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Russland | Die große Putin-Show: Kremlchef gibt umstrittene Pressekonferenz


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Kremlchef bei großer Presseshow
Putin: Frieden erst mit "entmilitarisierter" Ukraine möglich


Aktualisiert am 14.12.2023Lesedauer: 8 Min.
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"Es wird Frieden herrschen, wenn wir unsere Ziele erreicht haben", sagte Putin am Donnerstag in seiner Jahrespressekonferenz in Moskau. (Quelle: reuters)

Kremlherrscher Wladimir Putin wendet sich in einem großen Medienspektakel an die russische Öffentlichkeit. Er inszeniert sich als Kümmerer der Nation.

Vor einem Jahr noch war das Spektakel ausgefallen, wohl deshalb, weil der Kreml nach der ausgerufenen Mobilisierung von 300.000 Rekruten kritische Antworten aus der Bevölkerung scheute. Nun äußert sich Wladimir Putin im russischen Fernsehen. Der Kremlchef hatte sich im Krieg gegen die Ukraine zuletzt immer öfter siegesgewiss – oder zumindest selbstbewusster – gegeben. Die ukrainische Armee erzielt derzeit kaum Fortschritte, die westliche Unterstützung für das Land lässt immer mehr nach.

Im Format "Direkter Draht" konnten Bürgerinnen und Bürger Fragen einreichen. Außerdem wird Putin eine Pressekonferenz mit einem Fazit für das Jahr 2023 abhalten. Allerdings wurden dazu nur handverlesene Journalistinnen und Journalisten zugelassen, nur sehr wenige unabhängige Berichterstatter erhielten eine Akkreditierung.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Putins Pressesprecher Dmitri Peskow sowie den Journalisten der staatlich kontrollierten Sender Kanal Eins und Rossija-1, Jekaterina Beresowskaja und Pawel Sarubin.

Putins Jahrespressekonferenz hat um 10 Uhr (12 Uhr Moskauer Zeit) begonnen und endete nach gut vier Stunden um kurz nach 14 Uhr. Lesen Sie hier Putins wichtigste Aussagen nach:

  • Um kurz nach 10 Uhr deutscher Zeit (kurz nach 12 Uhr Moskauer Zeit) erscheint er im Studio in der russischen Hauptstadt. Die erste Frage dreht sich um seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 in Russland. Er wird nach seinen Zielen für die Zukunft befragt. Er antwortet, dass die finanzielle und wirtschaftliche Souveränität des Landes Russland enorm wichtig sei und Russland gut dastehe. Das Land habe Reserven ansammeln können – entgegen der Erwartung von Beobachtern im Ausland, so Putin. Die Zentralbank unternehme alles Nötige, um die Wirtschaft stabil zu halten. Die Industrieproduktion steige, sagt Putin.
  • Die Arbeitslosigkeit gehe zurück, sagt Putin. Er ist bemüht, die Wirtschaft seines Landes möglichst positiv darzustellen. Der Kremlchef unterbricht seine Ausführungen häufig, um sich zu räuspern. Teils liest er Zahlen von Zetteln ab.
  • "Die Einkommen werden ungefähr um sieben Prozent steigen", sagt Putin, "durchschnittlich im Land. Die Statistik stimmt", meint der Kremlchef. Damit will er wohl Kritikern widersprechen, die anmahnen, dass immer mehr Russinnen und Russen in die Armut rutschen.
  • "Wann werden wir Frieden haben?", wird Putin nun gefragt. Putin antwortet mit Bezugnahme auf die sogenannte Denazifizierung in Russland. Damit begründet Russland seinen Angriffskrieg in der Ukraine – und so begründet auch Putin jetzt wieder den Krieg, der in Russland nur Spezialoperation genannt wird. Die Denazifizierung sei immer noch eine aktuelle Frage und solange sie aktuell sei, dauere auch die Spezialoperation. Putin verweist auf den ukrainischen Nationalhelden Stepan Bandera, der ein Nazi gewesen sei, wie Putin meint. Außerdem begründet Putin den andauernden Krieg mit der aus seiner Sicht nötigen Entmilitarisierung der Ukraine, die erst noch abgeschlossen werden müsse.
  • "Wird es eine weitere Mobilisierung geben?", fragt der Moderator. Dafür holt Putin aus. "Die Jungs kämpfen super, wirklich super", sagt Putin zunächst, wohl um den Soldaten seine Anerkennung auszusprechen. Es werden ständig massive Missstände aus der russischen Armee bekannt. Zum Ende des Jahres sollen ihm zufolge 412.000 Männer in der Ukraine kämpfen, behauptet der Kremlchef. 486.000 Rekruten habe Russland für den Kampf in der Ukraine gewonnen.
  • 1.500 Menschen täglich im gesamten Land würden sich bereit erklären, freiwillig in den Krieg zu ziehen, sagt Putin. Er betont damit, wie kampfeswillig die Soldaten seien, und will damit offenbar Zweifel an der Kampfkraft der Soldaten zerstreuen. "Letztendlich sind ja eigentlich alle Freiwillige", sagt Putin. Das ist falsch, Russland schickt auch Zwangsrekruten an die Front. Teils mit völlig mangelhafter Ausbildung von nur wenigen Wochen.
  • Nun antwortet Putin auf die eigentliche Frage: "Insgesamt sind es circa eine halbe Million Menschen (im Krieg, Anm. d. Red.)", sagt Putin, "deshalb brauchen wir keine Mobilisierung."

