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Krieg in Syrien: Erdoğan könnte alles in Chaos stürzen


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Lage in Syrien
Erdoğan bereitet Eskalation vor


18.12.2024 - 14:52 UhrLesedauer: 5 Min.
Recep Tayyip Erdoğan: Der türkische Präsident setzt erneut zum Angriff auf Nordsyrien an.Vergrößern des Bildes
Recep Tayyip Erdoğan: Der türkische Präsident setzt erneut zum Angriff auf Nordsyrien an. (Quelle: Florion Goga/reuters)
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Nach dem Sturz des Diktators Baschar al-Assad steht ein Großteil von Syrien vor einer politischen Neuordnung. Nur im Norden droht der Krieg erneut zu eskalieren, weil die Türkei zum Angriff ansetzt.

Die Ereignisse an den zahlreichen Krisenherden dieser Welt überschlagen sich – und er muss trotz seines Wahlsieges noch von der Seitenlinie zuschauen. Deshalb mischt sich der künftige US-Präsident Donald Trump schon in die US-Krisenpolitik ein, gibt regelmäßig lange Interviews und Pressekonferenzen. Erst am Montag sprach er auch in Mar-a-Lago über den Sturz von Baschar al-Assad in Syrien. "Die Türkei steckt dahinter. Erdoğan ist ein kluger Kerl, sie haben das schon Tausende Jahre gewollt, jetzt haben sie es erreicht", sagte Trump.

Der Republikaner hat diese Gerissenheit des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan selbst zu spüren bekommen. In seiner Amtszeit soll es Erdoğan gelungen sein, einen direkten Draht zum US-Präsidenten zu bekommen. Er bearbeitete Trump telefonisch so lange, bis dieser 2019 einwilligte, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen, heißt es in Washington.

Danach hatte die Türkei freie Bahn für einen Angriff auf Nordsyrien sowie kurdische Milizen. Zwar ruderte Trump zurück, beließ US-Truppen zur Eindämmung des russischen Einflusses und zur Besetzung einiger Ölfelder in Syrien.

Aber der Schaden war immens, besonders für die kurdischen Verbündeten der Amerikaner. Und diese Geschichte könnte sich wiederholen.

Denn die syrischen Kurden drohen erneut zum Opfer eines türkischen Angriffes zu werden. Wie Trump am Montag erklärte, sei es "in Ordnung", dass sich die Türkei mit Stellvertreter-Milizen in den Syrien-Krieg einmische. Wahrscheinlich wird der Republikaner dem türkischen Staatschef keine Steine in den Weg legen. Doch es ist unklar, ob Ankara überhaupt so lange mit einem Angriff warten wird.

Eines ist klar: Erdoğan droht kurdischen Milizen schon jetzt mit ihrer Zerstörung und bereitet sich auf den Sturm vor. Es droht eine neue Eskalation des Krieges in Syrien, die die Suche nach einer neuen politischen Ordnung in dem vom Bürgerkrieg gebeutelten Land ernsthaft gefährden könnte.

Türkei setzt auf Krieg

Schon jetzt hat die Türkei Artillerie, Panzer und schweres militärisches Gerät an der Grenze zu Syrien zusammengezogen. Sie soll kurz vor einem weiteren Angriff auf die kurdisch dominierten Milizen der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) in Nordsyrien sein, fürchten Experten. Schon während des Vormarsches der Milizen von Haiat Tahrir al-Scham (HTS) gegen Assad griffen Kämpfer der von der Türkei kontrollierten Syrischen Nationalarmee (SNA) die Kurden an und eroberten etwa Manbidsch. Aber das reicht Erdoğan offenbar nicht aus.

Laut dem türkischen Präsidenten wird es sein Land nicht zulassen, dass Syrien erneut geteilt werde. Damit will Erdoğan insbesondere mehr Autonomie der Kurden in Nordsyrien und einen kurdischen Staat in der Region verhindern. Er sieht die SDF als Ableger der verbotenen türkischen Terrororganisation PKK, die für 40.000 Todesopfer in der Türkei in den vergangenen Jahrzehnten verantwortlich ist. Aus ihrer Perspektive greift die Türkei in Syrien "Terroristen" an.

Das hat zumindest einen wahren Ursprung. Denn die syrisch-kurdische Miliz YPG, die die SDF dominiert, sieht in dem PKK-Gründer Abdullah Öcalan einen Vordenker. Aber die PKK, die YPG und allgemein der kurdische Unabhängigkeitskampf sind so schwach, dass die Türkei aktuell eigentlich keinen weiteren Krieg bräuchte. Im Gegenteil: Die Türkei könnte den Konflikt aus einer Position der Stärke befrieden. Aber Ankara möchte diese Überlegenheit aktuell offenbar militärisch nutzen.

