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Sicherheitskonferenz in München: Putin sorgt für den nächsten Schock


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Sicherheitskonferenz in München
Er löst den nächsten großen Schock aus


Aktualisiert am 17.02.2024Lesedauer: 6 Min.
Wladimir Putin: Der russische Präsident sorgt auf der Münchener Sicherheitskonferenz für große Empörung.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Der russische Präsident gibt auf der Münchener Sicherheitskonferenz Anlass für große Empörung. (Quelle: SPUTNIK/reuters)
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Im Angesicht der Kriege in der Ukraine und in Israel möchte die Nato auf der Münchener Sicherheitskonferenz Geschlossenheit und Stärke demonstrieren. Doch Wladimir Putin zieht mit einem Mord die Aufmerksamkeit auf sich. Dahinter steckt eine Strategie.

Patrick Diekmann berichtet aus München.

Die Stimmung in München ist ohnehin schon ziemlich schlecht. Schon vor der diesjährigen Sicherheitskonferenz gab es immer wieder schlechte Nachrichten und die westliche Staatengemeinschaft sieht sich mit vielen Krisen konfrontiert, die sich immer weiter zuspitzen. Die Unterstützung der Ukraine stockt, Israels Krieg gegen die Terrororganisation Hamas sorgt im Gazastreifen für großes Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung und wäre das nicht genug, gibt es auch noch Donald Trump. Der ehemalige US-Präsident will Russland sogar dazu ermutigen, Nato-Mitglieder anzugreifen, die in seinen Augen nicht genug für Verteidigung ausgeben.

Für den Westen und seine Verbündeten geht es in München auch darum, diese Bomben zu entschärfen. Es soll ein Signal der Geschlossenheit aus der bayerischen Landeshauptstadt ausgehen, eine Art Selbstvergewisserung, dass es noch einen gemeinsamen westlichen Kurs gibt. Das ist eine immense Kraftanstrengung, die auch bei der Sicherheitskonferenz in konkrete Politik übersetzt werden muss.

Video | Auf der Suche nach einem Hoffnungsschimmer
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Quelle: t-online

Das bedeutet: Gemeinsam soll die Unterstützung der Ukraine ausgebaut werden, gemeinsam möchten die europäischen Staaten gegenüber den USA signalisieren, dass sie bereit sind, mehr Verantwortung bei der Verteidigung Europas zu übernehmen. Und gemeinsam soll in München im Dialog mit Israel und den Palästinensern um eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten gerungen werden.

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In Summe sollte also ein Signal der westlichen Stärke nach Moskau gesendet werden. Doch Wladimir Putin will das nicht zulassen. So versucht der Kreml am Freitag mit einem Mord genau die Botschaften zu sprengen, die sich westliche Politiker im Vorfeld der Sicherheitskonferenz zurechtgelegt hatten. Putin greift zu einem Schachzug, der nur zu gut in das Spielbuch des russischen Despoten passt.

Trumps Schatten legt sich über München

Es ist Freitag, kurz vor 9 Uhr. In wenigen Stunden soll die 60. Münchener Sicherheitskonferenz (MSC) mit den Reden des UN-Generalsekretärs António Guterres und von Christoph Heusgen, dem Vorsitzenden der MSC, offiziell beginnen. Doch das diplomatische Warmlaufen im Hotel "Bayerischer Hof" in der Münchener Innenstadt hat längst angefangen. In den Fluren laufen zahlreiche Delegierte hin und her: Politiker, Militärs, Sicherheitsexperten. Sie drängen sich durch die engen Gänge des Gebäudes, an den Rändern stehen kleine Gruppen zusammen, vertieft in Gespräche.

Zu diesem Zeitpunkt gibt es noch vor allem ein Gesprächsthema: Trump und seine Aussagen, die viele Diplomaten in München als verantwortungslos einstufen. Wie damit umgehen? Sollte sich Deutschland nuklear bewaffnen? All diese Fragen werden am Tagungsort breit diskutiert.

Auch deshalb steht die amerikanische Delegation bei der diesjährigen Sicherheitskonferenz besonders im Fokus. Neben Vizepräsidentin Kamala Harris und US-Außenminister Antony Blinken ist auch die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton nach Deutschland gekommen. Mit einem sehr ernsten Gesichtsausdruck läuft sie am Freitagmorgen im Hotel eine Treppe in den ersten Stock hinauf, vertieft in ein Gespräch mit der ehemaligen litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaitė.

Der Teil der US-Delegation, der es nicht mit Donald Trump hält, möchte bei der Sicherheitskonferenz eine Botschaft der Verlässlichkeit an die europäischen Partner der USA senden. US-Delegierte meinen gegenüber t-online: Joe Biden sei noch Präsident und Trump habe die Wahl im November noch nicht gewonnen. Im Gegenteil: Er sei noch nicht einmal offiziell der Präsidentschaftskandidat der Republikaner und anstatt sich voll auf den US-Wahlkampf konzentrieren zu können, stehe Trump noch immer im Fadenkreuz der US-Justiz.

Trotzdem legt sich eine mögliche weitere Trump-Präsidentschaft wie ein Schatten über München. Es gibt den Teil der US-Delegation, die die Wichtigkeit der transatlantischen Partnerschaft betonen möchten. Aber es sind auch Republikaner angereist, die Trump nahestehen. Ihre Forderung ist vor allem, dass Europa seine Verteidigung selbst finanziert. Die Ukraine und Putin seien ein europäisches Problem, meint etwa ein US-Delegierter zu einem osteuropäischen Diplomaten. Es sind Gespräche wie diese, die in Europa Ängste vor einer möglichen Zukunft mit Trump wecken.

