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Hamas-Angriff auf Israel: IDF kommunizierte wohl teils über WhatsApp-Gruppen


Chaos der israelischen Armee am 7. Oktober
Soldaten kommunizierten wohl teils über WhatsApp-Gruppen

Von t-online, mam

31.12.2023Lesedauer: 4 Min.
Israelische Soldaten bei einer Übung auf den besetzten Golan-Höhen (Archivbild): Am Montagabend griff die IDF Stellungen der syrischen Armee an.Vergrößern des Bildes
Israelische Soldaten bei einer Übung auf den besetzten Golan-Höhen (Archivbild): Sie erhielten am 7. Oktober offenbar keine klaren Anweisungen. (Quelle: JALAA MAREY/getty-images-bilder)
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Bereits kurz nach dem Angriff der Hamas wurde Kritik an Israels Sicherheitsbehörden laut. Nun zeigt sich, wie unvorbereitet die Armee offenbar wirklich war.

Die israelische Armee (IDF) gilt als eine der besten Militärstreitmächte der Welt. Doch als die Terrororganisation Hamas am 7. Oktober den Zaun von Gaza nach Israel durchbrach, war sie offenbar vollkommen unvorbereitet. Das legt eine Recherche der "New York Times" nahe. Demnach reagierten die verantwortlichen Kommandeure erst Stunden später und erteilten offenbar keine klaren Anweisungen an die Soldaten.

Das berichtet das US-Medium unter Berufung auf interne Dokumente der israelischen Regierung, einer Überprüfung des Materiallagers des Militärs sowie auf Dutzende Offiziere und Soldaten. Demnach sollen sich israelische Soldaten am Tag des Angriffs der Hamas auf Israel auch mit den sozialen Medien beholfen – und teils auf eigene Faust gehandelt haben.

Ein Plan fehlte offenbar

Die Kommandeure, die den ersten Anruf zu einem Raketenbeschuss im Süden Israels annahmen, reagierten dem Bericht zufolge erst mehr als eine Stunde später, nachdem sie alarmiert wurden. In dieser verübte die Hamas bereits ihr Massaker an israelischen Zivilisten. Auch einige Soldaten wurden in dieser Zeit zum Opfer der Hamas: Soldaten im Stützpunkt in Re'im etwa sollen erst gewusst haben, dass sie angegriffen wurden, als die Hamas in ihren Schlafquartieren war, zitiert die "New York Times" einen Soldaten. Demnach wurden mehrere Männer in ihren Kojen getötet. Andere verbarrikadierten sich in sicheren Räumen.

Erst später sollten dem Befehl des Kommandeurs zufolge israelische Einsatzkräfte nach Süden gehen, eine klare Anweisung aber habe es nicht gegeben. Auch sollen die Soldaten lediglich mit Pistolen und Sturmgewehren bewaffnet gewesen sein. Ein Beamter des Einsatzkommandos Maglan berichtet der "New York Times", man habe ihm am Morgen des 7. Oktober gesagt, dass es keine "konkreten Einsätze" gebe. Ihnen sei gesagt worden, sie sollten "einfach eine Waffe nehmen" und "Menschen retten".

Einen genauen Plan der israelischen Armee, wie sie auf einen groß angelegten Hamas-Angriff auf israelischem Boden reagieren sollte, habe es auch vor dem 7. Oktober nach Aussagen von Soldaten und Offizieren nicht gegeben. "In der Praxis gab es keine richtige Vorbereitung auf die Verteidigung, keine Übung, keine Ausrüstung und keinen Aufbau von Kräften für eine solche Operation", sagte auch Yom Tov Samia, ein Generalmajor der israelischen Reserve und ehemaliger Leiter des Militärkommandos Süd der "New York Times".

"Die Straßen waren leer!"

Am 7. Oktober soll dem Bericht zufolge zudem wegen eines Feiertags Personalmangel bei den Israel Defense Forces geherrscht haben – so sehr, dass die Soldaten keinen anderen Ausweg gesehen haben sollen, als in spontanen WhatsApp-Gruppen zu kommunizieren und ohne offizielle Anweisung zu handeln.

