Flüchtlings-Doku "My Escape" "Wer nicht zahlt, dem nehmen sie die Niere raus"
Schon in den ersten Sekunden kann man nicht wegschauen: Zu sehen ist ein Kampfjet am Himmel, der näher und näher kommt. Dann fliegen zwei Bomben. Sekunden später ist das Haus gegenüber ein flammendes Inferno - Panik! Die Doku
In leerem Benzintank geschmuggelt
Da ist zum Beispiel der 28 Jahre alte Rahmat, der als Frauen- und Kinderrechtler in seiner Heimat Afghanistan mit dem Tod bedroht wurde. Gemeinsam mit seinem Neffen marschierte er tagelang durch die Wüste, überquerte 3000 Meter hohe Berge - stets angetrieben von bewaffneten Schleppern. Die sperrten sie einmal tagelang mit anderen Flüchtlingen in einer Wohnung ein, ohne Toilette.
Die Handykamera nimmt den Zuschauer sogar mit in einen leeren Benzintank eines Busses, in dem Rahmat mit drei anderen geschmuggelt wurde. Die Bilder zeigen das einzige Luftloch, durch das sie geatmet haben, in Todesangst, zu ersticken.
Schnell wird klar: Wer einen Schlepper engagiert, ist einer Mafia ausgeliefert. Er wird zur Ware. Der 35 Jahre alte Wedi, ein Musiker aus Eritrea, hat das hautnah erlebt: "In der Sahara wurden wir von Banditen überfallen", erzählt er. Alle verloren ihr letztes Hab und Gut. "Dann kamen die Schlepper und haben uns freigekauft." Das war Glück. Wer nicht zahlen könne, dem werde schon mal die Niere herausgenommen, sagt er. Die Menschenhändler mit den Gewehren hat der Flüchtling heimlich gefilmt – ein gefährliches Unterfangen.
Später nahm Wedi eine riesige Halle in Libyen auf, eine Zwischenstation für tausende Menschen. Er habe hier vier Monate lang ausharren müssen, bis seine Familie das Geld für die Fahrt über das Mittelmeer zusammen gehabt habe. "Wenn man nicht zahlt, wird man geschlagen." Aber gehen könne man auch nicht. Oft verkauften die Angehörigen ihr Haus oder liehen Geld von ihren Nachbarn, um die nötige Summe zusammenzubekommen. Grundlos, erkennt man schnell, geht keiner ein solches Risiko ein. Die 15-jährige Afghanin Toba sollte zwangsverheiratet werden. Der Vater des Studenten Omar wurde in Syrien erschossen. Musiker Wedi floh vom Zwangsmilitärdienst in der Diktatur Eritrea.
Geschichten von Anfang bis Ende
Während die Nachrichten naturgemäß meist Ausschnitte zeigen, erzählt die syrische Journalistin Rama Jarmakani die Geschichte von Menschen vom Anfang bis zum Ende. Für ihre Recherchen hatte sie Flüchtlinge aufgerufen, Videos auf die Homepage des Films hochzuladen. Neue Perspektiven eröffnen dabei auch die Bilder des Ankommens: Die ersten Brocken Deutsch, der erste Schneemann, Sprachkurs, Praktikum in der Bronzegießerei. Und die Jubelszenen in München, gefilmt von den Bejubelten selbst. Einer von vielen bewegenden Momenten dieses Films.