Ausgestreckte Hand gegenüber Republikanern

Die USA sind seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges die zentrale westliche Ordnungsmacht. Aber dieses Selbstverständnis scheinen die Amerikaner immer mehr aufgeben zu wollen, der Nimbus des Weltpolizisten ist für sie nicht mehr erstrebenswert. Trump trifft dabei einen wunden Punkt der Nato. Nach seiner ersten Amtszeit sind viele europäische Staaten zu einer Realität zurückgekehrt, in der sie ihre eigene Verteidigungsfähigkeit nicht schnell genug ausbauen, um das Zwei-Prozent-Ziel der Nato kurzfristig zu erreichen. Und das trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine.

Trump verkennt allerdings, dass diese Entwicklungen Zeit brauchen, weil der Prozess beim Import von Rüstungsgütern – Planung, Bestellung, Lieferung – oft viele Jahre dauert. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Der ehemalige Präsident eskaliert lediglich ein Problem, mit dem man auch ohne ihn zu kämpfen hätte. Experten sind sich einig: Die Europäer werden künftig souveräner von den USA werden müssen – unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt.

Deswegen möchten viele europäische Delegierte in den Diskussionsrunden bei der Sicherheitskonferenz den Amerikanern demonstrieren, dass man perspektivisch zu mehr Souveränität bereit ist. Deutschland ist keine Ausnahme: Auch die Bundesregierung möchte mit der Sicherheitsvereinbarung zwischen der Ukraine und Deutschland – die Präsident Wolodymyr Selenskyj und Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin unterzeichnet haben – signalisieren, dass auch die Bundesrepublik künftig noch mehr Verantwortung übernimmt. Mehr zum Inhalt des Abkommens erfahren Sie hier.

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Es ist die ausgestreckte Hand gegenüber Trumps Republikanern, die noch immer im US-Kongress die Ukraine-Hilfen blockieren. Eine Strategie, die am Freitag um kurz vor 13 Uhr plötzlich wieder Geschichte ist.

Auf dem Gehweg vor dem Hotel "Bayerischer Hof" klingeln einige Mobiltelefone, viele Menschen blicken im Gehen auf ihre Geräte. Eilmeldung: Der bekannteste russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist tot. Bereitwillig ist Nawalny nach seiner Vergiftung im Jahr 2020 zurück nach Russland gegangen, wo ihn der Kreml wegen angeblichen Betrugs und Missachtung der Justiz inhaftieren ließ.

Das Entsetzen in München ist groß. "Mord", "typisch Putin", ist an vielen Ecken zu hören. Vor dem Hotel ruft ein Bundestagsabgeordneter den Journalisten zu: "Eine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn der Sicherheitskonferenz. Das ist kein Zufall." Er geht weiter, schüttelt mit dem Kopf.

Und tatsächlich. Nun spricht die Welt über Nawalny, über dieses kolossale Verbrechen. Es ist ein großer Schock, alles steht kopf. Viele Politiker, Kirchen, selbst Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußern sich. Nur Stunden nach Bekanntwerden von Nawalnys Tod zeigt sich dessen Frau Julia bei der Sicherheitskonferenz und ruft dazu auf, den russischen Staatschef Wladimir Putin "persönlich für alle Gräueltaten zur Rechenschaft" zu ziehen. Ein emotionaler Moment.

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Auch deutsche Politiker beziehen Stellung. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußert sich "zutiefst schockiert". Es gebe "nur eine Antwort auf diese Nachricht, nämlich die Geschlossenheit des Westens im Abwehrkampf der Ukraine". Auch Außenministerin Baerbock (Grüne) erklärt nach ihrer Ankunft in München: "Wie kaum ein anderer war Alexej Nawalny Sinnbild für ein freies und demokratisches Russland. Genau deswegen musste er sterben", meint die Politikerin. "Freiheit und Demokratie lassen sich nicht wegsperren."

Putins Strategie ist risikoreich

Es ist klar: Pistorius und Baerbock haben kurz vor ihrer Ankunft am Tagungsort ihre Reden anpassen müssen. Beide versuchen, Brücken von dem Tod Nawalnys zur Ukraine zu schlagen. Vielen Rednerinnen und Rednern geht es an diesem Tag ähnlich. Sie möchten über die Unterstützung für die Ukraine reden, Kompromisse innerhalb des westlichen Bündnisses finden, über Lösungen für das Leid der Menschen im Gazastreifen debattieren. Aber es geht am Beginn der Redebeiträge meistens um Nawalny.

Putin schafft es also, die Ermordung eines seiner größten Kritiker als Waffe gegen den Westen einzusetzen. Die Folge ist Chaos in München. Medien berichten über Nawalny, das Thema kostet Kapazitäten, die nun für andere Themen fehlen. Diese Manipulation passt in die Strategie des Kreml, Einigkeit im Westen zu untergraben.

Die Sicherheitskonferenz wird also zunächst von Trump getrieben, findet sich danach aber plötzlich in Putins Zange wieder. Am Ende des ersten Konferenztages bleibt die Hoffnung bei vielen Teilnehmern, dass der Mord an Nawalny die westliche Entschlossenheit bei der Unterstützung der Ukraine erhöht. Denn auch Putins Plan ist nicht ohne Risiko: Nun ist das russische Regime mehr als ohnehin schon Gesprächsthema und das könnte am Ende das Fundament des westlichen Widerstandes stärken, das in den vergangenen Monaten immer wieder bröckelte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Beobachtungen vor Ort
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