetzt. Die Militärjunta verkürzte die Haftstrafen jedoch wenig später auf zwei Jahre. Juntachef Min Aung Hlaing erlasse Suu Kyi und Myint zwei Jahre Haft, meldete das staatliche Fernsehen am Montag.
Die 76-jährige Suu Kyi steht seit dem Militärputsch von Anfang Februar unter Hausarrest. Ob die Friedensnobelpreisträgerin tatsächlich ins Gefängnis muss oder im häuslichen Arrest verbleiben darf, war zunächst unklar. Die Justiz wirft Suu Kyi noch mehrere weitere Vergehen vor, darunter Verstöße gegen die Außenhandelsgesetze, Korruption und Wahlbetrug.
Junta verhängte Nachrichtensperre vor dem Prozess
Der Vorwurf der Anstiftung zum Aufruhr bezog sich auf Stellungnahmen von Suu Kyis Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) kurz nach dem Militärputsch, in denen sie die Machtübernahme der Generäle verurteilt hatte. Die Anklage wegen Verstößen gegen Corona-Auflagen steht im Zusammenhang mit der Parlamentswahl 2020, bei der die NLD einen klaren Sieg errungen hatte. Die genauen Vorwürfe sind unklar, da die Junta vor dem Prozess eine Nachrichtensperre verhängt hatte.
Journalisten waren zu dem Verfahren vor einem Sondergericht in der Hauptstadt Naypyidaw nicht zugelassen. Suu Kyis Anwälte durften zuletzt auch nicht mehr mit Journalisten sprechen.
Nach dem Urteil wurden Suu Kyi und Win Myint zunächst nicht ins Gefängnis gebracht. "Ihnen werden an den Orten, an denen sie sich jetzt aufhalten, weitere Prozesse gemacht", sagte der Junta-Sprecher Zaw Min Tun mit Blick auf ihren Arrest in Naypyidaw. Einzelheiten nannte er nicht. Experten halten es für möglich, dass Suu Kyi ihre Strafe auch im Hausarrest absitzen kann.
Amnesty International: "Absurde und korrupte Entscheidung"
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte die "absurde und korrupte" Entscheidung des Gerichts. "Die harten Urteile, die gegen Aung San Suu Kyi wegen dieser falschen Anschuldigungen verhängt wurden, sind das jüngste Beispiel für die Entschlossenheit des Militärs, jede Opposition zu beseitigen und die Freiheiten in Myanmar zu ersticken", sagte die stellvertretende Kampagnen-Direktorin von Amnesty in Südostasien, Ming Yu Hah.
Der Myanmar-Experte der International Crisis Group, Richard Horsey, bezeichnete die Urteile als "Vergeltung und Machtdemonstration des Militärs".
Durch den Militärputsch im Februar war eine kurze Phase der Demokratisierung Myanmars beendet worden. Das Militär hatte seine Machtübernahme mit angeblichem Betrug bei der Parlamentswahl begründet. Seitdem gab es landesweit Proteste gegen die Junta, bei deren Niederschlagung mehr als 1.300 Menschen getötet und mehr als 10.000 festgenommen wurden.
Suu Kyi könnten 100 Jahre Haft drohen
Insgesamt könnten Suu Kyi Prozessbeobachtern zufolge bis zu 100 Jahre Haft drohen. Beobachter und Menschenrechtsexperten sprechen von einem Schauprozess und vermuten, dass die Junta die beliebte Politikerin auf diese Weise langfristig zum Schweigen bringen will. Der Prozess hatte Mitte Juni in der Hauptstadt Naypyidaw begonnen.
Suu Kyi hatte bereits in der Vergangenheit insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest gestanden. 2016 war sie faktische Regierungschefin geworden.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP