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Russland: Gesundheitssystem am Limit – weitere Repressionen gegen Ärzte


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Probleme im russischen Gesundheitssystem
"Das muss ein schrecklicher Fehler sein"


04.01.2025Lesedauer: 3 Min.
Die ehemalige Kinderärztin Nadeschda Bujanowa vor Gericht: Russland hat die Medizinerin zu mehr als fünf Jahren im Gefängnis verurteilt.Vergrößern des Bildes
Die ehemalige Kinderärztin Nadeschda Bujanowa vor Gericht: Russland hat die Medizinerin zu mehr als fünf Jahren im Gefängnis verurteilt. (Quelle: IMAGO/Alexander Shcherbak)
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Das russische Gesundheitssystem befindet sich an der Belastungsgrenze. Und doch landen Ärzte in Putins System immer wieder mit fadenscheinigen Begründungen im Gefängnis.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist das Gesundheitssystem im flächenmäßig größten Land der Welt am Limit. Schon vorher klagten Mediziner auf allen Gehaltsebenen über zu niedrige Löhne – mittlerweile hat sich die Situation allerdings weiter zugespitzt. Denn im Jahr 2024 begannen die russischen Behörden damit, Mediziner gezielt ins Fadenkreuz ihrer Ermittlungen zu nehmen, wie das Oppositionsmedium "Nowaja Gazeta" berichtet.

Einer der prominentesten Fälle dürfte die Verurteilung der Kinderärztin Nadeschda Bujanowa im Dezember sein. Wegen angeblicher "Falschinformationen", die sie über das russische Militär verbreitet haben soll, wurde zunächst ihre Praxis durchsucht, anschließend stellten die Behörden die Kinderärztin vor Gericht.

Kinderärztin wurde denunziert

Die Anschuldigungen fußten auf der Behauptung Anastasia Akinschinas, die ihren Sohn zur Behandlung bei der Kinderärztin gebracht haben soll. Der Staatsanwaltschaft zufolge soll Bujanowa den in der Ukraine gefallenen Mann Akinschinas verhöhnt und "als legitimes Kriegsziel der Ukraine" bezeichnet haben – ein Vorwurf, den die Ärztin bis heute bestreitet.

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Zur Unterstützung Bujanowas veröffentlichten russische Ärzte einen offenen Brief, in dem sie ihre Freilassung forderten. Als die Kinderärztin schließlich zu fünfeinhalb Jahren im Gefängnis verurteilt wurde, drehten die Ärzte ein Videostatement, in dem sie Wladimir Putin direkt adressierten: "Wir fordern die Freilassung dieser Kinderärztin, damit sie weiterhin Kinder behandeln kann", erklärten sie. "Wir fordern ein sofortiges Ende dieses schändlichen Falles."

Angesehener Chirurg verschwunden

Auch Nikolai Serebrennikow wurde zum Opfer der russischen Justiz. Der Neurochirurg aus der nordrussischen Stadt Archangelsk soll nach Angaben der Ermittlungsbehörden einen Gesamtbetrag von umgerechnet 31 Euro an die Kampagne des in Haft verstorbenen Bürgerrechtlers Alexej Nawalny gespendet haben.

Wie das exil-russische Oppositionsmedium "Meduza" berichtet, wurde Serebrennikow im Dezember 2024 festgenommen, aber nicht in Gewahrsam genommen. Sein aktueller Aufenthaltsort ist nicht bekannt.

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Dabei war Sebrennikow bis zu seiner Festnahme ein angesehener Arzt, er gewann im Jahr 2016 sogar den Preis als bester Arzt des Jahres in seiner Region. Unter einem Artikel des russischen Nachrichtenportals "29.ru" kommentiert eine Frau, die erklärt, eine ehemalige Patientin des Arztes zu sein: "Im Jahr 2022 entfernte er mir einen Tumor an der Wirbelsäule, der mich schwerbehindert hätte zurücklassen können." Nur dank der "begabten Hände" des Arztes lebe sie noch und könne selbstständig gehen. "Ich glaube, dass er unschuldig ist. Das muss ein schrecklicher Fehler sein."

Gesundheitssystem ist am Limit

Der Angriff der russischen Behörden auf Angehörige des Gesundheitssystems kommt zu einem Zeitpunkt, in dem sich Krankenhäuser und Praxen ohnehin schon am Limit befinden. Die Gehälter für Mediziner sind zu niedrig, berichtet das polnische Zentrum für Oststudien. Demnach erklärten 60 Prozent der russischen Ärzte, ihr Gehalt reiche nicht aus, um die Grundbedürfnisse zu decken. Fast 80 Prozent der Ärzte gingen deshalb einem zweiten Job nach, um über die Runden zu kommen.

Etwa 26.500 Ärzte und 60.000 medizinische Fachkräfte fehlten derzeit in Russland, schreibt das Zentrum für Oststudien. Deshalb habe der Kreml das Verfahren zur Anstellung ausländischer medizinischer Fachkräfte bereits im Jahr 2023 erheblich vereinfacht.

Massendurchsuchungen in bei Medizinern

Trotz dieses erheblichen Personalmangels gängelt Putins Regime die Mediziner weiterhin. Am 16. Oktober 2024 gab es laut dem Bericht der "Nowaja Gazeta" massenhafte Durchsuchungen der Polizei bei Ärzten in verschiedenen Städten. Ihr Verbrechen? Alle betroffenen Mediziner hatten zuvor in einem offenen Brief eine Untersuchung des Todes von Alexej Nawalny gefordert. Drei Mediziner seien im Verlauf der Durchsuchungen zunächst festgenommen und vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB befragt worden.

Russland versucht auch zu Beginn des Jahres 2025, die Probleme im Gesundheitssystem zu lösen. Dazu will der Kreml die Investitionen in das Gesundheitssystem im neuen Jahr deutlich ankurbeln. Ob das angesichts des andauernden Krieges gegen die Ukraine funktioniert, ist nicht sicher – denn das Verteidigungsministerium benötigt viel Geld, um den Krieg fortzusetzen. Ärzte und medizinisches Fachpersonal könnten weiter darunter leiden.

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