"Zerstörung der YPG ist strategisches Ziel der Türkei"

Besonders deutlich wurde der türkische Außenminister Hakan Fidan in einem Interview mit dem türkischen Fernsehsender NTV Haber: "Die Zerstörung der YPG ist ein strategisches Ziel der Türkei." Er forderte "nicht-syrische" Elemente der YPG auf, das Land zu verlassen, so Fidan weiter. Der Rest ihrer verbliebenen Kämpfer müsse nun die Waffen niederlegen. Diese Drohung untermauert die Türkei aktuell eben mit dem Zusammenziehen von Spezialeinheiten und militärischem Gerät.

Für die SDF ist dies eine existenzielle Bedrohung. Sie musste in den vergangenen Jahren ein Bündnis mit Assads Armee schließen und darauf vertrauen, dass Russland einen türkischen Angriff verhindert. So entstand ein sehr wackeliges Machtgleichgewicht in "Rojava", so nennen die Kurden das von ihnen kontrollierte Gebiet im Norden Syriens.

Doch nun sind die Sicherheitsgarantien für die Kurden erodiert. Die SDF bestand aus einer Vielzahl von Milizen, die nicht unbedingt alle kurdisch waren. Sie einte der Kampf gegen die Terrormiliz IS. Einige Volksgruppen wollten sich indes weder Islamisten noch Assads Armee anschließen.

Die Zusammenarbeit mit den kurdischen Milizen war für viele Volksgruppen ein guter Kompromiss. Doch auch das hat Assads Sturz geändert: Einige arabischstämmige Milizen sind des Kampfes müde, und mit Blick auf eine Auseinandersetzung mit der Türkei haben sie das Bündnis mit den Kurden bereits verlassen, um sich der HTS anzuschließen.

Die Kurden sind also in vielfacher Hinsicht geschwächt. Die russische Armee verlässt das Land, Assad wurde gestürzt, und die Amerikaner sind nur noch mit 900 Soldaten im Land. Sie sind Erdoğan ausgeliefert, der sich nach vielen Jahren Syrien-Krieg als Sieger fühlt und den Preis dafür einsammeln möchte.

Die Möglichkeit dazu hat er: Immerhin verfügt die Türkei über die zweitgrößte Armee in der Nato, und Ankara setzt nun offenbar auf diese Stärke – so wie es Israel im Süden Syriens auch tut.

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Westen will Erdoğan bremsen

Es stellt sich lediglich die Frage, wie weit der türkische Präsident gehen würde. Möchte er lediglich eine Pufferzone zwischen den syrischen und der türkischen Staatsgrenze etablieren, wie er es auch bei einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ankündigte? Oder möchte er SDF und YPG komplett zerschlagen? Das ist noch offen.

Es sind wahrscheinlich lediglich ihre internationalen Partner, die die Türkei von einer Eskaltion abbringen könnten. Syrien steht vor einem politischen Neuaufbau. Auch westliche Staaten schicken daher dieser Tage Delegationen nach Damaskus, um mit der von der HTS dominierten Führung zu sprechen. Eine neue Eskalation des Krieges im Norden würde diese Prozesse gefährden. Europa fürchtet zudem weitere Flüchtlingsströme, sollte sich Erdoğan nicht zurückhalten.

Die Wut auf den türkischen Präsidenten ist dementsprechend schon jetzt groß. Doch westliche Diplomaten sind sich des Einflusses bewusst, den Erdoğan nun in Syrien hat. Sie versuchen aktuell daher nicht, das Schlimmste zu verhindern.

Nach dem Sturz von Assad hatte auch US-Außenminister Anthony Blinken die Türkei besucht, um den türkischen Präsidenten zu bremsen. Mit überschaubarem Erfolg: Erdoğan betonte auch bei diesem Treffen, dass die Türkei "präventive Maßnahmen" für ihre nationale Sicherheit gegen "alle terroristischen Organisationen, die in Syrien operieren", ergreifen werde.

Das ist aus westlicher Perspektive relativ makaber. Denn es waren kurdische Milizen, die am Boden in Syrien die Terrormiliz IS besiegten und bis heute Gefängnisse bewachen, in denen zahlreiche IS-Kämpfer sitzen.

Aber der Besuch von Blinken zeigte auch, dass die Biden-Administration nach dem Wahlsieg von Trump nur noch wenig Macht ausstrahlt. Erdoğan kann sich zurücklehnen, eine weitere Eskalation des Krieges vorbereiten. Bis ab dem 20. Januar wieder ein US-Präsident im Weißen Haus sitzt, der ihm ohnehin mehr Freiheiten für militärische Abenteuer lassen könnte – besonders in Syrien.

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