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Olaf Scholz telefoniert mit Putin: Ukraine kritisiert "Appeasement-Versuch"


Scholz telefoniert mit Putin
Selenskyj wütend: "Olaf öffnet die Büchse der Pandora"

Von t-online, jha, tos

Aktualisiert am 15.11.2024Lesedauer: 4 Min.
Putin angeblich offen für Gespräch mit ScholzVergrößern des Bildes
Wladimir Putin (l.) und Olaf Scholz: Der Kremlchef und der Bundeskanzler haben ihre zweijährige Funkstille beendet. (Quelle: ---Kay Nietfeld/dpa/AP/sputnik/dpa/dpa-bilder)
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Olaf Scholz hat mit Wladimir Putin über ein Ende des Kriegs in der Ukraine gesprochen. Darüber zeigt sich Präsident Wolodymyr Selenskyj gar nicht erfreut.

Nach fast zwei Jahren Funkstille hat Bundeskanzler Olaf Scholz wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. In dem einstündigen Gespräch haben der Kanzler und der Kremlchef über ein Ukraine-Abkommen gesprochen, heißt es aus deutschen und russischen Regierungskreisen. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat verärgert auf das Gespräch reagiert. Zuerst hatte die "Süddeutsche Zeitung" über das Telefonat berichtet.

"Der Bundeskanzler drängte auf eine Bereitschaft Russlands zu Verhandlungen mit der Ukraine mit dem Ziel eines gerechten und dauerhaften Friedens", teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Scholz habe auch die unverbrüchliche Entschlossenheit Deutschlands bekräftigt, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Aggression so lange wie nötig zu unterstützen.

Der russische Präsident hat in dem Telefonat gefordert, dass ein mögliches Abkommen zur Beendigung des Ukraine-Krieges die "neuen territorialen Realitäten" widerspiegeln müsse. "Mögliche Vereinbarungen sollten die Sicherheitsinteressen der Russischen Föderation berücksichtigen, von den neuen territorialen Realitäten ausgehen und vor allem die eigentlichen Ursachen des Konflikts angehen", erklärte der Kreml am Freitag in Moskau.

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Ukraine kritisiert Telefonat als "Appeasement-Versuch"

Nach dem ersten Telefonat hat Kiew verärgert reagiert. "Der Anruf von Olaf öffnet meiner Meinung nach die Büchse der Pandora", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Nachdruck in seiner abendlichen Videobotschaft. Scholz habe mit seinem Anruf Putins langgehegten Wunsch erfüllt, Russlands Isolation zu verringern und mit Gesprächen zu beginnen, die zu nichts führen werden. Putin habe dies jahrzehntelang so gemacht, sagte Selenskyj. "Das hat es Russland erlaubt, nichts an seiner Politik zu ändern, im Grunde nichts zu tun, und das führte gerade zu diesem Krieg", betonte der Präsident.

Kritik am Gespräch zwischen Scholz und Putin kam auch vom ukrainischen Außenministerium. "Gespräche mit dem russischen Diktator allein bringen keinen Mehrwert für einen gerechten Frieden", hieß es aus Kiew. Nötig seien aber "konkrete und starke Aktionen, die ihn zum Frieden zwingen, und nicht Überzeugungsarbeit und Appeasement-Versuche, die er als Zeichen der Schwäche sieht und zu seinem Vorteil nutzt".

"Appeasement" bezeichnet eine Politik der Besänftigung, mit der demokratische Staaten gegenüber aggressiven, autoritär regierten Nationen auftreten. Geprägt wurde der Begriff durch die gescheiterte Politik des britischen Regierungschefs Neville Chamberlain gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg zurück.

Scholz' und Putins letztes Telefonat liegt zwei Jahre zurück

Zuletzt hatten Scholz und Putin am 2. Dezember 2022 eine Stunde lang telefoniert. Nach einem Gipfel in der Schweiz im vergangenen Sommer bemüht sich der Kanzler gegenwärtig um eine zweite Ukraine-Friedenskonferenz, an der dann auch Russland teilnehmen könnte.

Der Westen hat wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine, der im Februar 2022 begann, die Gesprächskanäle nach Moskau weitgehend stillgelegt.

Letzte persönliche Begegnung kurz vor der Invasion

Zum letzten Mal hatte Scholz Putin gut eine Woche vor dem russischen Angriff auf die Ukraine bei seinem Antrittsbesuch in Moskau persönlich getroffen. Wegen Corona saßen beide im Kreml an einem riesigen ovalen Tisch, meterweit voneinander entfernt. Nach der Invasion gab es noch einzelne Telefonate, die dann aber abbrachen. Das hatte vor allem mit der russischen Kriegsführung in der Ukraine und fehlender Aussicht auf konkrete Ergebnisse zu tun.

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Scholz hatte in den vergangenen Monaten immer wieder gesagt, dass er zu einem Gespräch mit Putin bereit sei. Er wolle nur den richtigen Zeitpunkt finden. In der ARD erklärte der Kanzler am Sonntag, dass dieser Zeitpunkt "demnächst" gekommen sein könnte. "Ja, ich habe mir vorgenommen, mit dem russischen Präsidenten zur richtigen Zeit zu sprechen. Aber ich bin ein verantwortlicher Politiker, ich mache das nicht im Alleingang." Ein Gespräch mit Putin setze Kontakte und Gespräche mit vielen anderen voraus.

G20-Gipfel dürfte Anlass des Gesprächs sein

Der Zeitpunkt des Gesprächs dürfte mit dem bevorstehenden G20-Gipfel im brasilianischen Rio de Janeiro zusammenhängen, zu dem Scholz am Sonntag aufbricht. Dort wird auch der russische Außenminister Sergej Lawrow erwartet.

Putin selbst hatte am 18. Oktober seine Teilnahme am Gipfel abgesagt, um nicht "die normale Arbeit des Forums zu stören", das andere Themen habe. Gegen Putin liegt ein internationaler Haftbefehl des Weltstrafgerichts in Den Haag vor wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. Er würde in Brasilien eine Festnahme riskieren.

Die G20-Runde der führenden Wirtschaftsmächte aller Kontinente ist das einzige Gesprächsformat, in dem Russland und die Nato-Staaten noch hochrangig an einem Tisch sitzen. Scholz plant dort kein Gespräch mit Lawrow. Nach Angaben aus seinem Umfeld wird er aber mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping über den Ukraine-Krieg sprechen; er gilt als wichtigster Verbündeter Putins.

Scholz telefonierte zuvor auch mit Selenskyj

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nicht zum G20-Gipfel eingeladen. Scholz telefonierte am Mittwochabend mit ihm, um über die militärische und humanitäre Lage in der Ukraine zu sprechen. Laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit will Scholz ihn nun im Nachgang des Gesprächs mit Putin erneut anrufen.

"Der Bundeskanzler bekräftigte die anhaltende und unverbrüchliche Solidarität mit der Ukraine angesichts der seit nunmehr fast 1.000 Tagen anhaltenden Aggression Russlands", teilte Hebestreit anschließend mit. "Er versicherte, dass Deutschland die Unterstützung für die Ukraine auch im militärischen Bereich in enger Abstimmung mit europäischen und internationalen Partnern fortführen werde."

Kurz zuvor hatte Scholz aber im Bundestag bekräftigt, dass Deutschland die von der Ukraine gewünschten Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern nicht an die Ukraine liefern werde.

Verwendete Quellen
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