Inzwischen werden auch Fragen aus dem Publikum zugelassen. Es wenden sich unter anderem Politiker aus den Regionen sowie Berichterstattende an den Kremlchef. Sie halten Karten mit dem Namen ihrer Region oder ihres Mediums in die Höhe. Sprecher Peskow wählt aus, wer das Wort bekommt.

  • Eine Journalistin der staatlich kontrollierten Nachrichtenagentur Itar Tass fragt Putin, wie die Beziehungen zur EU wieder normalisiert werden können. Putin weicht aus und schiebt der EU die Schuld zu: "Wir haben die Beziehungen nicht verschlechtert", sagt er, das sei von den internationalen Partnern infolge der Situation in der Ukraine (des Kriegs, Anm. d. Red.) ausgegangen. Europäische Staaten sowie die USA hätten Russland daran gehindert, normale Beziehungen zur Ukraine zu etablieren, seit es in der Ukraine 2014 bereits zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen sei.
  • Viele europäische Politiker führten sich auf wie Charles de Gaulle, sagt Putin, und drohten mit Waffen. Den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán hingegen nimmt er in Schutz, der verteidige seine nationalen Interessen, sagt Putin. Orbán blockiert die Aufnahmen von EU-Beitrittsgesprächen für die Ukraine und bezieht weiter unter anderem Gas aus Russland. Mehr dazu lesen Sie hier.

Im Studio werden auch Fragen und Kommentare auf großen Monitoren eingeblendet. Russinnen und Russen erkundigen sich unter anderem danach, wann die hohen Lebensmittelpreise sinken und die Menschen endlich in dem Russland leben würden, das ihnen im Fernsehen präsentiert werde. Mit diesen vermeintlich kritischen Fragen will der Kreml womöglich Einwände entkräften, wonach es sich um eine reine Imageveranstaltung handelt. Auffällig ist jedoch, dass das Wort "Krieg" in diesen Beiträgen erscheint. In Russland darf der Krieg in der Ukraine so nicht genannt werden.

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Das Event "Direkter Draht" wird üblicherweise groß inszeniert und dauert stundenlang. Die längste Veranstaltung fand im Jahr 2013 statt. Damals antwortete Putin vier Stunden und 47 Minuten lang auf Fragen der Zuschauenden, die Zahl der Anrufer belief sich laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax auf mehr als drei Millionen. 2008 hielt der Präsident die längste Pressekonferenz ab: Vier Stunden und 40 Minuten lang antwortete er auf mehr als 100 Fragen.

