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Migration aus Afrika: Der Pakt mit dem Teufel


Migration aus Afrika
Der Pakt mit dem Teufel

dpa, Martina Herzog

Aktualisiert am 19.04.2019Lesedauer: 4 Min.
Khartum: Ein Markt in einem Stadtteil von Khartum. Hier leben viele Flüchtlinge und andere Migranten vor allem aus Eritrea und Äthiopien. Nach dem Putsch im Sudan ist das Land im Umbruch.Vergrößern des Bildes
Khartum: Ein Markt in einem Stadtteil von Khartum. Hier leben viele Flüchtlinge und andere Migranten vor allem aus Eritrea und Äthiopien. Nach dem Putsch im Sudan ist das Land im Umbruch. (Quelle: dpa-bilder)
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Nach dem Putsch im Sudan ist das Land im Umbruch. Ob Stabilität oder Chaos folgt, ist unklar. Das macht auch der EU Sorge – denn die setzt auf Kooperation mit dem afrikanischen Land, um Migration einzudämmen.

Europa. Das ist sein Ziel. Als Ali Ahmed Jamal Jehad aus Äthiopien in den Sudan geschmuggelt wurde, damals, vor mehr als zehn Jahren, wollte er eigentlich gleich weiterreisen. Doch Schmuggler kassierten sein Geld und seien abgehauen, sagt der 36-Jährige. Den Traum hat er trotzdem nicht aufgegeben. Aber heute sei es fast unmöglich, Libyen und dann die Ufer Europas zu erreichen. Warum? "Wegen Angela Merkel." Deutschland sei das beliebteste Land unter Flüchtlingen, erklärt er. Es seien aber so viele Menschen auf Booten im Mittelmeer gestorben, da habe die Bundeskanzlerin agieren müssen, meint er. "Also wurde die Migration im Sudan gestoppt."

Der Sudan ist im Umbruch. Nach 30 Jahren an der Macht wurde der autoritäre Präsident Omar al-Baschir vergangene Woche vom Militär gestürzt. Bislang war das Land wegen Al-Baschir ein Paria-Staat: Der 75-Jährige wird wegen schwerer Verbrechen im Darfur-Konflikt vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht. Auch steht der Sudan auf der Liste von Ländern, denen die USA Unterstützung von Terrorismus vorwerfen. Zugleich ist der Sudan eins der wichtigsten Transitländer für Migranten, die Europa erreichen wollen – und so hatte sich die EU auf eine ungemütliche Kooperation mit Khartum eingelassen. Nun steht das Land am Scheideweg: Wird es zum stabilen Partner der EU – oder entsteht dort die nächste Migrationskrise?

Gegen Menschenschmuggel kämpfen

Der Sudan, in dem rund 1,1 Millionen Flüchtlinge leben, war schon immer ein Knotenpunkt für Migration. Das Land liegt an der Schnittstelle zwischen der arabischen und afrikanischen Welt.

Die EU startete 2014 mit mehreren afrikanischen Länder den Khartum-Prozess. Sie formuliert das Ziel der Kooperation mit dem Sudan und Nachbarländern etwas anders als der Äthiopier Jehad: Man wolle vor allem den Menschenschmuggel bekämpfen und Migranten schützen. Millionen von Euro sind bislang in den Sudan geflossen. Allerdings versichert ein Sprecher der EU, man gebe "der Regierung des Sudans keine finanzielle Unterstützung". Alle Gelder gingen demnach an Organisationen oder Entwicklungsagenturen wie die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Im Rahmen des Khartum-Prozesses führt die GIZ im Sudan und anderen Ländern der Region das 46-Millionen-Euro-Projekt Better Migration Management (BMM) aus. Unter anderem werden Grenzbeamte, Polizisten und Justizbeamte trainiert. "Es geht uns nicht darum, Migration zu verhindern", sagt BMM-Projektleiterin Sabine Wenz. "Wir wollen dafür sorgen, dass die Migranten menschenwürdiger behandelt werden."

Druck der EU

Ging die EU im einen Pakt mit dem Teufel ein? Al-Baschir kam die Not Europas, die Migration eindämmen zu wollen, wohl gelegen: Der Sudan steckt seit Jahren in einer Wirtschaftskrise. Doch das Land ist isoliert und hat keinen Zugang zu internationalen Finanzmitteln wie die des Internationalen Währungsfonds. Genau diese Wirtschaftskrise ist Al-Baschir letztendlich zum Verhängnis geworden.

So hat Khartum den Druck der EU, sich um die Migration zu kümmern, wohl als Chance gesehen, sich international zu bewähren – koste es, was es wolle. Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) schreibt, die Regierung habe korrekterweise angenommen, dass Europa ein großes Interesse daran habe, dass Flüchtlinge in ihrer Heimatregion bleiben. Khartum entsandte seine berüchtigten Schnellen Einsatztruppen (RSF), um die nördliche Grenze zu Libyen zu überwachen und Migranten festzunehmen. Die RSF besteht zum Großteil aus der Dschandschawid - einer arabischen Miliz, die während des Darfur-Konflikts brutal gegen die Bevölkerung vorging. Chef Mohammed Hamdan Daglu, genannt Hemeti, prahlte oft, er agiere quasi auf Wunsch der EU. Diese "verliert Millionen im Kampf gegen Migration, deswegen müssen sie uns unterstützen", sagte er etwa dem Sender Al-Dschasira.

"Menschen werden verletzlicher"

Den RSF wird dabei nicht nur vorgeworfen, Migranten zu misshandeln. Sie würden auch "die Migranten systematisch ausbeuten und von dem Menschenschmuggel direkt profitieren", sagt Clotilde Warin von der niederländischen Denkfabrik Clingendael. Mitglieder der RSF würden etwa Migranten gegen Geld selbst zur libyschen Grenze fahren oder die Menschen an der Grenze an libysche Schmuggler "verkaufen", so Warin. Anzeichen dafür, dass sich die neue Militärführung im Sudan von der RSF distanziert, gibt es nicht. Ganz im Gegenteil: Chef Hemeti ist inzwischen die Nummer zwei im militärischen Übergangsrat.


Dass Migration wirklich gestoppt werden kann, bezweifeln allerdings Experten. "Wenn man eine Route schließt, öffnet sich eine andere. Man verschiebt die Routen lediglich", sagt Warin. Die Maßnahmen der Regierung würden "niemals die Menschen aufhalten, die wirklich weg wollen", sagt die Leiterin des UN-Flüchtlingshilfswerk im Sudan, Noriko Yoshida. Sie würden es immer wieder probieren. "Letztendlich werden die Menschen dadurch nur verletzlicher, es bringt sie in gefährlichere Lagen."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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