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Afrika: Deshalb gewinnt Russland in der Sahel-Zone an Einfluss


Spannungen in der Sahel-Zone
Das hat Russland die Tür geöffnet

MeinungEin Gastbeitrag von Ulf Laessing, Konrad-Adenauer-Stiftung

20.07.2024Lesedauer: 4 Min.
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imago images 0141868058Vergrößern des Bildes
Unterstützer Russlands in Burkina Faso: In verschiedenen Staaten in der Sahelzone hat Russland an Einfluss gewonnen. (Archivfoto) (Quelle: Nicolas Remene/Le Pictorium/imago-images-bilder)

Mit der Sahel-Konferenz diese Woche in Berlin hat sich die Bundesregierung den neuen Realitäten in der Krisenregion gestellt. Die Militärregierungen von Mali, Niger und Burkina Faso weigerten sich, Minister zu schicken; doch es war richtig, ein Gesprächsangebot zu machen.

Die Sahel-Region wird seit über einem Jahrzehnt von Krisen erschüttert. Dschihadisten breiten sich aus und kontrollieren Teile von Mali, Niger und Burkina Faso. Die drei Länder zählen zu den ärmsten der Welt und verzeichnen enorme Bevölkerungswachstumsraten – in Niger bekommen Frauen im Schnitt sieben Kinder. Die Länder stehen praktisch vor dem Zusammenbruch, weshalb Militärs immer wieder die Macht übernehmen und sich als angebliche Retter darstellen. Sie verbünden sich mit Russland, das eine Chance wittert, Europa zu schaden.

Denn bei aller Armut sind die Sahel-Länder strategisch sehr wichtig, weil die Hauptroute für Armutsflüchtlinge aus Sub-Sahara-Afrika in Richtung Mittelmeer durch Niger geht.

(Quelle: Zoubeir Souissi)

Zur Person

Ulf Laessing ist Leiter des Regionalprogramms Sahel der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali. Zuvor hat er 13 Jahre als Auslandskorrespondent und Büroleiter bei der Nachrichtenagentur Reuters im Nahen Osten, Nordafrika und Afrika südlich der Sahara gearbeitet. Laessing ist Autor eines Buches über den Libyen-Konflikt. Er hat Geschichte, Islamwissenschaft und Volkswirtschaft in Hamburg, Leipzig und Kuwait studiert.

Die Militärregierung hat in einer ihrer ersten Handlungen die 2015 unter Druck der Europäischen Union geschlossene Route nach Libyen wieder geöffnet. Seitdem brummt das Schmugglergeschäft: Von Januar bis April 2024 zog es mehr als 160.000 Migranten von Niger nach Libyen oder Algerien. Die meisten waren junge Männer aus Niger, die nur in Libyen Arbeit suchen. Aber es kommen auch viele Menschen aus Westafrika oder Nigeria, die es traditionell per Boot nach Italien zieht.

Europa blockiert, Bundesregierung zerstritten

Deutschland und die Europäische Union haben sich sehr schwergetan, auf die Putsche zu reagieren; insbesondere die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, die den Sahel zu ihrem Einflussbereich zählt. Präsident Emmanuel Macron hat den Coup gegen den gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum in Niger vor einem Jahr nicht verkraftet. Paris hat seitdem auf EU-Ebene eine Annäherung an die neue Militärregierung blockiert – das Auswärtige Amt ist dem gefolgt.

Der deutsche Botschafter in Niamey, der drei Tage vor dem Putsch angekommen war, ist seit einem Jahr ohne Akkreditierung im "Radisson Blue" untergebracht. Erst jetzt, nach einem Jahr, hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock das Beglaubigungsschreiben unterschrieben. Ob die nigrische Seite nach einem Jahr des Wartens zustimmt, wird abzuwarten sein, zumal auf Druck des Auswärtigen Amts auch der Luftstützpunkt der Bundeswehr in Niamey entgegen ursprünglicher Planung des deutschen Verteidigungsministeriums nicht aufrechterhalten wird.

Gewählte Regierungen sind unbeliebt

Zugegeben, die Putschisten machen es einem nicht leicht: Sie halten seit einem Jahr Bazoum gefangen und zeigen keine Absicht, die Macht an Zivilisten zu übergeben. Doch kann Europa es sich leisten, ein Land in einer Krisenregion zu boykottieren, um das sich Russland aktiv bemüht und durch das eine Hauptmigrationsroute zum Mittelmeer führt?

