Einsatz "Morgengrauen" Israel: Weiterer Dschihad-Militärchef getötet
Israel nimmt die Terrororganisation Dschihad in den Fokus. Nach al-Dschabari meldet es nun den Tod eines weiteren zentralen Kommandeurs.
Israels Armee hat nach eigenen Angaben einen weiteren Militärchef der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad im Gazastreifen gezielt getötet. Der südliche Kommandeur des Islamischen Dschihads, Chalid Mansur, sei bei einem Luftangriff in der Stadt Rafah ums Leben gekommen, teilte das Militär am Sonntagmorgen mit. Zwei weitere ranghohe Dschihad-Mitglieder seien dabei ebenfalls getötet worden, darunter Mansurs Stellvertreter.
"In den vergangenen Tagen hat Mansur an der Vorbereitung eines Angriffs auf Israel mit einer Panzerabwehrrakete sowie Raketen gearbeitet", hieß es in der Mitteilung. Er sei auch für Terroranschläge in der Vergangenheit verantwortlich.
Der israelische Regierungschef Jair Lapid sagte am Sonntag nach Angaben seines Büros, die Operation werde "so lange weitergehen wie notwendig". Man bemühe sich dabei, dass Unbeteiligte nicht zu Schaden kommen.
Erneuter Raketenbeschuss in der Nacht
Das israelische Militär hatte am Freitag die großangelegte Militäraktion "Morgengrauen" gegen den Islamischen Dschihad gestartet. Dabei wurden der Militärchef Taisir al-Dschabari und weitere PIJ-Mitglieder getötet. Israel sperrte über mehrere Tage hinweg Gebiete am Rande des Küstenstreifens ab und erhöhte die Alarmbereitschaft.
Der Eskalation vorangegangen war die Festnahme eines PIJ-Anführers im Westjordanland, Bassem Saadi, am Montag. Die eng mit Israels Erzfeind Iran verbundene Gruppe wird von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft.
Auch in der Nacht zum Sonntag griff die Armee mehrere Ziele im Gazastreifen an. In den israelischen Grenzorten am Rande des Gazastreifens gab es am Sonntagmorgen wieder Raketenalarm. Fast alle der Geschosse, die israelische Wohngebiete bedrohten, konnten nach israelischen Armeeangaben von der Raketenabwehr Iron Dome abgefangen werden.
Ministerium sieht Gesundheitsversorgung im Gazastreifen in Gefahr
Das palästinensische Gesundheitsministerium hat am Sonntag vor einer Einstellung der medizinischen Versorgung im Gazastreifen binnen 48 Stunden gewarnt. Hintergrund sei die Abschaltung des einzigen Kraftwerks in dem Palästinensergebiet aus Treibstoffmangel am Samstag, hieß es in der Mitteilung. Die Notgeneratoren der Krankenhäuser seien angesichts der fortwährenden Blockade der Übergänge zwischen Israel und dem Gazastreifen bereits fast leer.
Die Stromversorgung in dem Küstengebiet mit mehr als zwei Millionen Einwohnern wurde bereits am Samstag laut Stromgesellschaft von zwölf auf vier Stunden reduziert. Israel hatte am Montag die Einfuhr von Treibstoff in das Gebiet gestoppt und dies mit der Angst vor Angriffen begründet.
31 Tote, Hunderte Verletzte
Israelische Kommentatoren sprachen am Sonntag von einem ernsthaften Schlag gegen den Dschihad, mahnten aber zu einer raschen Waffenruhe. Ansonsten drohe "ein Überschwappen (des Konflikts) ins Westjordanland, oder ein Aufstand israelischer Araber" oder ein Einstieg der im Gazastreifen herrschenden Hamas in den Schlagabtausch. Die Hamas hat sich in dem Konflikt bisher zurückgehalten. Sie verfügt nach israelischen Informationen über deutlich mehr und weiter reichende Raketen als der Dschihad, die zweitstärkste militärische Kraft im Gazastreifen.
Seit Freitag starben nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 31 Menschen. Mindestens 265 seien verletzt worden. Unter den Toten sind demnach neben weiteren PIJ-Mitgliedern sechs Kinder und vier Frauen.
Israel macht den Islamischen Dschihad für den Tod von fünf Kindern und einem Erwachsenen im Flüchtlingslager Dschabalia verantwortlich. Nach Angaben des Militärs wurden sie durch eine fehlgeleitete Dschihad-Rakete getötet. Dazu veröffentlichte die Armee am Sonntag Videoaufnahmen. Etwa 120 der mehr als 500 seit Freitag abgefeuerten Raketen seien im Gazastreifen selbst eingeschlagen.
Ehemaliger Sicherheitsberater: Druck auf Hamas könnte steigen
Israels ehemaliger nationaler Sicherheitsberater Jaakov Amidror sieht gegenwärtig kein echtes Interesse der Hamas, sich an dem Konflikt zu beteiligen. Anders als der Dschihad sehe sich die herrschende Kraft im Gazastreifen auch für das Wohl der Zivilbevölkerung zuständig, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Organisation verstehe, dass sie "einen hohen Preis bezahlen müsste", auch als Lehre aus dem Gaza-Konflikt im vergangenen Jahr.
Die Hamas habe ein Interesse daran, dass täglich weiterhin rund 14.000 Gaza-Einwohner in Israel arbeiten könnten, so Amidror. Außerdem sei angesichts von Treibstoffmangel die Stromversorgung in dem schmalen Küstenstreifen gefährdet. Sollte die Zahl ziviler Opfer steigen, werde aber auch der Druck auf die Hamas größer werden, nicht untätig zuzusehen, meinte Amidror.
Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte den Beschuss israelischer Ortschaften mit Raketen am Sonntag "auf das Schärfste". Es gelte nun, eine weitere Eskalation zu verhindern, sagte eine Sprecherin.
Erstmals Raketenbeschuss Jerusalems
Erstmals seit Beginn der Operation wurden am Sonntag – dem jüdischen Fasten- und Trauertag Tischa BeAv – auch Raketen auf Jerusalem abgefeuert. Religiöse Juden betrauern an dem Tag die Zerstörung der beiden antiken Tempel in Jerusalem.
Die Hamas hatte dazu aufgerufen, die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg "zu verteidigen und sich den israelischen Übergriffen auf die heilige Stätte entgegenzustellen". Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam.
Berichte: Vereinte Nationen und Katar wollen vermitteln
Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sagte am Samstag, seine Regierung bemühe sich, Kämpfe und andere Gewaltakte zwischen beiden Seiten zu vermeiden. Berichten aus Gaza zufolge sollen sich auch die Vereinten Nationen und Katar um Vermittlung bemühen.
2019 tötete Israel bereits Al-Dschabaris Vorgänger Baha Abu al-Ata. Darauf folgten massive Raketenangriffe. Nach einigen Tagen konnte mit Hilfe von Unterhändlern Ägyptens und der Vereinten Nationen eine Waffenruhe vereinbart werden. Im vergangenen Jahr lieferten sich Israels Streitkräfte einen elftägigen Konflikt mit militanten Palästinensern im Gazastreifen. Ägypten vermittelte damals eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die 2007 in dem Küstenstreifen gewaltsam die Macht an sich gerissen hatte.
- Nachrichtenagentur dpa