"Leidenschaft für Europa gewachsen" Von der Leyen will zweite Amtszeit als EU-Kommissionschefin
Ursula von der Leyen will erneut Kommissionschefin der EU werden, das erklärte sie am Montag in Berlin. Kritik kommt von den Grünen.
Ursula von der Leyen strebt eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission an. Sie erklärt den Wunsch auf eine Wiederwahl mit dem Verlauf der ersten Amtszeit. "In diesen fünf Jahren ist nicht nur meine Leidenschaft für Europa gewachsen, sondern natürlich auch meine Erfahrung, wie viel dieses Europa für seine Menschen leisten kann", sagte die Politikerin am Montag in Berlin nach ihrer Nominierung durch die CDU.
Von der Leyen erinnerte daran, dass sie vor fünf Jahren intuitiv Ja gesagt habe, als die Frage aufgekommen sei, ob sie sich vorstellen könnte, Kommissionspräsidentin zu werden. Heute, fünf Jahre später, treffe sie hingegen "eine ganz bewusste und wohlüberlegte Entscheidung". "Ich möchte mich für eine zweite Amtszeit bewerben", sagte sie.
Als einen Erfolg ihrer ersten Amtszeit nannte von der Leyen unter anderem den Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und die Förderung von Investitionen in eine saubere und eine digitale Industrie. "Wir haben Europa auf die Zukunft und die Zukunftsaufgaben ausgerichtet", sagte sie.
EVP in Umfragen klar vorne
Die Wahl des EVP-Kandidaten für den Topposten soll bei einem Parteikongress am 7. März erfolgen. Dass von der Leyen dort die notwendige Stimmenmehrheit erhält, gilt als sicher. Mögliche Gegenkandidaten sind bislang nicht bekannt.
Zu der europäischen Parteienfamilie EVP gehören neben der deutschen CDU und CSU unter anderem die österreichische ÖVP, die italienische Forza Italia oder Spaniens konservative Volkspartei PP. In Umfragen liegt die EVP bei der Europawahl klar vorne. Die Chancen sind deswegen groß, dass von der Leyen Präsidentin bleiben kann.
Parteifreunde: Perspektive für Wirtschaft schaffen
Der thüringische CDU-Landeschef Mario Voigt sagte schon vor Beginn der Sitzung, dass die nächste Legislatur nach der Europawahl im Juni ganz wichtig für Europa werden würde. "Geopolitisch sind wir wahnsinnig herausgefordert. Die Wettbewerbsfähigkeit Europas steht auf dem Spiel." Daher werde es "darum gehen, dass wir wieder an die Werte und Traditionen anknüpfen, die Europa groß gemacht haben".
Deswegen werde er sich "dafür einsetzen, dass das unsinnige Verbrennerverbot zurückgenommen wird. Das schadet dem Automobilstandort und schwächt vor allen Dingen auch Deutschland." Von der Leyen habe Europa in schwierigen Zeiten gut durch unsicheres Wasser gesteuert.
Stellvertretender CDU-Vorsitzende Andreas Jung fordert "Clean Deal"
Auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung sagte, es gehe nun darum, eine Perspektive für die Wirtschaft zu schaffen. "Wir brauchen einen Clean Deal für nachhaltiges Wachstum in Europa. Wir müssen Klimaschutz und Wirtschaft zusammenbringen." Dafür setze die CDU auf saubere Technologien statt auf dirigistische Regeln.
Zur Rücknahme des Verbrenner-Verbots auf EU-Ebene sagte Jung. "Wir sind uns mit Ursula von der Leyen einig, dass es auf die CO2-Bilanz ankommt." Bei einem Treffen mit dem CDU-Präsidium am Sonntagabend habe von der Leyen deutlich gemacht, "dass es auch ihr Weg ist, der von uns unterstützt wird. Dass es auf die CO2-Bilanz ankommt." Ein Elektroauto sei klimafreundlich, wenn es mit erneuerbaren Energien betrieben werde, sagte Jung. Dies könne aber auch mit sogenannten E-Fuels gemacht werden. "Das liegt in Europa auf dem Tisch. Ursula von der Leyen unterstützt es. Es kommt darauf an, was an CO2 rauskommt." Beim Klimaschutz müsse technologieoffen vorgegangen werden.
Grüne: von der Leyen führt das Spitzenkandidatenprinzip ad absurdum
Kritik kam hingegen von den Grünen. Diese üben scharfe Kritik daran, dass Ursula von der Leyen zwar eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin will, aber nicht bei den Europawahlen antritt. Es irritiere, dass von der Leyen nirgends auf dem Wahlzettel zu finden sein werde, sagte der Delegationssprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament, Rasmus Andresen. Mehr zu den Reaktionen auf von der Leyens Kandidatur lesen Sie hier.
Schon 2019 hat von der Leyen nicht kandidiert
Von der Leyen war bereits 2019 Kommissionspräsidentin geworden, ohne zuvor bei den Europawahlen angetreten zu sein. Damals war sie allerdings nicht einmal Spitzenkandidatin der EVP für den Kommissionsvorsitz gewesen. Diese Position hatte damals der CSU-Politiker Manfred Weber. Ihm gelang es letztlich aber nicht, bei den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat eine Mehrheit für seine Wahl hinter sich zu vereinen. Letztere nominierten dann von der Leyen.
Dass der Spitzenkandidat einer Parteienfamilie für den Kommissionsvorsitz auch bei den Europawahlen kandidieren muss, ist nirgendwo festgeschrieben. Auch von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker war 2014 nur Spitzenkandidat für den Kommissionsposten und nicht Kandidat bei den Europawahlen.
Von der Leyen galt als Idealbesetzung
Als Präsidentin der EU-Kommission ist von der Leyen Chefin von rund 32.000 Mitarbeitern, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge überwachen. Zudem sitzt die 65-Jährige bei fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als EU-Repräsentantin mit am Tisch. Das US-Magazin "Forbes" kürte von der Leyen erst jüngst wieder zur "mächtigsten Frau der Welt".
Für den Job an der Kommissionsspitze galt sie zumindest auf dem Papier bereits 2019 als Idealbesetzung. Von der Leyen wurde 1958 in Brüssel geboren, in dem Jahr, als Walter Hallstein als erster und bis zu von der Leyen letzter Deutscher Chef der Kommission wurde. Für diese Kommission arbeitete von der Leyens Vater, der spätere niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht. Die Tochter ging auf die Europaschule, auch deshalb spricht sie gut Französisch und Englisch.
Vor ihrem Wechsel nach Brüssel war von der Leyen unter anderem Verteidigungsministerin unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Mutter von sieben Kindern ist promovierte Medizinerin und war auch schon Bundesfamilienministerin, Arbeitsministerin und Sozialministerin in Niedersachsen.
- Nachrichtenagentur dpa