Reaktionen auf Assange-Auslieferung Gysi: "Hohn für Gerechtigkeit und Demokratie"
Nach jahrelanger Haft will Großbritanniens Regierung Wikileaks-Gründer Julian Assange an die US-Justiz ausliefern. Politiker und Verbände zeigen sich bestürzt.
Der Linke-Politiker Gregor Gysi hat eine mögliche Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange scharf kritisiert. Die Entscheidung der britischen Innenministerin Priti Patel im Fall Assange sei "ein Hohn für Gerechtigkeit und Demokratie", schreibt Gysi auf Twitter. Der Wikileaks-Gründer sei seinen journalistischen Pflichten nachgekommen und habe aufgeklärt. "Ich kann nur hoffen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Korrektur einleitet", heißt es weiter.
Großbritannien hatte zuvor nach jahrelangem Hin und Her die Auslieferung des Wikileaks-Gründers an die USA genehmigt. Die konservative Innenministerin Patel unterschrieb dazu eine entsprechende Verfügung, wie ihr Ministerium am Freitag in London mitteilte. Der Gründer der Enthüllungsplattform wehrt sich schon seit mehr als zehn Jahren gegen eine mögliche Überstellung in die Vereinigten Staaten. Seit 2019 sitzt der 50-Jährige in London im Gefängnis. Wikileaks kündigte an, erneut vor Gericht zu ziehen.
Wagenknecht sieht Scholz und Baerbock in der Pflicht
Zustimmung bekommt Gysi von Parteikollegin Sahra Wagenknecht. "Ein übler Tag für die Demokratie, die Pressefreiheit, die Menschenrechte", schreibt die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag. Wagenknecht sieht die Bundesregierung in dem Fall in der Pflicht. "Wo bleibt der Protest von Baerbock oder Scholz? Diese Ignoranz, mit der man über das Schicksal von Assange und Kriegsverbrechen der USA hinwegsieht, schreit zum Himmel", schreibt Wagenknecht auf Twitter. Kritik kam auch von dem Europaabgeordneten Martin Sonneborn.
Der menschenrechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Peter Heidt, hat die Entscheidung der britischen Regierung bedauert. Eine Nichtauslieferung wäre "ein starkes Zeichen für die Pressefreiheit" gewesen, sagte Heidt einer Mitteilung zufolge. Der FDP-Abgeordnete zeigte sich verwundert, "dass die britische Regierung keine Gründe gesehen hat, die gegen eine Auslieferung Assanges an die USA sprechen". Er betonte jedoch auch, dass Großbritannien sowie die Vereinigten Staaten von Amerika Rechtsstaaten seien.
Die Bundesregierung verwies darauf, dass der Rechtsweg für Assange noch nicht ausgeschöpft sei. Die Bundesregierung habe immer wieder betont, dass die Meinungs- und Pressefreiheit "ein hohes Gut" sei, sagte Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann. In dem Auslieferungsverfahren stehe sie grundsätzlich in einem Spannungsfeld mit Fragen des staatlichen Geheimschutzes und nationalen Interessen. Dies müsse gegeneinander abgewogen werden. Im Detail wollte Hoffmann die britische Entscheidung noch nicht bewerten.
Journalistenverband: Assange "ans Messer geliefert"
Der neu gegründete Schriftstellerverband PEN Berlin, der Assange gleich zu seinem Ehrenmitglied gemacht hatte, forderte die Regierung auf, weiterzugehen: "Wir ersuchen die Bundesregierung dringend, sich für seine sofortige Freilassung einzusetzen und ihm politisches Asyl anzubieten", hieß es in einer Mitteilung. Dafür habe sich Außenministerin Annalena Baerbock noch im vergangenen Jahr als Oppositionsabgeordnete stark gemacht, so die Vereinigung.
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Auch die Journalistenverbände in Deutschland zeigten sich bestürzt von der Entscheidung in London. Die britische Innenministerin Priti Patel habe Assange "ans Messer geliefert und damit auch die Pressefreiheit massiv beschädigt", erklärte die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), Monique Hofmann, am Freitag. "Das ist eine schwere Niederlage für die Demokratie und eine Schande für den Rechtsstaat."
"Wikileaks hat Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und im Irak aufgedeckt und öffentlich gemacht, über die Opfer, Hinterbliebene und die gesamte Weltöffentlichkeit Klarheit brauchten", erklärte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall. Er rief die US-Strafverfolgungsbehörden auf, die Anklage gegen Assange fallen zu lassen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen sprach von einem "niederschmetternden Signal für die Pressefreiheit".
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP