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"Caren Miosga": Mullah-Regime und das Ende der USA als Supermacht?


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"Eskalation in Zeitlupe"
Hat Deutschland auch bei diesem Thema versagt?


Aktualisiert am 15.04.2024Lesedauer: 5 Min.
Die Journalistin und Nahost-Expertin Natalie Amiri warf der deutschen Außenpolitik Versagen in Sachen Iran vor (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Die Journalistin und Nahost-Expertin Natalie Amiri warf der deutschen Außenpolitik Versagen in Sachen Iran vor (Archivbild). (Quelle: IMAGO/Christoph Hardt)

Dass das Mullah-Regime im Iran erstarken konnte, ist auch eine Folge deutschen Versagens. So sehen es jedenfalls die Experten in der Talkrunde bei "Caren Miosga".

Droht nach dem iranischen Angriff auf Israel eine Eskalation? Diese Frage stellte Caren Miosga am Sonntagabend in ihrer Sendung. Während die Chancen einer großen Eskalation als eher gering eingeschätzt wurden, sparte die Expertenrunde nicht mit Kritik an der langjährigen Iran- und Nahost-Politik Deutschlands und der Europäischen Union.

Die Gäste:

  • Bijan Djir-Sarai, Generalsekretär der FDP
  • Natalie Amiri, deutsch-iranische Journalistin, Orientalistin und Moderatorin "ARD Weltspiegel
  • Dr. Guido Steinberg, Nahost-Experte, Islamwissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik

Der Angriff des Iran auf Israel verdeutliche, wie naiv und uninformiert sich Deutschland und die Europäische Union in der Region bislang verhalten haben, urteilte die Expertenrunde bei "Caren Miosga". Nahost-Experte Steinberg sah ihn sogar als Indiz für das Ende der USA als Weltmacht.

Amiri: "Tabubruch"

Der Iran habe mit den Angriffen auf Israel in der Nacht auf den 14. April zwar einen Tabubruch begangen, eine große Eskalation strebe er jedoch nicht an – darüber waren sich vor allem Natalie Amiri und Guido Steinberg einig. Geht es nach der deutsch-iranischen Journalistin, verfolge der Iran eine Zermürbungsstrategie und handle nach dem Motto "sich brüsten, dementieren, runterspielen". Der Chef der iranischen Streitkräfte habe bereits anklingen lassen, dass die Sache für den Iran erledigt sei, sofern Israel keine Angriffe plane.

Steinberg sieht das Kalkül im iranischen Angriff auf Israel hingegen vor allem darin, dass man der eigenen Klientel, also den Hardlinern in den eigenen Reihen, eine ganz geschlossene Reaktion zeigen wolle. "Die Botschaft nach außen war: Wir wollen keinen großen Krieg". Davon zeuge auch das Faktum, dass man keine Zivilisten angegriffen habe, sondern sich auf militärische Ziele konzentriert habe. Wäre der Iran auf Zerstörung aus gewesen, hätte er außerdem die Hisbollah losgeschickt. "Darauf haben sie verzichtet.

Das sei auch ein Signal an die Israelis und die Amerikaner: Eigentlich wollen wir keine größere Eskalation, aber wir mussten hier irgendwas tun", so Steinberg.

Djir-Sarai: "Eine neue Dimension"

Der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, zeigte sich hingegen weniger überzeugt, dass der Iran keinen großen Schaden anrichten wollte. Man habe zumindest testen wollen, welche strategischen Abwehrfähigkeiten bei der israelischen Armee gegeben sind. Die Angriffe nennt Djir-Sarai "eine neue Dimension".

Bisher habe der Iran den Krieg gegen Israel indirekt geführt – "durch Proxys, Milizen, iranische Unterstützer in der Region wie Hisbollah im Libanon oder Hamas", erklärt der in Teheran geborene FDP-Politiker. Es sei für ihn nicht ausgeschlossen, dass man eine neue Intensität des Konflikts sehen würde. Er glaube zwar nicht, dass der Iran selbst weiter angreifen würde, dies könnte er aber seine Stellvertreter erledigen lassen.

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Auch über den nuklearen Status des Iran wurde gesprochen. "Ich gehe davon aus, dass Iran ein nuklearer Schwellenstaat ist", attestierte Steinberg. Das bedeute, dass sie binnen weniger Wochen das benötigte spaltbare Material für eine Waffe herstellen und dann innerhalb spätestens innerhalb eines Jahres auch eine entsprechende Waffe herstellen könnten.

Djir-Sarai: "Verfehlte Iran-Strategie"

Herbe Kritik an der westlichen Iran-Politik kam von allen Gesprächsteilnehmern. Djir-Sarai sprach von einer "komplett verfehlten Iran-Strategie", die uns jetzt große Probleme bereite. Die Iran-Strategie Europas und Deutschlands der letzten Jahre sei "außerordentlich naiv" gewesen. Das Atomabkommen habe er stets für einen großen Fehler gehalten, man habe sich außerdem auf diesen Aspekt versteift und andere Dinge übersehen.

