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Wasserkrise um Nil: Droht Ägypten, Sudan und Äthiopien Krieg?


Streit um Staudamm
Es droht der erste Krieg um Wasser

Von t-online, pdi

25.12.2024 - 15:52 UhrLesedauer: 4 Min.
Konflikt n Ost-Afrika: Der Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm sorgt für einen heftigen Streit um Wasser.Vergrößern des Bildes
Konflikt in Ost-Afrika: Um den Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm ist ein Streit um Wasser entbrannt. (Quelle: X/ @Grand_GERD)
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Ein Staudamm bringt Ägypten, Äthiopien und den Sudan in eine gefährliche Lage. Die drei Länder verfolgen jeweils eigene Interessen. Experten warnen: Ohne Diplomatie droht ein Krieg.

Bei Kämpfen um Ressourcen geht es weltweit oft um Öl- oder Gasvorkommen. Doch nicht zuletzt aufgrund der Klimakrise rückt eine andere Ressource immer weiter in den Fokus internationaler Spannungen: Wasser. Ein Beispiel dafür ist der Konflikt um die Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre (GERD) in Äthiopien. Hier birgt der Streit um den Staudamm erhebliches Eskalationspotenzial zwischen Ägypten, dem Sudan und Äthiopien.

Der Nil, Lebensader für Millionen Menschen, sorgt seit Jahrzehnten für Spannungen zwischen den Anrainerstaaten. Ägypten bezieht mehr als 95 Prozent seines Wassers aus dem Fluss und der wiederum bekommt 85 Prozent seines Wassers aus dem Blauen Nil. An diesem Zufluss für den Nil baute Äthiopien den Renaissance-Staudamm, eine existenzielle Bedrohung für Ägypten. Äthiopien hingegen betrachtet das Projekt als Schlüssel zur wirtschaftlichen Entwicklung und Energieversorgung des Landes. Der Sudan steht zwischen diesen Positionen, sowohl geografisch als auch politisch, und kämpft mit den Auswirkungen des Dammbaus auf die eigene Landwirtschaft.

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Was als Infrastrukturprojekt begann, könnte zu einem der ersten großen Kriege um Wasserressourcen werden.

"Frage nationaler Sicherheit"

Die Spannungen verschärfen sich, seit Äthiopien im Jahr 2022 begann, das Reservoir der GERD weiter aufzufüllen – ohne bindende Vereinbarung mit den Nachbarn. Ägypten forderte wiederholt klare Verpflichtungen zur Wasserfreigabe, um die eigene Wasserversorgung sicherzustellen, während der Sudan auf seine Interessen verwies. Beide Staaten sehen in der einseitigen Befüllung eine Missachtung gemeinsamer Interessen und betonen die Notwendigkeit internationaler Vermittlung.

Die UN haben sich bereits mehrmals mit dem Konflikt befasst, doch bisher blieben diplomatische Bemühungen erfolglos. Auch Vermittlungsversuche durch Drittstaaten wie die USA und neuerdings China konnten keine nachhaltige Lösung erzielen. Der französische Sicherheitsforscher Franck Galland sagte dem Informationsportal "Vatican News": "Leider ist eine Seite völlig unflexibel und tut so, als ob ihr Werk überhaupt kein Sicherheitsproblem aufwerfen würde." Der Experte weiter: "Natürlich ist dieser Staudamm ein wichtiger Faktor für Entwicklung – er sichert einem Land von 110 Millionen Einwohnern den größten Teil seiner Stromversorgung. Aber für Sudan und Ägypten stellt der Damm eindeutig ein schwerwiegendes Problem dar."

Die Eskalationsgefahr ist real. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat die Wasserversorgung des Landes als "Frage der nationalen Sicherheit" bezeichnet und militärische Optionen nie ausgeschlossen. Ägypten hat zuletzt militärische Präsenz in Nachbarstaaten wie Somalia gezeigt, um seinen geopolitischen Einfluss zu stärken. Der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed wiederum nutzt die GERD als Symbol nationaler Souveränität. Die Rhetorik beider Seiten wird zunehmend feindseliger.