Im Nachbarland Tschad, einem engen Verbündeten Frankreichs, hat die EU keine so hohen demokratischen Ansprüche gestellt und umstrittene Präsidentschaftswahlen mitfinanziert, die die Opposition als reine Farce bezeichnet hat. Stichwort Wahlen: Auch wenn es für Europäer schwer verständlich ist, sind im Sahel gewählte Regierungen derzeit eher unbeliebt, weil diese seit der Unabhängigkeit korrupte Eliten hervorgebracht haben. Die Juntas sind nicht bei allen beliebt, haben aber viele Unterstützer bei der jungen Bevölkerung.

Ampel zerstritten über Sahel-Umgang

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Verteidigungsministerium haben die geopolitischen Dynamiken im Sahel besser erkannt als das Auswärtige Amt, das eng der Linie Frankreichs folgt. Ministerin Svenja Schulze besuchte Burkina Faso und Boris Pistorius im Dezember in Niger zu einer Zeit, als das Auswärtige Amt noch auf Boykottlinie lag.

Die Blockadehaltung der EU hat nur die Tür für Russland geöffnet. Erst schloss Niger mit Moskau ein Abkommen zum Ausbau der militärischen Zusammenarbeit, um wie Burkina Faso and Mali Söldner und Waffen zu bekommen. Dann öffnete die Junta im gleichen Atemzug die Libyen-Landroute und empfing auch eine iranische Delegation, die angeblich an Nigers Uran interessiert war. Uran wurde bisher von einer französischen Staatsfirma ausgebeutet, jahrzehntelang zu äußerst günstigen Konditionen unter Wert – viele Menschen in Niger nehmen dies Frankreich bis heute übel.

EU ohne Strategie

Die Sahel-Konferenz diese Woche in Berlin wurde von Schulzes Ministerium organisiert, das zuständig ist, weil es bei dem Forum um eine Koordinierung von Geldgebern ging. Das Auswärtige Amt war dagegen, die Juntas von Mali, Niger und Burkina Faso einzuladen. Baerbocks Ministerium dürfte sich bestätigt fühlen, als diese absagten, Minister zu schicken. Die drei Sahel-Länder sind derzeit auf einem Powertrip und haben mithilfe Russlands eine neue Allianz gegründet, die sich als Gegenentwurf zu Frankreich und dem westafrikanischen Block Ecowas sieht.

Mauretanien, das eine gewählte Regierung hat, schickte seinen Wirtschaftsminister, der Tschad, der fünfte Sahel-Staat, einen Ministeriumsvertreter. Peinlich war die kurzfristige Absage der zuständigen EU-Kommissarin Jutta Urpilainen aus Finnland. Die EU ist einer der größten Geldgeber für Entwicklungsprojekte, hat aber keine Strategie. Die letzte Sahel-Strategie stammt von 2021 – noch vor der Putschwelle.

Ärgerlich ist auch, dass der Umgang mit dem Sahel ein Streitthema in der Ampelkoalition ist. Exakt zum Zeitpunkt der Konferenz flog Baerbock nach Senegal und Côte d'Ivoire, um ja nicht während dieser Zeit in Berlin zu weilen. Das Programm war eher dürftig. Baerbock wollte auch nach Mauretanien, sagte dann aber ab, weil sie zur Kabinettssitzung zum Haushalt am Donnerstag zurück in Berlin sein musste.

Maurentanien offen gegenüber Deutschland

Der Terminkonflikt half zu kaschieren, dass es mit dem dünn besiedelten Mauretanien wenig zu besprechen gab, was einen Besuch gerechtfertigt hätte – Baerbock hätte ja in Berlin den Wirtschaftsminister treffen können, um über Entwicklungsprojekte zu reden. Das wollte sie nicht, da dies dann im Rahmen von Schulzes Konferenz erfolgt wäre. Mauretanien dürfte über die Absage nicht traurig gewesen sein. Das Land steht Deutschland sehr offen gegenüber. Die Regierung muss aber aufpassen, sich nicht zu häufig mit westlichen Besuchern zu zeigen. Die muslimische Bevölkerung ist pro-palästinensisch eingestellt, und die Islamisten haben bei den letzten Wahlen zugelegt.

Es gab nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 eine Demonstration vor der deutschen wie anderen westlichen Vertretungen. Zwei Treffen mit deutschen Ministerinnen wäre aus Sicht der Mauretanier wohl eher zu viel gewesen. Es bleibt zu hoffen, dass die deutsche Sahel-Politik nicht weiter zum innenpolitischen Zankapfel und Profilierungsthema wird.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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