"Die Pendeldiplomatie der letzten Jahre hat nicht funktioniert", attestierte Amiri. Man beobachte hier eine "Eskalation in Zeitlupe", eine konsequente Außenpolitik Deutschlands oder der EU gegenüber dem Iran habe es nie gegeben. Im Gegenteil, der Handel mit der islamischen Republik seitens der Bundesregierung sei trotz massiver Menschenrechtsverletzungen gestiegen. Die Mullahs bekommen mit, dass es trotz einer Radikalisierung des Irans keine Konsequenzen gibt.

Europa sei heute kaum noch ein Spieler im Nahen Osten, konstatierte Steinberg – das habe damit zu tun, dass im Nahen Osten Sicherheitspolitik gefragt sei, aber weder die Europäische Union noch Deutschland als sicherheitspolitischer Akteur auftreten.

Steinberg: "Zeichen, dass eine Epoche zu Ende geht"

Noch drastischer war seine Einschätzung der USA. "Ich glaube, dass wir jetzt beobachten können, was passiert, wenn eine Supermacht keine Supermacht mehr ist". Zwar habe es zwischen den USA und Israel auch in der Vergangenheit oft Unstimmigkeiten gegeben, jedoch sei es bemerkenswert, wie sehr Netanjahu in letzter Zeit alle Warnungen der USA in den Wind geschlagen und damit Joe Biden geschadet habe.

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Auch der Iran habe gegen die Warnungen der USA gehandelt. Vor einigen Jahren hätte dies noch ganz anders ausgesehen. Da man im Nahen Osten aber den Eindruck habe, die USA wollen sich zurückziehen, habe sich die Stellung und Position der Amerikaner verändert. Viele Regionalstaaten machen jetzt, was sie wollen: "Das ist ein Zeichen, dass eine Epoche zu Ende geht – die Epoche der amerikanischen Hegemonie im Nahen Osten und vielleicht sogar das Ende der amerikanischen Identität als Supermacht."

Djir-Sarai: "Niemand erwartet militärische Antworten von uns"

Ob im Falle eines Präventivschlags Israels auf die Hisbollah-Miliz Deutschland militärische Unterstützung zeigen solle? Diese Frage stelle sich laut Djir-Sarai nicht. "Niemand in der arabischen Welt erwartet von uns militärische Antworten. Deswegen sollte man die Debatte gar nicht führen". Die Israelis wären schon dankbar, wenn man anfangen würde, die Region endlich zu verstehen. Man habe das iranische Regime immer falsch eingeschätzt und Scheindebatten eingeführt.

Geht es nach Amiri, müsse sich Deutschland als mächtigstes Land überlegen, welche Rolle es im Nahen Osten übernehmen werde. Die Äußerung von Außenministerin Annalena Baerbock, dass die Hamas ihre Waffen niederlegen müsse und man dann in einen Friedensprozess eintreten könne, bezeichnete sie als "naiv". Der Friedensprozess beginne nicht, wenn die Hamas die Waffen niederlegt, sondern wenn Teheran eingedämmt wird.

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Es werde kein Weg an einer entschlossenen Eindämmungspolitik vorbeiführen, meinte Steinberg. Hierzu müsse ein Bündnis aus USA, Europa, Israel und Regionalstaaten wie Saudi-Arabien oder Ägypten geschaffen werden, das den Iranern entschlossen entgegentritt. Das Problem sei jedoch, dass sich die Lage geändert habe: Früher sei der Iran isoliert gewesen, habe nur auf Verbündete wie die Hisbollah oder die Hamas bauen können. Nun habe man aber auch Russland und China als Unterstützer. Er habe Zweifel daran, ob es für eine Eindämmungspolitik nicht bereits zu spät sei.

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Ein wenig Hoffnung hat indes Djir-Sarai: "Ich bin fest davon überzeugt, dass 90 Prozent der iranischen Bevölkerung die Angriffe ablehnen. In der iranischen Gesellschaft tut sich gerade einiges. Ich bin überzeugt, dass das System der islamischen Republik auf Dauer nicht erfolgreich sein wird", erklärte er.

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Auch Amiri sieht die iranische Bevölkerung als Problem für das Regime. Die Zustimmung ist "im Grunde genommen nicht mehr vorhanden". Die iranische Bevölkerung lache über den Spruch westlicher Politiker, dass Teheran jetzt sein wahres Gesicht zeige: "Die Bevölkerung sagt: 'Wir sagen es euch seit Jahren, dann schaut ihr wohl seit Jahren nicht hin'."

Wie sich Israel verhalten werde, bleibe abzuwarten – dass Netanjahu nach der Kritik an seiner Kriegsführung in Gaza der Angriff durchaus nützen könne, konnten sich die Gesprächsteilnehmer durchaus vorstellen. Eines müsse man jedoch klar benennen, urteilte Djir-Sarai: "Die Feindschaft geht vom Iran aus."

Verwendete Quellen
  • ARD: Sendung "Caren Miosga" vom 14. April 2024
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