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Russland bedroht Baltikum: So rüsten sich die Nato-Staaten


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"Die Antwort wird sofort kommen"
Sie wollen Russland in einen "systemischen Schock" versetzen


11.10.2024Lesedauer: 4 Min.
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US-Soldaten nehmen an der Übung "Verboom" mit Nato-Soldaten in Lettland teil (Archivbild): Besonders die baltischen Staaten sorgen sich vor einem russischen Angriff. (Quelle: IMAGO/U.S. Army/imago)
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Seit vielen Jahren warnen die baltischen Staaten vor Russlands Expansionsdrang. Der Ukraine-Krieg bestätigte sie. Nun arbeiten sie intensiv an Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Grenzen.

Was passiert, wenn der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine eines Tages beendet ist? Hört man sich im Baltikum um, so wird man eine fast einhellige Antwort bekommen: Das russische Streben nach Expansion und alter Größe wird nicht vorbei sein – vor allem nicht, wenn Russland zumindest einige seiner Ziele in der Ukraine durch seine Aggression erreicht.

Angesichts dessen bereiten sich die baltischen Staaten, aber auch Polen und andere Länder an der Nato-Ostflanke bereits jetzt auf den Ernstfall vor: einen möglichen russischen Angriff auf ihr Territorium. "Die Ukraine kauft uns ein paar Jahre Zeit", erklärte der litauische nationale Sicherheitsberater Kęstutis Budrys laut "Bild"-Zeitung kürzlich auf einer Sicherheitskonferenz in Vilnius. Denn wann der Krieg vorbei sein wird, kann bisher niemand sagen.

Doch wie wollen die Staaten im Osten Europas, die im Falle eines Angriffs wohl die erste Verteidigungslinie bilden würden, diese Zeit nutzen? Im Baltikum und in Polen, aber auch im Ostseeraum, wo erst in diesem und dem vergangenen Jahr mit Finnland und Schweden zwei neue Mitglieder in die Nato eingetreten sind, laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Die Devise: Russland soll frühzeitig abgeschreckt werden, damit es gar nicht erst auf die Idee kommt, eine weitere militärische Eskalation in Europa anzustreben.

"Wir werden Sankt Petersburg direkt angreifen"

Die Marschroute gab der ehemalige Generalstabschef des polnischen Militärs, Rajmund Andrzejczak, auf der Konferenz "Defending Baltics" vor: "Wenn sie einen Zentimeter litauischen Territoriums angreifen, wird die Antwort sofort kommen", zitiert ihn die "Bild". Der Ex-Militär nimmt an, dass der Kreml im Falle eines russischen Siegs in der Ukraine Divisionen in den belarussischen Städten Brest und Hrodna sowie in der ukrainischen Stadt Lwiw stationieren würde.

Besonders Polen und Litauen seien deshalb in Gefahr. Die nur gut 100 Kilometer lange Grenze der beiden Länder wird als Suwałki-Lücke bezeichnet. Direkt daran grenzt auch die russische Enklave Kaliningrad, in der Russland laut Einschätzung von Experten der Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace nicht nur das Hauptquartier seiner Ostseeflotte unterhält, sondern auch ein umfangreiches Waffenarsenal mit Marschflugkörpern, Boden-Luft-Raketen und sogar Nuklearwaffen. Mehr zur Suwałki-Lücke lesen Sie hier.

Video | Über diese Lücke könnte Putin das Bündnis angreifen
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Quelle: t-online

Andrzejczak sagte, die Antwort auf eine russische Aggression solle "nicht am ersten Tag, sondern in der ersten Minute erfolgen". Alle strategischen Ziele in einer Reichweite von 300 Kilometern sollen getroffen werden. "Wir werden Sankt Petersburg direkt angreifen", sagte der Ex-Militär laut "Bild". Polen beschaffe zu diesem Zweck "800 Raketen mit 900 Kilometern Reichweite" – alles, um Russland von einem Angriff abzuschrecken.

