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Gefangenenaustausch mit Russland: Ein Fehler des Westens?


Gefangenenaustausch mit Russland
Was Russland macht, ist Terror


02.08.2024Lesedauer: 1 Min.
Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

Russia Putin US Prisoner SwapVergrößern des Bildes
Wladimir Putin empfängt den "Tiergartenmörder" Wadim Krassikow in Moskau. (Quelle: Mikhail Voskresensky/Sputnik/Kremlin Pool Photo via AP/dpa)

Russland und der Westen tauschen im großen Stil Gefangene aus. Mit dabei: ein Mann, der im Auftrag Russlands am helllichten Tag in Berlin mordete. Ein Pro und Kontra.

Es ist der größte Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen seit dem Kalten Krieg: 26 Inhaftierte kamen nun frei. Darunter sind der US-Reporter Evan Gershkovich, der Kremlkritiker Wladimir Kara-Mursa und der in Belarus zum Tode verurteilte Deutsche Rico Krieger. Deutschland ließ dafür den sogenannten Tiergartenmörder Wadim Krassikow frei. Hier lesen Sie die Hintergründe des Deals.

Der Austausch ist umstritten. Außenministerin Annalena Baerbock bezeichnete den Austausch als ein "hochsensibles Dilemma". "Die Entscheidung hat sich niemand in der Bundesregierung leicht gemacht", sagte die Grünen-Politikerin im Radiointerview mit BR24.

War es richtig, die Gefangenen auszutauschen?

Pro
David Schafbuch
David SchafbuchStellvertretender Ressortleiter Politik & Wirtschaft

Ja, denn die Entscheidung hat Leben gerettet

Es steht außer Frage, dass ein Gefangenenaustausch mit einem Schurkenstaat wie Russland Demokratien zu schwierigen Abwägungen zwingt. Am Ende hat dieser Deal aber vermutlich viele Leben von Menschen gerettet, die zu Unrecht in russischer Haft saßen. Wladimir Kara-Mursa ging es offenbar so schlecht, dass er die nächsten Monate wohl nicht mehr überlebt hätte. Evan Gershkovich hätte 16 Jahre im Straflager verbringen sollen: Alexej Nawalny fand nach etwa drei Jahren in einer solchen Anstalt den Tod.

Dafür zahlen die westlichen Staaten natürlich einen Preis: Putin schlachtet die Heimkehr der russischen Gefangenen aus und empfängt den Auftragskiller Wadim Krassikow und weitere verurteilte Spione wie Nationalhelden. Die Enttäuschung, die die Hinterbliebenen von Krassikows Opfer äußern, ist mehr als verständlich.

Doch wer jetzt sagt, dass sich der Kreml dadurch noch mehr motiviert sieht, weitere Killerkommandos in den Westen zu schicken, verschließt die Augen vor der Realität: Anschläge auf Oppositionelle und jeden, der aus russischer Sicht lästig erscheint, sind schon jetzt gängige Praxis für den Kreml.

Der Doppelagent Sergei Skripal wurde in England durch russische Agenten vergiftet. Der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow wurde in Litauen mit einem Hammer verprügelt, der Täter wurde laut Polens Regierungschef Tusk aus Russland angeheuert. Ein russischer Mordanschlag auf den Rheinmetall-Chef Armin Papperger soll erst kürzlich verhindert worden sein.

Auf ähnliche Anschläge müssen westliche Sicherheitsbehörden weiter vorbereitet sein. Die Drohungen des russischen Ex-Präsidenten Dmitri Medwedew zeigen, dass Kara-Mursa, Gershkovich und alle anderen Freigelassenen im Visier des Kreml bleiben. Für den Moment zählt aber nur: 16 unschuldige Menschen sind jetzt dort, wo sie hingehören, nämlich in Freiheit.

Kontra
Camilla KohrsRessortleiterin Politik und Wirtschaft

Nein, das macht Putin nur stärker

Keine Frage: Dass sie nun frei sind, ist eine sehr gute Nachricht für den US-Reporter Evan Gershkovich, für den russischen Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa und all die anderen, die zu Unrecht von Putins Unrechtsregime eingekerkert worden waren. Sie sind nun frei, können ihre Familien in die Arme schließen und die psychischen und gesundheitlichen Strapazen der Haft in Russlands berüchtigten Lagern mit der Zeit hoffentlich auch überwinden. Sie haben es verdient, in Freiheit zu sein. Punkt.

Das festzuhalten ist wichtig, denn es gibt in dieser Frage kein "Richtig" und kein "Falsch". Es gibt nur den kleineren Horror. Und an dieser Stelle haben sich die Regierungen Deutschlands, der USA und der restlichen Staaten für den größeren entschieden. Denn der Gefangenenaustausch macht uns erpressbar.

Welcher Journalist, welche Journalistin ist jetzt noch in Russland und in verbündeten Staaten sicher? Welcher Tourist? Jeder kann festgehalten und als Faustpfand für russische Kriminelle, Auftragsmörder oder Spione benutzt werden. Die Festnahme des Reporters Gershkovich und des deutschen Touristen Patrick Schöbel waren dafür Testballons. Und Russland kann einen Erfolg auf ganzer Linie verzeichnen.

Die Gefahr für westliche Staatsangehörige in Staaten wie Russland, Belarus, aber auch Iran oder Kuba, ist das eine Problem. Das andere: Die Risikobereitschaft auf russischer Seite dürfte steigen. Sie haben es geschafft, den Mann freizupressen, der am helllichten Tag mitten in Berlin einen Regimegegner ermordet hat. Kaltblütig, aus Rache. Nun steigt er als freier Mann in Moskau aus dem Flugzeug. Das Bild, wie er Putin in die Arme fällt, geht um die Welt. Warum also jetzt nicht den nächsten unliebsamen Oppositionellen aus dem Weg räumen?

Natürlich haben es Gershkovich, Kara-Mursa und alle anderen nicht verdient, in russischen Haftlagern zu verrotten und zu sterben. Das war ihr Schicksal, vor dem sie nun bewahrt wurden. Doch das, was Russland macht, ist Terror. Und unsere Regierungen haben dem nachgegeben – und den Kreml dadurch nur stärker gemacht.

 
 
 
 
 
 
 

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