"Aufenthaltsort ist unbekannt" Wurde Oppositionsführerin Kolesnikowa entführt?
Maria Kolesnikowa soll in Minsk von Unbekannten in einen Minibus gezerrt worden sein. Die Demokratiebewegung in Belarus sagt, die Oppositionsführerin sei entführt worden.
Die verschwundene belarussische Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa ist nach Einschätzung des Koordinierungsrates der Demokratiebewegung entführt worden. "Ihr Aufenthaltsort ist unbekannt", teilte das Gremium für einen friedlichen Machtwechsel in Minsk mit. Die 38-Jährige sei zusammen mit ihrem Mitarbeiter Iwan Krawzow und ihrem Sprecher Anton Rodnenkow im Zentrum von Minsk von Unbekannten entführt worden. "Der Koordinierungsrat fordert die sofortige Freilassung", hieß es.
Medien hatten zuvor unter Berufung auf eine Augenzeugin berichtet, dass Kolesnikowa in einen Minibus gezerrt worden sei. Die Behörden hätten noch keine Informationen über den Aufenthaltsort gegeben, teilte der Rat mit. "Wir sehen, dass die Behörden in den vergangenen Tagen begonnen haben, Terrormethoden offen anzuwenden, statt einen Dialog mit der Gesellschaft aufzunehmen."
Einige Kollegen zuvor bereits festgenommen
Die Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja sprach nach dem Verschwinden Kolesnikowas von einem Versuch der Staatsführung, die Arbeit des Koordinierungsrates zu behindern. "Aber das wird uns nicht aufhalten", schrieb sie im Nachrichtenkanal Telegram. Je mehr die Behörden die Menschen einschüchterten, desto mehr würden auf die Straße gehen.
Zuvor war von einer Medienplattform berichtet worden, Kolesnikowa sei festgenommen worden. Sie sei in der Innenstadt von Minsk von bislang nicht identifizierten Personen festgesetzt worden, meldete die Internetseite tut.by. Die Nachrichtenagentur RIA berichtete, die belarussische Polizei prüfe, ob Kolesnikowa entführt worden sei. Der belarussische Oppositionsrat habe erklärt, er sei darüber informiert worden, dass Kolesnikowa festgenommen worden sei, meldete RIA weiter.
Mehr als 630 Personen verhaftet
Die 38-Jährige ist eine der wichtigsten Oppositionellen, die sich gegen Machthaber Alexander Lukaschenko stellen. Einige Kollegen des Gremiums waren zuvor schon festgenommen worden, ausgereist oder zur Ausreise gezwungen worden, so auch die Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowaskaja. Sie war nach der Wahl ins EU-Land Litauen geflüchtet.
Kolesnikowa arbeitet für den Ex-Bankenchef Viktor Babariko, der für das Präsidentenamt kandidieren wollte. Sie ist auch im Präsidium des Koordinierungsrates, der einen friedlichen Machtwechsel anstrebt. Kolesnikowa hatte viele Jahre in Stuttgart gelebt und von dort aus Kulturprojekte gemanagt. Kolesnikowa trat immer wieder bei Protestaktionen auf und wurde dabei von Demonstranten bejubelt. Auch bei der Großdemonstration am Sonntag in Minsk lief sie mit.
Hintergrund der Proteste ist die Präsidentenwahl vor mehr als vier Wochen. Lukaschenko hatte sich danach mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Die Opposition hält dagegen Tichanowskaja für die wahre Siegerin. Die Abstimmung gilt international als grob gefälscht. Nach Angaben des Innenministeriums wurden am Sonntag bei landesweiten Protesten insgesamt 633 Menschen festgenommen.
- Nachrichtenagenturen Reuters und dpa