"Würdeloser und schändlicher Missbrauch" Polens PiS-Partei löst mit Auschwitz-Video Eklat aus
Um Stimmung gegen einen Protest der Opposition zu machen, zeigt die polnische Regierungspartei Bilder aus Auschwitz – und erntet dafür scharfe Kritik.
Polens nationalkonservative Regierungspartei PiS hat Aufnahmen aus dem ehemaligen deutschen Konzentrationslager Auschwitz verwendet, um eine geplante Demonstration der Opposition zu diskreditieren. Die Gedenkstätte Auschwitz verurteilte das am Mittwoch veröffentlichte Video, Kritik kam auch vom American Jewish Committee (AJC), dem Internationalen Auschwitz Komitee und von Polens Staatsoberhaupt Andrzej Duda.
Das von der PiS per Twitter publizierte Video zeigt zu dem Geräusch marschierender Stiefel das Torhaus in Auschwitz und den Eingang des Stammlagers mit der zynischen Überschrift "Arbeit macht frei". Eingeblendet wird ein Tweet des PiS-kritischen Journalisten Tomasz Lis, der am Montag geschrieben hatte, es werde sich eine "Kammer" für Präsident Andrzej Duda und PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski finden.
Im Polnischen wird das Wort für "Kammer" meist mit "Gaskammer" assoziiert. Lis hatte sich später für den Tweet entschuldigt. In dem Video folgt dann die Frage: "Willst du wirklich unter diesem Motto mitgehen?" und das Logo der für den 4. Juni geplanten Protestdemo.
Gedenkstätte verurteilt Instrumentalisierung
Zu der Demonstration am kommenden Sonntag im Zentrum von Warschau hat der polnische Oppositionsführer Donald Tusk aufgerufen. In seiner Zeit als Regierungschef pflegten Tusk und die damalige Kanzlerin Angela Merkel enge Kontakte. Die PiS unterstellt ihm daher, Deutschland-hörig zu sein.
Die Gedenkstätte Auschwitz verurteilte die Instrumentalisierung der Tragödie von Menschen, die in dem Vernichtungslager im besetzten Polen gelitten hätten und gestorben seien, und sprach von einer "Beleidigung für die Erinnerung an die Opfer". Dies sei ein trauriger, schmerzlicher und inakzeptabler Ausdruck der moralischen und intellektuellen Korruption der öffentlichen Debatte, hieß es weiter in einem Tweet des Museums.
"Tiefpunkt politischer Wahlwerbung"
Tweet Auschwitz Gedenkstätte Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Dieser Tweet ist ein Tiefpunkt politischer Wahlwerbung und Geschmacklosigkeit. Für Auschwitz-Überlebende ist dies ein würdeloser und schändlicher Missbrauch dieses Ortes und ihrer Erinnerungen, der sie schmerzt."
In einer Stellungnahme des AJC hieß es, die Ausnutzung des Holocausts im politischen Kampf sei absolut inakzeptabel. Polens Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, sprach von einem "unwürdigen Akt, für den es keine Rechtfertigung gibt".
Der Name Auschwitz hat sich als Synonym für den Holocaust und Inbegriff des Bösen weltweit ins Bewusstsein eingebrannt. Allein dort brachten die Nationalsozialisten mehr als eine Million Menschen um, zumeist Juden. In ganz Europa ermordeten sie während der Schoah etwa sechs Millionen Juden.
Rechter polnischer Politiker greift Holocaust-Forscher an
Unterdessen sorgte ein weiterer Vorfall in Polen für Empörung in Israel. Während eines Vortrags des renommierten polnisch-kanadischen Holocaust-Forschers Jan Grabowski zum Thema "Polens (wachsendes Problem) mit der Geschichte des Holocausts" im Deutschen Historischen Institut am Dienstag in Warschau sprang der Abgeordnete Grzegorz Braun von der rechten Oppositionspartei Konfederacja plötzlich nach vorn, entriss Grabowski das Mikrofon und zerschlug es am Rednerpult.
Der Historiker brach den Vortrag ab. "Ich bin immer noch erschüttert. Es kommt nicht jeden Tag vor, dass man dem Faschismus direkt in die Augen sieht", schrieb Grabowski auf Facebook.
"Dieser Vorfall stellt einen neuen Tiefpunkt bei den Versuchen dar, die Diskussion über die Mitschuld der Polen an der Verfolgung und Ermordung ihrer jüdischen Nachbarn während des Holocausts zu unterdrücken", so der Vorsitzende von Yad Vashem, Dani Dajan. In einem Statement des Wiesenthal-Zentrums hieß es, der Vorfall sei ein ungeheuerlicher Angriff nicht nur auf die Redefreiheit, sondern auch auf die Richtigkeit des Narrativs über die Schoah in Polen.
- Nachrichtenagentur dpa