Ein Reservist sagte der "New York Times", dass seine Fallschirmjägereinheit ihren Stützpunkt in Zentralisrael, nicht weit von Tel Aviv entfernt, gegen 13.30 Uhr verlassen habe. Sie hätten auf eigene Faust mobilisiert, ohne einen formellen Einberufungsbefehl. Um Zeit zu sparen, seien sie ohne Nachtsichtgerät oder angemessene Körperpanzerung in den Einsatz gefahren.

Er habe erwartet, dass die Straßen voller Soldaten, Ausrüstung und gepanzerter Fahrzeuge in Richtung Süden seien. Doch: "Die Straßen waren leer!", so der Soldat. Ungefähr sieben Stunden nach Beginn des Angriffs der Hamas auf israelische Zivilisten seien die IDF noch immer nicht präsent gewesen. "Wo ist die IDF?", habe er seinen Kollegen gefragt. Zu dieser Zeit waren viele der insgesamt mehr als 1.200 Menschen, die durch die Hamas getötet wurden, wohl bereits nicht mehr am Leben.

IDF-Einheit bat wohl um Hilfe bei zivilem Hacker

Auch das Einsatzkommando Maglan, unweit des Gazastreifens, versuchte sich angesichts mangelnder Befehle selbst zu helfen: Es soll sich an Refael Hayun gewandt haben, einen zivilen Hacker, der früher für die IDF jahrelang die Terrororganisation Hamas überwachte. Der 40-Jährige lebt dem Bericht zufolge im israelischen Netivot, fünf Meilen von Gaza entfernt. Aus seinem Zimmer heraus soll er den IDF geholfen haben, die Orte zu lokalisieren, an denen die Hamas angriffen.

Mit Videos der Hamas und WhatsApp-Nachrichten von Israelis habe er genauere Informationen an die IDF weitergeleitet. "Hallo Refael, wir stecken in einem Müllcontainer in der Nähe des Partyortes fest. Bitte kommen Sie und retten Sie uns. Wir sind 16 Leute", zitiert die "New York Times" etwa eine Nachricht.

Auch die israelischen Soldaten selbst sollen sich dem Bericht zufolge an Material in den sozialen Medien orientiert haben. So soll etwa ein Kommandant die Soldaten an Bord eines Hubschraubers aufgefordert haben, Telegram-Kanäle und Nachrichtenberichte zu überprüfen, um Ziele auszuwählen.

Netanjahu in Bedrängnis

Auf Anfrage der "New York Times", die die IDF um eine Stellungnahme zu ihrer Recherche bat, äußerte sich diese nur knapp: "Die IDF konzentriert sich derzeit auf die Beseitigung der Bedrohung durch die Terrororganisation Hamas. Fragen dieser Art werden zu einem späteren Zeitpunkt geklärt", hieß es. Ähnlich hatte die Antwort bereits bei früheren Recherchen gelautet. So hatten US-Medien bereits kurz nach dem Angriff der Hamas berichtet, dass die israelische Regierung Warnungen des Geheimdienstes vor einem Angriff der Hamas bereits vor Monaten erhalten, jedoch nicht ernst genommen haben soll. Mehr dazu lesen Sie hier.

Mit der weiteren Recherche dürfte die Kritik an Israels Regierung nun weiter zunehmen. Diese hatte eine Untersuchung des 7. Oktober versprochen, nachdem Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bereits kurz nach dem Angriff der Hamas in die Kritik geraten war. Die Bevölkerung warf ihm vor, sie nicht ausreichend geschützt und die Situation falsch eingeschätzt zu haben – ein Irrtum, der sich offenbar noch am 7. Oktober fortsetze.

Wie die "New York Times" berichtet, sollen die verantwortlichen Militärs noch in den Morgenstunden davon ausgegangen sein, dass es der Hamas bestenfalls gelingen würde, den Grenzzaun nur an wenigen Stellen zu durchbrechen. Wie sich später herausstellte, hatten die Terroristen den Zaun jedoch an insgesamt 30 Stellen überwunden. Bei ihrem Angriff töteten sie 1.200 Zivilistinnen und Zivilisten und verletzten zahlreiche weitere. Noch immer soll die Terrororganisation israelischen Angaben zufolge zudem mehr als hundert Geiseln gefangen halten.

Verwendete Quellen
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