Auf die Nato wollen die Balten nicht warten

Auch der erst im Juli eingesetzte Oberbefehlshaber des litauischen Militärs, Raimundas Vaikšnoras, forderte eine schnelle Reaktion: "Wir müssen sofort allein zurückschlagen können, ohne auf die Entscheidung in gewissen Nato-Hauptstädten warten zu müssen, ob man Artikel fünf nun ausruft oder nicht", sagte er dem Bericht zufolge. Der Artikel fünf des Nato-Vertrags regelt den Bündnisfall: Wenn ein Mitglied angegriffen wird, wird dies als Angriff auf alle Partner gewertet.

Auch Litauen ergreift angesichts dessen bereits Maßnahmen. So hat das Land bereits im Jahr 2022 einen Vertrag mit den USA zur Beschaffung von acht Himars-Mehrfachraketenwerfern unterzeichnet, die sich im Einsatz in der Ukraine als effektiv erwiesen haben. Diese haben eine Reichweite von rund 300 Kilometern. Die ersten dieser Waffensysteme sollen im kommenden Jahr ausgeliefert werden.

Zudem verstärken die Baltenstaaten gemeinsam ihre Verteidigungslinie entlang der russischen Grenze. Litauen hat dazu sogenannte Drachenzähne – pyramidenförmige Betonblöcke als Barrieren gegen Panzer – auf den Brücken über den Fluss Neman aufgestellt, der das Land von Kaliningrad trennt. Zudem sollen laut einem Bericht des britischen "Telegraph" entlang der Grenze Minen ausgelegt, Maschinengewehre und Stacheldraht installiert worden sein.

Angriffe auch im Cyberraum

Bereits im vergangenen Januar hatten sich Estland, Lettland und Litauen auf die Errichtung einer gemeinsamen Verteidigungslinie geeinigt. Wahrscheinlich sind die litauischen Maßnahmen Teil dessen. Estland hatte in diesem Kontext die Errichtung von rund 600 Bunkern für rund 60 Millionen Euro zugesagt. Der Bau entlang der knapp 30 Kilometer langen Grenze soll im kommenden Jahr beginnen.

Illusionen, die Bunker könnten die russische Armee stoppen, macht man sich in Estland indes offenbar nicht. Martin Herem, ehemaliger General des estnischen Heeres, erklärte im Mai laut dem Fachportal "Breaking Defense", dass die Idee dahinter vielmehr sei, eine russische Invasion "zu formen". Dazu aber brauche es weitere Fähigkeiten für weitreichende Schläge auf russisches Territorium.

Zudem wollen die baltischen Staaten laut dem "Bild"-Bericht auch im Cyberraum zuschlagen. Ein nicht namentlich genannter Experte aus der Region erklärte im Gespräch mit der Zeitung, dass man Russland im Falle eines Angriffs in einen "systemischen Schock" versetzen wolle. "Die sollen nicht glauben, dass dann noch eine U-Bahn oder ein Aufzug in Moskau fährt."

"Das soll ein Gefühl der Paranoia und der Unterlegenheit erzeugen"

Nicht zuletzt sind auch die Skandinavier alarmiert. Schweden etwa sorgt sich um Gotland, warnte bereits davor, dass Russland "beide Augen" auf die Insel geworfen haben könnte. Der schwedische Oberbefehlshaber Micael Byden erklärte im Mai: "Wer Gotland kontrolliert, kontrolliert die Ostsee." Schwedens Verteidigungsminister Pål Jonson erklärte der polnischen Zeitung "Rzeczpospolita" kürzlich, sein Land könne einen Angriff Russlands nicht ausschließen. Moskau habe bereits gezeigt, dass es bereit sei, politische und militärische Risiken einzugehen.

Experten warnen jedoch nicht nur vor einer möglichen harten Konfrontation mit Russland, sondern auch vor der hybriden Kriegsführung des Kremls. "Das soll ein Gefühl der Paranoia und der Unterlegenheit erzeugen, sodass man schließlich sagt: 'Wir müssen einfach mit einem großen russischen Einfluss in der Region leben'", erklärte Elisabeth Braw von der Denkfabrik Atlantic Council dem "Kyiv Independent".

Solche hybriden Angriffe würden unterhalb der Schwelle des Artikels fünf des Nato-Vertrags laufen, das Bündnis also kann wenig dagegen unternehmen. "Die Russen waren schon früher fantasievoll, das ist es, was sie gut können", so Braw.

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