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Merkel enthüllt: Das empfand Putin als Kampfansage


Merkel enthüllt
Das empfand Putin als Kampfansage

Von t-online, cc

Aktualisiert am 21.11.2024Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel und Wladimir Putin: Die Altkanzlerin zeichnet den Machthaber als "kindisch und verwerflich".Vergrößern des Bildes
Angela Merkel und Wladimir Putin: Die Altkanzlerin zeichnet den Machthaber als "kindisch und verwerflich". (Quelle: imago stock&people)
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Sie waren mit Spannung erwartet worden: Angela Merkels Memoiren erscheinen nun in Auszügen. Darin finden sich erhellende Rückblicke auf die Weltpolitik.

In ihren mit Spannung erwarteten Memoiren gibt die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel Einblicke in ihre Amtszeit und die Herausforderungen der Weltpolitik. Merkel reflektiert unter anderem das Verhältnis zu Donald Trump und Wladimir Putin, zwei der einflussreichsten Staatsmänner ihrer Amtszeit. Das geht aus Auszügen des Buches "Freiheit: Erinnerungen 1954-2021" hervor, die am späten Mittwochabend vorab in der Wochenzeitung "Die Zeit" veröffentlicht wurden.

Darin schildert Merkel detailliert das politische Spannungsfeld rund um den angestrebten Nato-Beitrittsprozess der Ukraine und Georgiens. Merkel erteilte den Bemühungen der beiden westlich orientierten Länder beim Nato-Gipfel in Bukarest 2008 eine Absage – was nicht wenige politische Beobachter der Altkanzlerin später als schwerer außenpolitischer Fehler vorwarfen. Sie habe insbesondere die Ukraine dadurch dem hegemonialen Machtkalkül des russischen Diktators preisgegeben, heißt es im Rückblick.

Merkel wehrt sich in ihren Erinnerungen gegen die Kritik. Sie beschreibt das Zustandekommen ihrer ablehnenden Haltung und verweist dabei auch auf den Charakter Putins. Dieser habe von Russland als einer Supermacht wie zu Zeiten des Kalten Krieges geträumt, als die Sowjetunion und die USA sich unversöhnlich gegenüberstanden.

"Die Annahme, dass Putin die Zeit zwischen dem MAP-Beschluss [Anm.d.Red.: "Membership Action Plan", eine Vorstufe der Nato-Mitgliedschaft] und dem Beginn einer Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens einfach so verstreichen lassen würde, hielt ich für Wunschdenken, Politik nach dem Prinzip Hoffnung."

Merkel: Das hat Putin als Kampfansage empfunden

Merkel schreibt, dass Putin seit seinem Amtsantritt im Jahr 2000 alles daran setzte, Russland wieder zum wichtigsten Akteur auf der Weltbühne zu machen – nach den USA. Eine Nato-Mitgliedschaft zweier Länder, die unmittelbar im russischen Einflussbereich liegen, hätte er laut ihrer Einschätzung nicht einfach so akzeptiert. Darum wollte sie unbedingt vermeiden, dass die Nato in der Frage der Mitgliedschaft für die Ukraine und Georgien nicht mit einer Stimme sprach, wie es beim Irakkrieg gewesen war – ein dezenter Hinweis auf das Nein Gerhard Schröders im Sommer 2002. Der SPD-Kanzler hatte den USA den militärischen Beistand beim Einmarsch in den Irak verweigert und den wichtigsten Verbündeten Deutschlands damit brüskiert.

Allerdings zeigt sich Merkel auch selbstkritisch in ihren Memoiren. So habe der Kompromiss von Bukarest "seinen Preis" gehabt: "Dass Georgien und die Ukraine keine Zusage für einen MAP-Status bekamen, war für sie ein Nein zu ihren Hoffnungen. Dass die Nato ihnen zugleich eine generelle Zusage für ihre Mitgliedschaft in Aussicht stellte, war für Putin ein Ja zur Nato-Mitgliedschaft beider Länder, eine Kampfansage."

Dass jemand wie Putin solch eine Kampfansage nicht vergessen würde, sei ihr bald klar geworden. So habe Putin bei anderer Gelegenheit zu ihr gesagt: "Du wirst nicht ewig Bundeskanzlerin sein. Und dann werden sie Nato-Mitglied. Und das will ich verhindern". Sie habe diese Aussage mit Sorge erfüllt, schreibt Merkel. Tatsächlich ließ der russische Autokrat seine Truppen im Jahr 2014 zunächst auf der Krim einmarschieren, bevor er im Jahr 2022 eine vollständige Invasion der Ukraine befahl.

Putin: Einschüchterung "ist in seiner DNA"

Wie schwierig sie das Verhältnis zu Putin wahrgenommen hatte, erfährt der Leser auch anhand eines Beispiels, das sich 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz zutrug. Der Kremlherrscher hatte dort eine von vielen Zuhörern als aggressiv bewertete Rede gehalten. Merkel widerspricht diesem Eindruck nicht. Sie zeichnet Putin als jemanden, "der immer auf der Hut war, bloß nicht schlecht behandelt zu werden, und jederzeit bereit, auszuteilen, Machtspiele mit Hund und Andere-auf-sich-warten-Lassen inklusive." Sie nennt das Verhalten des russischen Präsidenten "kindisch und verwerflich".

Mit den "Machtspielen mit Hund" spielt die Altkanzlerin auf eine Episode an, die sich ebenfalls im Jahr 2007 in Sotschi zugetragen hatte. Damals war Merkel von Putin in dessen Residenz am Schwarzen Meer empfangen worden. Zu dem Treffen brachte der Gewaltherrscher seinen Hund "Koni" mit, eine schwarze Labrador-Hündin.

Putin wusste bereits von Merkels Antrittsbesuch im Kreml im Jahr zuvor, dass die Kanzlerin Angst vor Hunden hat, seit sie einmal von einem Hund gebissen wurde. Der Auftritt in Sotschi war eine reine Machtdemonstration, ein Einschüchterungsversuch gegenüber der CDU-Politikerin, wie später auch deren Berater, Christoph Heusgen, einräumte. "Da merkt man einfach, dass er in seiner DNA dieser KGB-Mann ist." Putin selbst sagte später, er habe etwas "Nettes" für Merkel tun wollen.

Merkels Antwort auf Selenskyj

Explizit wendet sich Merkel auch an den ukrainischen Präsidenten und dessen Vorwurf an die Länder des Westens, sie hätten in Sachen einer Nato-Mitgliedschaft für sein Land eine "absurde Angst" vor Russland. Wolodymyr Selenskyj hatte dies noch unter dem Eindruck der schrecklichen Kriegsverbrechen im ukrainischen Butscha gesagt, die mutmaßlich von russischen Soldaten verübt wurden.

Merkel scheint dieser Vorwurf getroffen zu haben, in den Vorabauszügen ihrer Memoiren, die die "Zeit" nun veröffentlicht, antwortet sie auf Selenskyjs Vorwurf. So sei ihr die Verweigerungshaltung nicht leicht gefallen, sie habe aber schlicht eine andere Einschätzung bezüglich der Abschreckungswirkung eines Nato-Mitgliedsstatus für die Ukraine gehabt.

Ihre Memoiren, die sie vor der US-Präsidentschaftswahl fertigstellte, erscheinen am 26. November in über 30 Ländern. Eine Woche darauf wird Merkel das Buch in Washington gemeinsam mit dem früheren US-Präsidenten Barack Obama, zu dem sie eine enge politische Beziehung pflegte, der Öffentlichkeit präsentieren.

Verwendete Quellen
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