  • Es werden Beiträge aus verschiedenen russischen, aber auch völkerrechtswidrig annektierten Gebieten wie der Halbinsel Krim ausgestrahlt. Die Gruppe "Kinder der Krim" sendet eine Propaganda-Videobotschaft. Putin reagiert auf die Frage, ob russische Athleten bei Olympischen Spielen antreten sollten. Er sagt, die "westlichen Eliten" würden sich in dieser Angelegenheit einmischen, was völlig unverhältnismäßig sei. Sie würden versuchen, zu unterminieren, dass der russische Sport sich entwickele. Russische Sportlerinnen und Sportler dürfen bei den nächsten Spielen antreten, aber nicht unter russischer Flagge und nur, wenn sie sich nicht aktiv für den Krieg in der Ukraine eingesetzt haben.
  • Nun geht es wieder um die sogenannten Freiwilligen an der Front. Ein Mann in Uniform wird ins Studio zugeschaltet. Er habe Anspruch auf Veteranenunterstützung, sagt er, er sei Mitglied einer privaten Kampfeinheit gewesen. Putin entgegnet: Es gebe in Russland formal keine privaten Militärgruppen in Russland, für sie gebe es auch keine Veteranenzahlungen vom Staat, sondern wenn, dann nur von privaten Unternehmen. Dennoch werde er sich kümmern, kündigt Putin an: "Ich verspreche, ich werde mein Bestes tun", sagt er – und kann sich damit als Kümmerer darstellen.
  • Putin geht nun auf die Renten im Land ein, die vergleichsweise gering sind, der Lebensstandard russischer Pensionäre ist sehr niedrig. Die Regierung habe bereits mehrere Anpassungen vorgenommen und 2024 würden weitere Erhöhungen folgen, versichert er. Die niedrigen Renten sind wiederkehrendes Thema beim "Direkten Draht". Putin gibt immer wieder Zusicherungen ab, dass die Renten steigen würden, doch die Unzufriedenheit darüber ist in der russischen Bevölkerung anhaltend sehr hoch.
  • Eine Journalistin der "New York Times", Valeri Hopkins, wird aufgerufen, ihre Frage zu stellen. Sie erkundigt sich danach, warum ihr Kollege, der "Wall-Street"-Journalist und US-Bürger Evan Gershkovich nach wie vor ohne rechtmäßigen Gerichtsprozess festgehalten werde und was unternommen werde, damit er nach Hause zurückkehren könne. Putin fragt erst um welchen "Austrian" (österreichischen) Kollegen es sich handele, macht dann aber schnell klar, dass er sehr wohl weiß, um wen es geht.
  • Er widerspricht, Gershkovich sei sehr wohl der Prozess gemacht worden. Das ist nicht der Fall. Seine U-Haft ist bis 29. Mai 2024 angesetzt. Dann könnte ein Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. "Wir wollen eine Einigung finden", sagt Putin, man sei dazu mit den US-amerikanischen Partnern im Dialog. Eine Lösung müsse aber auch für Russland zufriedenstellend sein. Seit der Verhaftung Gershkovichs ist ein Gefangenenaustausch im Gespräch. Gershkovich war im März im russischen Jekaterinburg während seiner Arbeit als Reporter festgenommen worden.
  • Ein Journalist eines französischen Senders fragt nun, ob Putin beabsichtige, sich bald mit dem Präsidenten Frankreichs, Emmanuel Macron, zu treffen. Putin bejaht. "Wir haben sehr gute Arbeitsbeziehungen", sagt Putin, das hätten gegenseitige Besuche in der Vergangenheit gezeigt. Aber Frankreich habe sich von Russland abgewandt. "Wir haben die Beziehungen nicht gestoppt, er hat das getan", sagt Putin. "Wir vermeiden keinen Kontakt, aber wenn der europäische Kontinent und Frankreich insbesondere – nicht mit uns reden will – wir brauchen sie nicht." Putin lässt dabei unerwähnt, dass Macron die Beziehungen zum Kreml in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg eingefroren hat. Und, dass Putin selbst per internationalem Haftbefehl gesucht wird und deshalb ein derartiges Treffen unmöglich wäre.
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  • Eine Journalistin der staatlich kontrollierten Nachrichtenagentur Ria Nowosti fragt nach der russischen Grenzregion zur Ukraine, Belgorod, die häufig unter Beschuss steht. Sie erkundigt sich, was getan wird, um den Bewohnern zu helfen. Dann wird eine offensichtlich dazu vorbereitete Videobotschaft eines Unternehmers aus der Region gezeigt, der vorschlägt, dort eine Sonderwirtschaftszone einzurichten. Diese Frage, sagt Putin, werde er der Regierung zur Prüfung vorlegen.
  • Nun danken Vertreter der ukrainischen Region Luhansk Präsident Putin – und bedienen damit die gängige Propaganda in Russland, wonach Putin die ostukrainische Region "heimgeholt" habe. Mit keinem Wort erwähnen sie, dass der Kreml die Region völkerrechtswidrig annektiert hat.

Die Fernsehshow dauert inzwischen knapp vier Stunden. Im Wechsel stellen Journalistinnen und Journalisten sowie regionale Politikerinnen und Politiker weiter Fragen. Es zeigt sich, dass der Krieg in der Ukraine in vielen Fragen mitschwingt.

  • Ein russischer Journalist fragt, ob der asiatische Markt eine gute Perspektive für Russland sei. Putin: "Wir arbeiten daran." Russland sende Kohle, Gas, Öl dorthin. Auch die Gasifizierung der Regionen Russlands gehe voran. 450.000 weitere Haushalte seien mit russischem Gas beliefert worden. Das staatliche Gasunternehmen Gazprom stellt Putin als "vertrauenswürdig" dar, der Konzern habe sich immer an seine Verpflichtungen gehalten. Aber der Westen, auch Deutschland, wolle das russische Gas nicht mehr. Die Gründe dafür, den Krieg in der Ukraine, verschweigt er.
  • Putin verdächtigt die USA, hinter den Angriffen auf die Pipeline Nord Stream 2 zu stecken. Deutschland sagt er eine Rezession voraus. Das Land habe "jetzt Probleme mit seiner Industrie". Auch betont Putin, dass man nun seine wirtschaftlichen Interessen in der Arktis weiter ausbaue. Lesen Sie hier mehr zu Russlands Aktivitäten in der Region.
  • Zum Schluss werden Putin ein paar "Blitzfragen" gestellt. Unter anderem will der Moderator wissen, was Putin derzeit lese. Er sagt: "Nun, ich sollte wohl unser Strafgesetzbuch noch einmal lesen." Offenbar seien manche Anwesende damit unzufrieden. "Ich habe nicht viel Zeit zu lesen", sagt er weiter. Auf seinem Nachttisch liege ein Gedichtband.

Die Presseshow endet nach mehr als vier Stunden. Kremldiktator Wladimir Putin erhält im Saal Standing Ovations.

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