G7-Gipfel in Kanada Können wir Freunde bleiben?
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Europäer haben vor dem G7-Treffen mit dem Schlimmsten gerechnet, aber Donald Trump schafft es wieder, alle zu überrumpeln. Das westliche Bündnis wackelt.
Am Ende eines denkwürdigen Tages sitzen die Staatenlenker noch beim Lagerfeuer zusammen. Der Blick auf den majestätischen Sankt-Lorenz-Strom ist erhaben, die Staats- und Regierungschefs sind in Wolldecken eingehüllt, das Ganze soll Gemütlichkeit ausstrahlen.
Doch in Wahrheit liegt ein höchst ungemütlicher Tag im kanadischen Charlevoix hinter ihnen. Und über die tatsächliche Stimmung auf diesem G7-Gipfel gab es schon keine Zweifel mehr, bevor er überhaupt anfing.
Den Ton setzt – wer sonst? – Donald Trump, als er noch gar nicht angereist, sondern noch in Washington ist. Auf dem Südrasen des Weißen Hauses steht er am frühen Morgen, kurz vor dem Einstieg in den Hubschrauber, und er sagt, dass Russland in der Runde fehle, dass aus den G7 doch bitte wieder die G8 werden sollten.
Und dann auch noch die Russland-Frage
Die europäischen Delegationen werden von Trumps Äußerungen kalt erwischt. Zwar hatten sie nichts anderes als einen extrem schwierigen Gipfel erwartet. Zu groß sind die Differenzen bei Handel und Klima. Zu brüskiert fühlen sich die Teilnehmer durch Trumps Iran-Politik und durchs Trumps Zölle. Die Verbündeten fühlen sich gemobbt. Und dass Trump jetzt auch noch die Russland-Frage aufwirft... Ufff!
Nach Russlands völkerrechtswidriger Annexion der Krim hatte die Runde Russland rausgeworfen. Dass Trump hier die Uhr zurückdreht, hatte niemand auf der Agenda. Dann kommt es noch ein bisschen schlimmer: Prompt pflichtet der Neuling in der Runde, Italiens frischgebackener Premier Giuseppe Conte, Trump bei. Alle würden profitieren, wenn Russland zurückkehrt, lässt Conte twittern. In Rom führt er eine Populistenkoalition an, die sich russlandfreundlich zeigen will.
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Die Europäer setzen sich zusammen. Sie reden auf den Neuling Conte ein. Anschließend verkündet Merkel eine "gemeinsame Meinung der Europäer, dass eine Rückkehr Russlands zum G7-Format nicht erfolgen kann", so lange keine "substanziellen Fortschritte" zur Lösung des Ukraine-Konflikts erreicht würden.
Schlagabtausch auf Twitter
Die Front gegen Trump steht wieder, fürs Erste zumindest.
Doch es ist nun auch für den Letzten klar, dass der US-Präsident das Treffen dominiert. Er diktiert die Agenda. Da ist es in den Arbeitsgruppen noch gar nicht um die Eskalation im Handelsstreit oder um die Klimapolitik gegangen, mit der Trump schon beim letzten G7-Gipfel einen Eklat auslöste.
Trump selbst hat übrigens keine Lust auf das Treffen und den zu erwartenden gesammelten Widerstand der anderen.
Der Streit war schon im Vorfeld abzusehen, die Spaltung zwischen Trumps USA und dem Rest der G7 war nicht zu übersehen: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Trump hatten sich über Twitter einen Schlagabtausch geliefert. Macron wollte klar machen, dass man aus Rücksicht auf die in der Runde isolierten USA nicht zurückrudern werde. Trump reagierte seinerseits mit Tweets, darin auch eine Attacke gegen den Gastgeber Justin Trudeau.
Nicht witzig
Auf dem Gipfel selbst gibt es keinen Eklat wie einen verweigerten Handschlag. Alle Beteiligten wollen die schönen Bilder, die solche Anlässe liefern, nicht ruinieren. Für positive Schlagzeilen sorgt der Umstand, dass die EU und USA in zwei Wochen Gespräche aufnehmen wollen in Sachen Handel und Zölle. Konkreter wird es nicht.
Es gibt aber unangenehme Momente, etwa beim bilateralen Treffen von Trump und Trudeau. "Justin hat gesagt, er werde alle Zölle abschaffen", scherzt Trump. Der Raum lacht. Aber wie witzig ist das wirklich, jetzt da Kanada, von Stahlexporten in die USA abhängig, plötzlich von Zöllen betroffen ist und als Gefährdung der nationalen Sicherheit des Nachbarlandes dasteht.
Für Trump war die Verknüpfung von Zöllen und nationaler Sicherheit vor allem ein Kniff, um die Strafmaßnahmen am Parlament vorbei in Kraft zu setzen. Doch alle anderen beim Gipfel Anwesenden hat dieser Stempel nachhaltig verärgert.
"Fragen Sie diese großartige Dame"
Auch kommt es zu einer seltsamen Szene mit Merkel. Als den wenigen Journalisten vor Ort auffällt, dass die Kanzlerin und der US-Präsident nach dem traditionellen Familienfoto länger miteinander reden, fragt ein Kollege der "New York Times", ob Trump denn bei den Zöllen einlenke. Dessen Antwort: "Fragen Sie diese großartige Dame." Man kann ahnen, wie Merkel so etwas irritiert.
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Üblicherweise verhandeln sogenannte Sherpas vor dem eigentlichen Gipfel längst die Sprachregelungen und Abschlussdokumente. Weil das unter Trump nicht funktioniert hat, ist am ersten Gipfeltag unklar, ob es überhaupt eine Abschlusserklärung geben wird. Trump gibt sich optimistisch, Merkel skeptisch.
Vielleicht findet man doch noch bei Themen wie Nordkorea oder Plastikmüll zu Absichtsbekundungen zusammen, verurteilt ganz generell ausländische Einmischungen in Wahlen. Doch das wären Ablenkungsmanöver von jenen drängenden Themen, bei denen es keine gemeinsame Basis mehr gibt.
- Eigene Beobachtungen
- AFP, dpa