Vermittlungsversuche bislang gescheitert

Experten warnen davor, dass Desinformation und nationalistische Propaganda die ohnehin angespannten Beziehungen weiter anheizen könnten. Dabei haben die Verhandlungen seit Jahren keine Fortschritte gemacht. Ein Grund dafür ist ein kolonialzeitlicher Vertrag aus dem Jahr 1929, der Ägypten das Recht einräumt, große Teile des Nilwassers zu nutzen und neue Projekte am Fluss zu blockieren. Großbritannien hatte den Vertrag initiiert, als es noch Kolonialmacht in der Region war, und Äthiopien als unabhängigen Staat nicht einbezogen – Addis Abeba lehnt das Abkommen daher vehement ab.

Ein bewaffneter Konflikt scheint nicht mehr undenkbar. Eine militärische Auseinandersetzung hätte verheerende Folgen für die Region und könnte auch internationale Akteure einbeziehen.

Die strategische Lage am Horn von Afrika und am Roten Meer macht diesen Konflikt zu einer Angelegenheit von globaler Bedeutung. Internationale Akteure wie die UN und die USA haben mehrfach versucht, zu vermitteln, allerdings bislang ohne nachhaltigen Erfolg. China, ein wichtiger wirtschaftlicher Partner sowohl Äthiopiens als auch Ägyptens, könnte aufgrund seiner starken Verbindungen in der Region eine entscheidende Rolle spielen.

Solche Bemühungen verdeutlichen, wie eng die regionalen Spannungen mit globalen Interessen verwoben sind. Ägypten ist die stärkste Militärmacht Afrikas, während Äthiopien mit Unterstützung aus der Brics-Gruppe und von Staaten wie der Türkei rechnet. Das ostafrikanische Land ist seit Anfang 2024 Mitglied der Brics-Organisation der aufstrebenden Schwellenländer.

Ein Szenario, das Beobachter als besonders gefährlich einschätzen, ist der Einsatz des Wassers als Druckmittel. "Je länger wir abwarten, desto höher das Risiko einer Eskalation", warnte Sicherheitsexperte Galland. Würde Äthiopien den Wasserfluss nach Ägypten in Trockenzeiten absichtlich drosseln, könnten die Konsequenzen für die Landwirtschaft und das Leben am Nil katastrophal sein. Umgekehrt könnte ein Angriff auf die GERD zu einer humanitären Krise in Äthiopien führen.

Hoffnung auf diplomatische Lösung

Trotz der angespannten Lage gibt es Ansätze für eine diplomatische Lösung. Die Idee einer multilateralen Verwaltung des Nilwassers – wie sie am Senegal-Fluss erfolgreich umgesetzt wurde – könnte ein Modell sein.

Im Jahr 1972 schlossen sich die Anrainerstaaten Senegal, Mauretanien, Guinea und Mali zusammen, um gemeinsam die Infrastruktur zu finanzieren und den Fluss nachhaltig zu nutzen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor war, ein gemeinsames Leitungskomitee zu etablieren, das wissenschaftliche und technische Informationen bereitstellt und deren Nutzung koordiniert. Alle beteiligten Staaten tauschen also wissenschaftliche und technische Daten aus und entscheiden gemeinsam über die Wasserentnahme und Staudamm-Management.

Darüber hinaus könnten externe Akteure wie China oder die Türkei als Vermittler auftreten. Beide Länder haben strategische Interessen in der Region und könnten mit diplomatischem Druck auf alle Seiten einwirken.

Der Nil-Konflikt zeigt, wie verwundbar Staaten durch den Zugang zu Ressourcen werden können. Die Abhängigkeit Ägyptens und Äthiopiens von diesen Ressourcen macht den Konflikt besonders brisant. In einer Welt, in der Wasser immer knapper wird, könnte der Streit um die GERD ein Vorbote für zukünftige Spannungen sein. Das zeigt der Konflikt um Wasser in Afrika, aber auch zwischen Iran und Afghanistan oder zwischen Indien und Pakistan gibt es vergleichbaren Streit.

Entscheidend im Ringen um die Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre wird sein, ob die beteiligten Parteien die Gefahr erkennen und die Bereitschaft zu einem fairen Kompromiss finden. Ohne eine Lösung droht die Eskalation – und damit ein Konflikt, der weit über die Grenzen des Nilbeckens hinausreicht.

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