Mit großer Verspätung Schiff mit Hilfsgütern für Gaza aus Zypern ausgelaufen
Seit geraumer Zeit wollen die EU und die USA Hilfsgüter über den Seeweg nach Gaza bringen. Das Schiff konnte nun endlich aus dem Hafen Zyperns auslaufen – dennoch bleiben Hindernisse bestehen.
Das Schiff "Open Arms" der gleichnamigen Hilfsorganisation ist am Dienstag mit großer Verspätung aus dem zyprischen Hafen von Larnaka in Richtung Gazastreifen in See gestochen. Ursprünglich hatte es bereits am Wochenende auslaufen sollen. Die Nichtregierungsorganisation zeigte in einem Video auf der Plattform X den Moment des Ablegens. Auch der zyprische Regierungssprecher, Giannis Antoniou, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur den Beginn der Fahrt.
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Das Schiff – ein umgebauter Schlepper – zieht eine Plattform, auf die Hilfsgüter geladen worden sind. Es handle sich um rund 200 Tonnen Trinkwasser, Medikamente und Lebensmittel, hieß es aus Regierungsquellen. Die Fahrt ist eine Probefahrt entlang der Route eines geplanten Hilfskorridors, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der zyprische Präsident Nikos Christodoulidis vergangenen Freitag in Larnaka angekündigt hatten.
Die Fahrt nach Larnaka könnte 60 Stunden dauern
Der Hafen von Larnaka liegt rund 400 Kilometer von Gaza entfernt. Da das Schiff langsam fährt, könnte die Fahrt bis zu 60 Stunden dauern. Die Route ist nicht ungefährlich: Im östlichen Mittelmeer wehen oft starke Winde, es gibt zudem starke Strömungen und keine anderen Inseln, die im Falle eines Sturms Schutz bieten könnten.
Wo und wie das Schiff nach Ankunft in den Gewässern vor Gaza seine Fracht entleeren soll, ist unklar. Das Anliefern der Güter gilt als große Herausforderung, weil es in Gaza nur einen kleinen Fischerhafen gibt, der nicht tief genug für Frachtschiffe ist. Das US-Militär will deshalb gemeinsam mit internationalen Partnern einen temporären Hafen einrichten.
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Von der Leyen erklärte am Dienstag in einer Rede vor dem Europaparlament in Straßburg, man werde mit kleineren Schiffen arbeiten, bis dieser Hafen bereit sei. Die Europäische Union werde die logistische Unterstützung im Hafen von Larnaka ausbauen und die Beförderung europäischer Waren durch den Korridor finanzieren und koordinieren. Ein EU-Koordinierungsteam befinde sich bereits in Zypern.
"Es ist das erste Mal seit 2005, dass ein Schiff Hilfsgüter in den Gazastreifen liefern darf. Dies ist ein zusätzlicher Rettungsanker für die Menschen im Gazastreifen", sagte von der Leyen über den Start des Schiffes. Sobald der geplante maritime Korridor voll funktionsfähig sei, könnte er einen nachhaltigen, geregelten und stabilen Fluss an Hilfsgütern in den Gazastreifen gewährleisten.
EU aktiviert Katastrophenschutzverfahren
Außerdem kündigte von der Leyen an, dass die EU ihr Katastrophenschutzverfahren aktiviere, um die Unterstützung für die Not leidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu verstärken. "Ich rufe alle Mitgliedstaaten auf, mit ihren Mitteln einen Beitrag zu leisten, um kontinuierliche und sinnvolle Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu ermöglichen", fügte sie hinzu. Das Verfahren soll unter anderem sicherstellen, dass geleistete Unterstützung dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Dazu wird insbesondere das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen tätig.
Zudem könnte auch der sogenannte Katastrophenschutz-Pool genutzt werden. Er ist eine Reserve von Ressourcen, die die europäischen Staaten für die Bewältigung von Katastrophen bereitstellen. Sie umfasst unter anderem Experten, Ausrüstung und Transportdienste.
Auswärtiges Amt hilft bei Evakuierung von 68 Kindern
Zugleich warnte von der Leyen, Hilfe allein werde die Krise nicht lösen. Die Menschen im Gazastreifen brauchten eine sofortige humanitäre Feuerpause, die zu einem nachhaltigen Waffenstillstand führen würde, sagte sie. Sie betonte, Israel habe das Recht, sich zu Verteidigen, müsse dabei aber den Schutz der Zivilbevölkerung gewährleisten.
Wie am Dienstag außerdem bekannt wurde, hat das Auswärtige Amt am Samstag die Evakuierung von 68 palästinensischen Kindern im Alter zwischen 2 und 14 Jahren aus einem SOS-Kinderdorf in der umkämpften Stadt Rafah im Süden Gazas unterstützt. Das berichtete der "Spiegel". Darüber hinaus seien elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie deren Familienangehörige evakuiert worden.
Botschafter Seibert hielt sich am Grenzübergang auf
Insgesamt verließen demnach 95 Menschen am Samstag den Gazastreifen über den Landweg über Ägypten und Israel ins Westjordanland. Ein SOS-Kinderdorf in der Stadt Bethlehem habe sie dort am Montagabend aufgenommen. "Wir sind erleichtert, dass unsere intensiven Bemühungen gestern endlich Erfolg hatten", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts dem "Spiegel". Er bestätigte damit vorausgegangene Berichte israelischer Medien. Es handele sich "um eine temporäre Evakuierung aufgrund der aktuellen Notlage."
Um die Operation nicht zu gefährden, sei es wichtig gewesen, die Evakuierung diskret abzuwickeln. "Wir können vom Glück sagen, dass dies erst kurz nach der Ankunft in Bethlehem in israelischen Medien publik wurde", zitierte der "Spiegel" aus Kreisen, die mit der Aktion befasst waren. Die Ausreise der Kinder und Erwachsenen wurde dem Bericht zufolge eng durch deutsche Vertreter begleitet, so hielt sich auch der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, stundenlang am israelisch-ägyptischen Übergang auf.
Die humanitäre Lage der Menschen in Gaza spitzt sich seit Wochen dramatisch zu. Es fehlt am Nötigsten. Auslöser des Gazakrieges war ein Massaker, das Terroristen der Terrorvereinigung Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober im Süden Israels verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1.200 Menschen getötet. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive im Gazastreifen. Auf palästinensischer Seite wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde seit Kriegsbeginn mehr als 31.100 Menschen getötet.
- Nachrichtenagentur dpa
- Vorabmeldung des "Spiegel"